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Morane-Saulnier MS.406 - Frankreichs meistgebauter Jäger

Agilität als Trumpf
Morane-Saulnier MS.406 - Frankreichs meistgebauter Jäger

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Beim Ausbruch des Zweiten Weltkriegs war die MS.406 das Rückgrat der französischen Jäger. Konzeptionell war sie das Pendant zu den modernsten Jägern anderer Länder. Leistungsmäßig war sie ihnen unterlegen. Dennoch flogen die Morane-Saulnier MS.406 bei verschiedenen Luftwaffen. In der Schweiz wurde der französische Jäger sogar in Lizenz gefertigt

Morane-Saulnier MS.406 - Frankreichs meistgebauter Jäger

Morane-Saulnier MS.406

Tiefdecker, Einziehfahrwerk, geschlossene Kabine und starker V-12-Motor: Von ihrer grundsätzlichen Auslegung her stand die Morane-Saulnier in einer Reihe mit den ab Mitte der 30er Jahre in England, den USA und Deutschland entwickelten Jägern wie der Hawker Hurricane, der Curtiss P-40 und Messerschmitt Bf 109. Der französischen Regierung war klar, dass sie den Jägerentwicklungen im Ausland etwas entgegensetzen musste. Man benötigte dringend einen Nachfolger für die seit 1932 fliegende Dewoitine 500, die als Tiefdecker mit festem Fahrwerk und offenem Cockpit schnell veraltet war. Im Sommer 1934 stellte die französische Luftwaffe ihren Forderungskatalog für den neuen Jäger auf: Er sollte mit einem 800 bis 1000 PS starken Motor 450 km/h Höchstgeschwindigkeit erreichen, in Höhen bis 11500 m operieren können, und in maximal zehn Minuten 4000 m Höhe erklimmen.

Morane-Saulnier antwortete mit der MS.405, auf der die spätere Großserienversion MS.406 direkt fußte. Schon am 8. August 1935 kam der erste MS.405-Prototyp in die Luft. Angetrieben wurde er von einem Hispano-Suiza HS 12grs. Der V-12, der im Gegensatz zu den Daimler-Benz oder Rolls-Royce-Motoren stehend angeordnete Zylinder hatte, leistete 860 PS. In der Flugerprobung erwies sich der Prototyp als wendig mit guten Flugeigenschaften, doch sein relativ hohes Gewicht wirkte sich negativ auf das Steigvermögen und die Höchstgeschwindigkeit aus. Zwischen März und Juli 1936 prüfte die CEMA (Centre d´Essais du Matériel Aérien) in Villacoublay den neuen Jäger. Auch diese Tests verliefen zufriedenstellend. Nach dem Wechsel auf einen größeren Propeller mit besserem Wirkungsgrad, der zugleich den Umbau auf ein stärker untersetzendes Getriebe erforderte, erreichte das Flugzeug jetzt 483 km/h. Allerdings dürften die Ingenieure schon damals gewusst haben, dass sie Entwicklungen wie der Spitfire, die im März 1936 erschien und bald schon 560 km/h schnell flog, um Einiges hinterherhinkten.

Für eine Großserienproduktion war die Konstruktion noch lange nicht reif. Das Design musste erst noch in vielen Punkten geändert werden, um es für eine Serienfertigung reif zu machen. Das ist auch der Grund warum Morane-Saulnier erst am 20. Januar 1937, 17 Monate nach dem Erstflug des Prototypen, die zweite MS.405 im Stammwerk Puteaux, nordwestlich von Paris, fertiggestellt hatte und an den Start rollen konnte. Zuvor hatte die französische Regierung bereits 16 Vorserienflugzeuge geordert. Sukkzessive flossen in diese Vorserie weitere Verbesserungen ein. Schon das zweite Exemplar hatte eine vergrößerte Tankkapazität, die vierte MS.405 erhielt den verbesserten Hispano Suiza HS 12Y31. Ab der Baunummer Zwölf wurde eine vereinfachte und etwas leichtere Flügelstruktur eingeführt. Dieses Flugzeug wurde bald auf einen HS 12Y45 (910 PS) umgerüstet und erhielt einen festen anstelle des bis dahin verwendeten partiell einziehbaren Kühlers. Für die Großserien kehrte Morane-Saulnier jedoch zu dem verstellbaren Kühler zurück. Spätere MS.405 erhielten auch noch eine verbesserte Abdeckung des Hauptfahrwerks. Das letzte Exemplar der MS.405 kam im Juni 1938 in die Luft. In diesem Flugzeug hatte Morane-Saulnier die meisten im Laufe der Zeit entwickelten Verbesserungen zusammengefasst. Damit entsprach es dem Standard der MS.406 getauften Großserienversion. Jetzt konnte die Produktion des neuen Jägers anlaufen, von dem die Armée de l´Air zunächst knapp über 1000 bestellt hatte.

