Annäherung an eine Legende
Messerschmitt Bf 109 – So fliegt die 109

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Was ist dran an den Mythen um das Fliegen des berühmten Messerschmitt-Jägers? Im Jahr 2005 ging der aerokurier dieser Frage nach und ließ sich von Walter Eichhorn in die fliegerischen Geheimnisse der Bf 109 einweihen. Im folgenden geben wir die damaligen Erkenntnisse ungekürzt wieder.

Messerschmitt Bf 109 – So fliegt die 109

Sie ist wohl das derzeit aufregendste Flugzeug am deutschen Himmel. Seit einigen Monaten fliegt die in siebenjähriger Arbeit in Albstadt sensationell restaurierte Bf 109 G-4. Walter Eichhorn hat nach zwölf Starts seinen Job als Einflieger des Jägers und Einweiser für die drei Eigner erledigt. Die „Macher“ des Flugzeugs, Werner Grammel, Wilhelm Heinz und Sigi Knoll, fliegen ihre Me längst selbst und haben sie zum beinahe schon normalen Bild am Himmel über der Schwäbischen Alb werden lassen. Zeit, bei den nunmehr vier deutschen 109-Piloten einmal nachzuhaken, wie sich ein Hochleistungsflugzeug dieser Prägung aus Pilotensicht ausnimmt.

Für den Normalpiloten sind schon allein zwei Eckdaten gewaltig: Bis zu 1475 PS kann der Daimler-Benz DB 605 A1 aus den knapp 36 Litern Hubraum seiner zwölf Zylinder mobilisieren und verteilt diese auf maximal 2850 kg Flugmasse. Das heißt: Jedes PS muss mit nur 1,9 Kilogramm Flugmasse fertig werden. Bei einer Cessna 172 wären es sechs Kilogramm pro PS.

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Nur noch wenige fliegende Exemplare

Das Albstädter Halter-Trio hat sich mit der Restaurierung der Bf 109 einen Traum erfüllt. Foto und Copyright: Frank Herzog

Zehntausende flogen einst den berühmtesten deutschen Jäger. Heute sind es weltweit nur noch eine Handvoll Piloten, die die Bf 109 fliegen. Klar, es gibt nur noch ganz wenige fliegende Exemplare des Messerschmitt-Jägers und seiner noch nach dem Zweiten Weltkrieg gebauten Lizenzausgaben. Doch es wagen sich auch nur sehr wenige Piloten daran, die wertvollen Raritäten in die Luft zu bringen. Viel Wahres, aber auch Fabulöses ist in den vergangenen Jahrzehnten über die Eigenschaften der Bf 109 verbreitet worden.

Die Albstädter Eigner der Bf 109 G-4 ließen sich nicht beirren. Von Beginn des Projektes an stand für sie fest: Sie werden ihre Messerschmitt selbst fliegen. Jetzt, nachdem sie etwa 30 Starts absolviert haben, sehen sie sich bestätigt: „Die Messerschmitt stellt Ansprüche, aber bei professioneller Vorbereitung muss man kein Superpilot sein, um sie zu fliegen.“ Professionell vorbereitet haben sie sich tatsächlich, und zudem brachten sie beste Voraussetzungen mit.

Bücker Bü 131 Jungmann, Pitts Special und die neben der Bf 109 im Albstädter Hangar parkende Extra 300 gehören zu den Fluggeräten, die sie schon lange gut kennen.

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Training für den Flug mit der Bf 109

Als unabdingbar für den sicheren Betrieb ist ein absolut professionelles Handling des Hochleistungsflugzeugs. Foto und Copyright: Frank Herzog

Walter Eichhorn, mit inzwischen über 250 Stunden Erfahrung auf Bf 109 verschiedener Versionen der aktuell wohl versierteste Pilot der Messerschmitt, stellte das Trio theoretisch und mit einem praktischen Training auf einer Pilatus P-2, die Erwin Birk aus Rottweil zur Verfügung stellte, auf ihre Aufgabe ein. Der zweisitzige Trainer kann im weitesten Sinne als Fortentwicklung der Arado Ar 96 gelten, mit der sich einst auch die Luftwaffenpiloten auf die Bf 109 vorbereiteten. „Das Cockpit ist ähnlich dem der Messerschmitt“, erklärt Wilhelm Heinz. „Trimmung und Klappen sind an der Bordwand genauso angeordnet, und ihre Bedienung ist identisch. Auch die Sitzposition ähnelt der in der Messerschmitt, ebenso die Arbeitsbelastung.

