Avro 707: Britisches Delta-Testflugzeug für den Vulcan-Bomber

Forschungsflugzeug der Royal Air Force
Wie die Avro 707 den Deltaflügel für die Vulcan formte

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ArtikeldatumVeröffentlicht am 26.10.2025
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Nach dem Zweiten Weltkrieg musste auch die Royal Air Force sparen, doch bald wurde klar, dass man neue Flugzeuge benötigte, um gegen die kommunistische Sowjetunion gerüstet zu sein. Unter anderem war ein neuer Jetbomber nötig, für den das Ministry of Supply die Spezifikation B.35/46 herausgab. Avro mit seinem Typ 698 (später Vulcan) und Handley Page mit der H.P. 80 (später Victor) erhielten im März 1947 zunächst den Auftrag für den Bau von Prototypen. Da Avro mit einem großen Deltaflügler Neuland betrat, bestand ein Bedarf für ein Forschungsflugzeug, das den Ingenieuren Informationen über die Flugeigenschaften dieser Flügelform liefern konnte. Dieses Forschungsflugzeug war die Avro 707, das erste britische Flugzeug mit Deltaflügeln, das der Spezifikation E.15/48 entsprach und etwa ein Drittel der Größe des Bombers hatte. Es sollte vor allem für die Erprobung der Eigenschaften im langsamen Geschwindigkeitsbereich eingesetzt werden. Der Bau von zwei Flugzeugen im Maßstab 2:1 für Forschungszwecke bei hoher Geschwindigkeit und in großer Höhe wurde dagegen wieder verworfen. Da es schnell gehen sollte, um Daten noch in den Vulcan-Entwurf einfließen zu lassen, war die Avro 707 eine relativ einfache Konstruktion, bei der viele Komponenten von vorhandenen Flugzeugtypen verwendet wurden, wie das Fahrwerk des Athena-Trainers und das Cockpit der Gloster Meteor. Als Antrieb diente ein Rolls-Royce Derwent 5 mit 3,52 kN Schub, dessen Luftzufuhr über einen Einlauf auf dem Rumpfrücken erfolgte, der durch die vorgezogene Wurzel des Seitenleitwerks geteilt wurde.

Testflugzeug Nummer 1 Avro 707 VX784 am Boden
BAE

Ein Jahr Bauzeit

Die ersten Teile der 707 entstanden im September 1948, und Mitte August 1949 war die Maschine mit der Kennung VX748 in Woodford fertig. Nach ersten Rollversuchen wurde sie demontiert und nach Boscombe Down gebracht, wo sie nach einer wetterbedingten Verzögerung am Abend des 4. September 1949 zum Erstflug abhob. Dieser dauerte rund 35 Minuten, wobei der stellvertretende Cheftestpilot Eric "Red" Esler im Cockpit saß. Er war in den nächsten zwei Tagen weitere zweieinhalb Stunden in der Luft, so dass eine Überführung zur Luftfahrtschau in Farnborough am 6. September genehmigt wurde. Nach der Rückkehr installierte Avro weitere Messinstrumente, bevor die Versuche Ende des Monats fortgesetzt wurden. Angesichts der positiven Kommentare von Esler war der Absturz der 707 am 30. September 1949 bei Blackbushe ein Schock. Vermutlich gab es einen Fehler im Bremsklappensystem, der bei niedriger Geschwindigkeit und Flughöhe zu einem Strömungsabriss führte, aber eine genaue Ursache konnte nicht ermittelt werden. Ein Schleudersitz war nicht eingebaut. Der Verlust des ersten Prototyps führte dazu, dass die Arbeiten am zweiten Flugzeug eine Zeit lang unterbrochen wurde. Man installierte nun einen Schleudersitz in einem geänderten, längeren Vorderrumpf, die Bremsklappen wurden geändert und auch am Höhenruder gab es Modifikationen. Der 15 Minuten dauernde Erstflug der Avro 707B (Seriennummer VX790) fand schließlich am 5. September 1950 wieder in Boscombe Down statt, diesmal mit Avro-Cheftestpilot R. J. "Roly" Falk. Er brachte die Maschine am nächsten Tag auf die Farnborough Airshow. Anschließend begann ein intensives Testprogramm, ab Oktober beim Aeroplane and Armament Experimental Establishment (A&AEE). Als Problem stellte sich dabei heraus, dass der Triebwerks-Lufteinlass aufgrund von Verwirbelung durch das Cockpit bei höheren Geschwindigkeiten nicht genügend Luft für das Derwent lieferte, das die Tendenz hatte, auszugehen. Er wurde daher durch einen NACA-Venturi-Einlass ersetzt. Das Flugzeug war in erster Linie für die Flugerprobung im Geschwindigkeitsbereich von 150 bis 650 km/h konzipiert. Der Beitrag des Typs 707B zum Vulcan-Programm war eher begrenzt, da ein Großteil der Zeit auf Modifikationen verwendet wurde, die nur für die 707B selbst relevant waren. Man erkannte jedoch, dass der Anstellwinkel am Boden für die Startlänge wichtig war und verlängerte die Bugfahrwerksstrebe um etwa 25 Zentimeter.