Die Société National de Construction Aéronautique (SNCA) de l´Quest in Nantes-Bouguennais wurde mit der Fertigung beauftragt. Die Fertigung lief zunächst schleppend an. Ein Grund waren sicher die wohl bei fast jedem Serienanlauf auftretenden Probleme. Andererseits war die Konstruktion der MS.406 für eine schnelle Serienfertigung immer noch nicht optimal. Rund 12500 Mannstunden flossen in den Bau jedes Exemplars. Zur Fertigung der Konkurrentin im eigenen Land, der Dewoitine 520, deren Prototyp Anfang Oktober 1938 erstmals flog, wurden kaum zwei Drittel dieser Zeit benötigt.

Der Rumpf bestand aus einem rechteckigen tragenden Metallfachwerk. Seinen ovalen Querschnitt erhielt er durch angesetzte Hilfsspanten und Längsstringer. Bis zur Hinterkante des Cockpits war der Rumpf mit leicht abnehmbaren Metallpanelen verkleidet die einen einfachen Zugang zum Innenleben für Wartungsarbeiten ermöglichten. Der hintere Rumpfteil war mit Stoff bespannt. Standard bei der Serienversion MS.406 C1 war ein selbst in der damaligen Zeit archaisch wirkender Hecksporn, anstelle des bei der Konkurrenz schon längst üblichen Spornrades.

Der Flügel baute über einen stählernen Hauptholm und zwei Hilfsholme auf. Eine Besonderheit war seine Beplankung mit sogenanntem Plymax. Dies war ein Verbund aus 1,6 mm starkem Abachi-Sperrholz, das mit 0,4 mm starkem Alublech verklebt war und mit besonders flachköpfigen Nieten auf die Flügelstruktur genietet wurde. Diese Flügelkonstruktion ergab zwar eine sehr feste Struktur, war aber relativ aufwendig zu fertigen. Übrigens verwendete Focke-Wulf in den späten Kriegsjahren für nicht tragende Teile der Fw 190 einen ähnlichen Sperrholz-Alu-Verbund, um knappes Leichtmetall zu sparen.

Im Mai 1938 wurden die ersten MS.406 C1 bei der 2. Escadrille der 7e Escadre de Chasse in Reims in Dienst gestellt. Schnell zeigte sich, dass die Flugzeuge mit dem Hispano-Suiza HS 12Y-31 (860 PS, 36 l Hubraum) untermotorisiert waren. Zudem war der Motor im Verhältnis zur gebotenen Leistung mit 816 kg sehr schwer. Der Vergleich mit anderen Motoren macht deutlich, wie sehr Hispano-Suiza hinter den Konkurrenten lag: Ein Rolls-Royce Merlin II wog nur 605 kg und holte 1030 PS aus 27 l Hubraum. Der Daimler-Benz DB 601 stemmte bei knapp 34 l Hubraum 1050 PS auf die Kurbelwelle und war mit 730 kg ebenfalls leichter als der Hispano-Suiza. Als weiterer Schwachpunkt auf der Antriebsseite erwies sich die Verstellmechanik des Chauviére-351M-Dreiblattpropellers. Sie neigte bei Kälte in größeren Höhen zur Vereisung.