Eichhorn hatte es bei seiner ersten Begegnung mit dem Jäger nicht einfacher. Zwar hatte er mit Bubi Hartmann einen guten Lehrmeister, doch außer auf seine eigenen Instinkte musste er sich ausschließlich auf die Theorie verlassen, die ihm der wohl berühmteste Jagdflieger der 40er Jahre über das Fliegen mit der Bf 109 vermittelte. Das war 1986, als er sich erstmals ins Cockpit des damals von Hans Dittes aus Spanien geholten Bf-109-Lizenzbaus setzte.

Als unabdingbar für den sicheren Betrieb sehen Eichhorn und die drei Albstädter ein absolut professionelles Handling des Hochleistungsflugzeugs. Hier kam den Albstädtern auch zugute, dass Wilhelm Heinz, der sein Geld als Airbus-Kapitän bei LTU verdient, eben diese Professionalität in Fleisch und Blut übergegangen ist. Nachdem er als Erster auf die Bf 109 umgestiegen war, stellte er ein akribisches Trockentrainingsprogramm für seine Partner auf. „Extrem wichtig ist das korrekte Set-up des Flugzeugs“, erklärt er.

„Du hast keinen Spielraum, etwas zu vergessen“

Eine Rarität in der Luft: Die restaurierte Messerschmitt Bf 109. Foto und Copyright: Frank Herzog

Die wichtigsten Punkte: Spornverriegelung und Fahrwerksschalter prüfen, Verstellprop manuell auf Startstellung, Kühlerschalter „auf“, Landeklappen 20 Grad, elektrische Kraftstoffpumpe einschalten. „Du hast keinen Spielraum, etwas zu vergessen. Bis auf die Kraftstoffpumpe wäre ein Fehler bei anderen Punkten gefährlich. Ein klarer Unterschied zu den meisten Leichtflugzeugen“, sagt Werner Grammel. Selbstverständlich wird das Set-up nach dem ersten Durchgang nochmals anhand der Checkliste überprüft.

Den Zwölfzylinder zum Leben zu erwecken ist relativ einfach. Nach dem Primen mit einer Handpumpe unten links im Cockpit wird der Schwungradstarter mit einem Zugschalter oben links am Panel auf Touren gebracht. Bei etwa 20000 wird „eingekuppelt“. „Der Daimler-Benz ist wesentlich startfreudiger als ein Rolls-Royce Merlin, der zum Beispiel die Spitfire und Mustang antreibt. Gibt man ihm vor dem Anlassen zu viel Sprit, verzeiht er das eher. Beim Merlin hilft dann nur die „englische Methode“: aussteigen, eine Tasse Tee trinken und nach einer halben Stunde einen neuen Startversuch machen“, scherzt Eichhorn.

Ist der Motor angesprungen, heißt es gleich erst mal auf 600 U/min reduzieren, um den Öldruck im grünen Bereich zu halten. „Von jetzt an bleiben nicht mehr als etwa sieben Minuten Zeit bis zum Start, bei sehr niedrigen Temperaturen allenfalls zehn, sonst wird der Motor zu heiß“, sagt Heinz. Die Wassertemperatur steigt dabei schneller als die des Öls. Mehr als 100 Grad sollten es nicht werden. Das Öl braucht mindestens 40 Grad, um bei Startleistung die Schmierung sicherzustellen. Der Magnetcheck erfolgt bei 1800 U/min.

Start der Bf 109

Die Leistungsentfaltung des Motors ist enorm. In nur sechs Sekunden beschleunigt der Jäger auf etwa 180 km/h und fliegt. Foto und Copyright: Frank Herzog

Den Start vergleicht Sigi Knoll mit der Formel 1. Die Leistungsentfaltung des Daimler-Benz ist enorm. In nur sechs Sekunden beschleunigt der Jäger auf etwa 180 km/h und fliegt. Gefordert ist die volle Konzentration auf das Flugzeug. Für einen Moment will das Flugzeug wegen dem Motorbeschleunigungsmoment nach rechts ausweichen. Dann greift der Torque des drei Meter messenden Props zu und will das Flugzeug spätestens beim Abheben des Sporns kräftig nach links drehen.