Bewaffnet war die MS.406 mit einer 20-mm-Kanone, die durch die Propellernabe feuerte, und zwei 7,5 mm MAC MGs in den Flügeln. Bei den ersten Serienflugzeugen kam die Hispano-Suiza HS-S9-Kanone zum Einsatz, bald wurde jedoch auf die verbesserte HS 404 umgestellt. Sie konnte mit 350 Schuss pro Minute feuern. Ihr Munitionsvorrat in der MS.406 C1 belief sich jedoch nur auf 70 Granaten, die schnell verbraucht war. So war die Bewaffnung des französischen Jägers eher schwach.

Unsere Highlights

Zweiter Weltkrieg

Ab Mai 1938 wurden die Jagdgeschwader mit dem neuen Jäger ausgestattet. Foto und Copyright: KL-Dokumentation

Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs waren knapp über 600 MS.406 C1 produziert. Fünf Geschwader waren zu dieser Zeit mit ihr ausgerüstet. Damit war sie schon zu dieser Zeit der zahlenmäßig mit Abstand wichtigste Jäger der Armée de l´Air. Zwei Geschwader flogen die Curtiss Hawk 75, von der eigentlich leistungsfähigeren Dewoitine D.520 hatten bis dahin nur 50 Exemplare die Werkhallen verlassen. Bis zum März 1940, wenige Wochen vor Beginn des deutschen Westfeldzugs, hatte die SNCA schließlich fast alle der bis dahin bestellten 1084 MS.406 fertiggestellt. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Fertigungskadenz mit elf Flugzeugen pro Tag ihren Höhepunkt erreicht. Dann wurde die dortige Produktion auf die Bomber LeO 451 umgestellt. Für die letzten Wochen und Monate bis zum Waffenstillstand am 25. Juni wurden noch einige wenige MS.406 bei Morane-Saulnier montiert.

In den ersten Luftkämpfen gegen die Messerschmitt Bf 109D zu Beginn des Westfeldzugs Anfang Mai 1940 zeigte sich die MS.406 C1 noch nicht völlig unterlegen. Ihr Trumpf war ihre hohe Wendigkeit, doch die deutschen Jäger waren schneller. Mit vermehrtem Erscheinen der Bf 109E an der Westfront, die zunächst vor allem gegen Polen eingesetzt worden waren, hatten die französischen Jäger den nun klar überlegenen Gegnern nur wenig entgegen zu setzen. Dennoch waren die MS.406 nicht ungefährlich, vor allem für langsamere deutsche Aufklärer. Bis zum Mai 1940 gingen 32 betätigte und 16 unbestätigte Abschüsse deutscher Kampfflugzeuge auf das Konto von MS.406-Piloten. Allerdings konnten die Morane-Saulnier schon gegen anfliegende Bomber wenig ausrichten. Diese flogen fast so schnell wie die französischen Jäger und konnten sie oft mit ihrer größeren Feuerkraft auf Distanz halten.

Später gab der französische General Raymond Clausse zur damaligen Situation der Jagdflieger zu Protokoll: „Wir waren glücklich, als wir die MS-406 als Ersatz der veralteten Dewoitine D-500 und Spad S-150 erhielten. Doch das Glücksgefühl hielt nicht lange an und dauerte nur bis zu den ersten Feindkontakten. Die schwache Leistung, das instabile, vor dem Cockpit montierte Visier und die schwache Bewaffnung, die in großer Höhe oft versagte, machten uns ... zu leichten Zielen der feindlichen Jäger. Wir beneideten unsere Kameraden, die die Curtiss P-36 flogen, und hofften auf die Dewoitine D-520.“ Sie hofften vergebens. Bis zum Waffenstillstand wurden nur 220 der neuen Dewoitine-Jäger gebaut. So blieb die MS.406 das Rückgrat der französischen Jägereinheiten.

Nach dem Waffenstillstand war die Karriere der MS.406 noch nicht zu Ende. Einige französische Jägereinheiten befanden sich zu dieser Zeit in Nordafrika, Syrien und Indochina. Die Piloten schlossen sich überwiegend der Exilregierung General de Gaulles an. Das Vichy-Regime stellte ihre verbliebenen MS.406 bald außer Dienst oder gab sie auf Veranlassung der Deutschen an andere Luftwaffen ab.