„Dennoch ist die Sache gut beherrschbar, wenn gefühlvoll Leistung gesetzt wird“, sagt Sigi Knoll. Eichhorn setzt dabei zum Start gerne etwas versetzt und schräg zur Startlinie an, um noch etwas größeren Spielraum zum Aussteuern zu haben. Während die Albstädter die Startleistung mit 2600 U/min und einem Ladedruck von 1,3 ata benennen, begnügt er sich gerne mit 2300 U/min und 1,15 ata, was eigentlich laut Handbuch dem Powersetting für den Steigflug entspricht. „Das reicht satt.“

Obwohl die Bf 109 eine automatische leistungsabhängige Propellerregelung (kein Constant Speed) hat, erfolgt der Start mit manuell auf „zwölf Uhr“ gestelltem Prop. Die für Außenstehende seltsame Bezeichnung erklärt sich aus der Stellungsanzeige im Panel, die aus Gründen der Übersichtlichkeit wie eine Uhr aufgebaut ist. Auch die sonst automatisch thermostatgesteuerten Kühlerklappen sind jetzt noch im manuellen Modus ausgefahren. „Der Hauptgrund dafür ist, auszuschließen, dass eine der Klappen ungewollt schließt. Das wäre beim Start fatal“, erklärt Eichhorn. Für den Start steht die Trimmung leicht negativ auf „+1“, um einem Aufbäumen vorzubeugen. „Sie darf erst fliegen, wenn der Pilot es will“, erklärt Wilhelm Heinz. „Der Sporn darf dabei nicht zu hoch kommen, schon allein wegen der geringen Bodenfreiheit des Props von nur 17 Zentimetern.“ Mit etwa fünf Grad Anstellwinkel heben sie die Bf 109 ab.

„Für mich ist es sagenhaft, wie schnell die 109 im Steigflug weiter beschleunigt“, begeistert sich Sigi Knoll. Fahrwerk einfahren ist das nächste, dabei aber keinesfalls hochziehen. Schon bei einem halben g schafft es die Hydraulik nicht mehr, die Beine reinzuholen. Doch auch im Normalfall dauert es gut 30 Sekunden, bis die beiden roten Leuchten und zusätzlich zwei weiße Pins anzeigen, dass die Räder endlich in den Flächen verschwunden sind. Die Klappen werden per Handrad an der linken Bordwand eingekurbelt, die Prop- und Kühlerautomatiken können jetzt ebenfalls aktiviert werden.

Automatische Steuerung für Motor, Prop und Kühlung

Das Panel der Messerschmitt: Alle Instrumente in seinem oberen Teil sind Originale. Foto und Copyright: Frank Herzog

Mit der Motor-, Prop- und Kühlersteuerung hat der Pilot nun kaum noch etwas zu tun. Eine perfekte Einhebelbedienung: Nur den Ladedruck einstellen, und dann regeln sich der Direkteinspritzer, die Luftschraube und Kühlung vollautomatisch. „Du musst allerdings den Leistungshebel mit etwas Gefühl bedienen, damit die Automatik erkennt, was du vorhast“, erklärt Eichhorn. Für den Reiseflug im Schongang werden 1,05 ata Ladedruck gewählt, die Luftschraube dreht dann mit 2050 U/min. Mit 360 km/h geht es so vorwärts.

Der rote Strich auf dem Fahrtmesser der Albstädter Bf 109 steht bei 550 km/h, eine freiwillige Beschränkung. Früher wurde der Jäger bis 750 km/h geflogen. Mit ihrem Handling in der Luft begeistert das Flugzeug jeden, der es geflogen hat. „Sie benimmt sich absolut fair“, bemerkt Werner Grammel. „Das gilt auch für den Stall. Bei etwa 140 bis 150 km/h, je nach Konfiguration, taucht sie nach links weg. Nachlassen, Ruder neutral und dann ist sie wieder da.“ Kunstflugmanöver bei Vorführungen fliegen die Albstädter mit Steigleistung. „Du musst nur darauf achten, keine Drehungen um die Längsachse unter 200 km/h einzuleiten. Bei höherer Geschwindigkeit, so ab 300 km/h, wird sie zunehmend hart in den Rudern. Da muss man schon mal kräftig zupacken“, erklärt Sigi Knoll.