Die meisten erhielt Finnland. Bereits 1939/40 hatte die Armée de l´Air 30 MS.406 C1 als Waffenhilfe an die finnische Luftwaffe gegeben, die die Flugzeuge im Winterkrieg gegen den Einmarsch der Sowjetunion einsetzte. Nach der französischen Kapitulation wurden auf Veranlassung der Deutschen weitere 47 Exemplare nach Finnland überführt. Auch nach der Okkupation Finnlands durch die Sowjets flogen die MS.406 dort weiter. Ab 1943 wurden die verbliebenen Flugzeuge noch auf stärkere Klimow M-105 umgerüstet, die 1100 PS Startleistung boten. Die letzten dieser sogenannten Mörkö-Morane stellte die finnische Lufwaffe erst 1948 außer Dienst und verschrottete sie anschließend.

Auch die Türkei hatte im Februar/März 1940 insgesamt 30 MS.406 erhalten. Im August 1942 gab das Vichy-Regime 20 Exemplare an Bulgarien. Auf Befehl der Deutschen wurden kurz darauf der kroatischen Luftwaffe noch 44 MS.406 überstellt und auch Italien sicherte sich 52 MS.406. Knapp die Hälfte davon flogen bei der Regia Aeronautica. Die anderen sollten wohl als Ersatzteilspender dienen.

Am längsten überdauerte die MS.406 jedoch in der Schweiz. Morane-Saulnier hatte bereits im September 1938 und im April 1939 zwei unbewaffnete MS.406 H (Helvetique) an die Eidgenossen geliefert. Kurz darauf fiel die Entscheidung für eine Lizenzfertigung des Jägers. Insgesamt wurden in der Schweiz 302 Exemplare gebaut. Die Eidgenössischen Flugzeugwerke Emmen, SWS Schlieren und Doflug Altenrhein fertigten zunächst 74 Exemplare mit der Bezeichnung D-3800 mit dem 860 PS leistenden Hispano-Suiza. Ab 1941 wurde eine stärkere Version dieses Motors, der HS 12Y-51 mit 1000 PS eingebaut, der bei der Schweizer Saurer AG und von SLM Winterthur ebenfalls in Lizenz gebaut wurde. Die mit diesem Motor ausgerüsteten Flugzeuge wurden als D-3801 bezeichnet. Im Jahr 1946 implantierten die Schweizer elf Exemplaren (D-3802A) eine nochmals leistungsgesteigerte Version des Motors mit 1250 PS. Ein Einzelstück blieb die D-3803 mit einem 1430 PS starken Saurer YS-3. Erst 1959 stellte die Schweizer Luftwaffe ihre letzte D-3801 außer Dienst.

Heute gibt es noch drei MS.406/D-3801. In den 90er Jahren baute der Schweizer Max Vogelsang aus mehreren Wracks eine D-3801 auf. Dieses einzige flugfähige Exemplar gehört inzwischen Daniel Koblet und ist in Bex stationiert. Zuletzt begeisterte der Jäger in Deutschland beim Oldtimer-Fliegertreffen auf der Hahnweide die Besucher. Eine weitere D-3801 befindet sich Museum der Fliegertruppe in Dübendorf. Das Musée de l´Air in Le Bourget präsentiert ein Exemplar als MS.406. Allerdings handelt es sich dabei ebenfalls um einen in der Schweiz gefertigten Lizenzbau des historischen Morane-Saulnier-Jägers.

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Technische Daten

Morane-Saulnier MS.406 C1

Verwendung: einsitziger Jäger
Antrieb: Hispano-Suiza HS 12Y-31
Leistung: 860 PS/632 kW
Spannweite: 10,62 m
Länge: 8,17 m
Höhe: 3,40 m
Leermasse: 1893 kg
max. Flugmasse: 2426 kg
Höchstgeschwindigkeit in 5000 m Höhe: 486 km/h
Reisegeschwindigkeit: 320 km/h
Steigleistung: 13 m/s
Dienstgipfelhöhe: 9850 m
Reichweite: 1000 km
Bewaffnung: eine 20-mm-Kanone HS 404, zwei 7,5-mm-MGs

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