Landung der Bf 109

Früher wurde der Jäger bis 750 km/h geflogen. Foto und Copyright: Frank Herzog

Die Landung will weit vorausschauend geplant sein. Das Verfahren beginnt mit dem Ausschalten der Kühlerautomatik. Manuell voll geöffnet bremsen die spoilerartig nach oben und unten im rumpfnahen Bereich der Endleiste spreizenden Kühlklappen die Geschwindigkeit bei Reiseleistung auf 300 km/h herunter. Der Prop wird wieder „Manuell“ gestellt und auf 11.30 Uhr gefahren. Mit weiter reduzierter Leistung setzen die Albstädter unter 250 km/h die Klappen zunächst auf 20 Grad. Sind 200 km/h erreicht, folgt das Fahrwerk, dann geht es noch im weiten Gegenanflug mit den Klappen auf volle 40 Grad weiter, und über einen Schalter können die Kerzen abgebrannt werden. Das soll helfen, den Motor auch dann weiter schön rund laufen zu lassen, wenn zuvor längere Zeit mit sehr geringer Leistung geflogen wurde.

Den Endanflug fliegen die Albstädter nach einer flachen Kurve mit 180 km/h. Eichhorn bevorzugt dabei eine leicht erhöhte Leistung. „Lieber 5 km/h zu schnell als zu langsam“, sagt er, „sonst ist die Sinkrate zu hoch. Und Leistungsänderungen quittiert sie in diesem Geschwindigkeitsbereich mit ausgeprägtem Schwenk um die Hochachse. Man muss sich einmal vorstellen, dass bei der Messerschmitt selbst kleine Veränderungen am Gashebel gleich 200 oder 300 PS Leistungsunterschied bedeuten. Das will alles sofort ausgesteuert werden.“ Viel Arbeit also, die den Anflug schnell zum wilden Ritt werden lassen kann, wenn Sinkrate, Anflugwinkel und Geschwindigkeit nicht von vornherein passen. „Die 109 will zur Landung wie ein Segelflugzeug behandelt werden“, hatte einst Bubi Hartmann Eichhorn erklärt. Und das bestätigen auch die drei Albstädter. Ein gutes Verfahren scheint es zu sein, den Endteil als einen sanften Bogen zu fliegen. So behält man am längsten die Bahn in Sicht. Vor dem Aufsetzen gerade ausgerichtet, bleiben nur noch die Landereiter als Sichtreferenz.

„Die Bf 109 ist kein Wunderflugzeug“, betont Eichhorn, und Wilhelm Heinz meint sogar, sie sei „lammfromm“, wenn man sie richtig behandele. „Allerdings ist sie ganz klar ein Flugzeug, das sehr diszipliniert in genau definierten Grenzen bewegt werden muss.“ Reserven bei Fehlern sind extrem schnell aufgebraucht. Das ist wohl einer der größten Unterschiede zu sonst von Privatpiloten bewegten Flugzeugen. Werner Grammel sagt es ganz drastisch: „Wenn du sie korrekt behandelst, ist sie auch gut zu dir. Machst du es nicht, bringt sie dich in Teufels Küche.“

Nachtrag

Die Messerschmitt Bf 109 G-4 wurde 2006 an die EADS verkauft und befindet sich seit 2008 im Flugmuseum Messerschmitt in Manching. Im August 2013 musste die Bf 109 G-4 wegen Motorproblemen in einem Kornfeld im dänischen Roskilde notlanden. Da ohne Leistung die Landebahn nicht mehr erreichbar war, entschied sich Pilot Klaus Plasa für eine Bauchlandung auf einem Feld. Der Holzpropeller ging zu Bruch, während die Zelle der D-FWME relativ unbeschädigt aussah. Der Pilot blieb unverletzt.

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