Testflugzeug Avro 707A WD280 im Flug
Avro

Neuer Flügel

Da man für die Vulcan inzwischen eine leicht geänderte Flügelform und Lufteinlässe in der Flügelwurzel gewählt hatte, entschied man sich, eine weitere, entsprechend angepasste 707 zu bauen (Spezifikation E.10/49). Die 707A, Kennung WD280, erhielt ein Derwent 8 mit leicht höherem Schub und startete in Boscombe Down am 14. Juli 1951 mit "Roly" Falk zum Jungfernflug. Dieses Flugzeug war für hohe Unterschall-Machzahlen ausgelegt und erhielt daher hydraulisch betätigte Steuerflächen. Für den Einsatz in großer Höhe wurde das Cockpit druckbelüftet. Leider wurde viel Flugzeit damit verbracht, einige der Probleme mit dem neuen Flugsteuerungssystem zu beseitigen, so dass der Beitrag zum Entwicklungsprogramm des Typs 698 letztlich sehr gering war. 1954 wurde die WD280 mit einer modifizierten Tragfläche mit geknickter Vorderkante ausgestattet, die nach erfolgreicher Erprobung später zur "Phase Zwei" der Vulcan-Flügelmodifikation wurde. Dies war notwendig, da sich Vibrationen aufgrund von Strömungsablösungen an den Flügelspitzen herausgestellt hatten. 1956 wurde die WD280 dem Australian Aeronautical Research Council (AARC) zugewiesen und mit der HMAS Melbourne nach Australien verschifft. Von der RAAF-Basis Laverton aus fanden Flugver- suche mit niedriger Geschwindigkeit statt. Am 10. Februar 1967 wurde die WD280 außer Dienst gestellt und an einen Anwohner verkauft, der sie in seinem Garten aufstellte. Sie kam dann 1999 zum RAAF-Museum in Point Cook.

Eine Avro 707C in der Frontansicht am Boden
Avro

Doppelsitzer

Am 13. November 1951 wurden entsprechend einer geänderten Fassung 2 der Spezifikation E.10/49 drei weitere Flugzeuge bestellt. Dabei handelte es sich um ein zweites Flugzeug des Typs 707A (WZ736) und die ersten beiden von vier geplanten Side-by-Side-Trainern mit der Bezeichnung Avro 707C (Kennungen WZ739 und WZ744). Die 707C sollten die angehenden Bomberpiloten mit den Eigenschaften von Deltaflugzeugen vertraut machen, aber die ersten Vulkans erwiesen sich als leicht zu fliegen, und so wurde WZ739 später gestrichen. Die beiden verbleibenden Flugzeuge wurden in den Reparatur- und Überholungswerkstätten von Avro in Bracebridge Heath (südlich von Lincoln) zusammengebaut, da Woodford inzwischen durch die Vulcan-Fertigung ausgelastet war. WZ736 wurde von J. C. Nelson erstmals am 20. Februar 1953 von der nur knapp fünf Kilometer entfernt gelegenen RAF-Basis Waddington aus geflogen. WZ744 folgte am 1. Juli 1953 mit J. B. Wales im Cockpit. Beide Flugzeuge wurden nach Woodford geflogen und blieben dort für die Produktionsabnahmeprüfung, bevor sie an das Royal Aircraft Establishment (RAE) in Farnborough beziehungsweise Bedford übergeben wurden. Sie waren nicht direkt in das Vulcan-Entwicklungsprogramm eingebunden und verbrachten ihre Zeit mit allgemeinen Forschungsarbeiten – WZ736 war bis zu ihrer Außerdienststellung im Jahr 1964 an Entwicklungsversuchen für die automatische Schubregelung beteiligt, und WZ744 flog fast 200 Stunden für die Entwicklung der Fly-by-Wire-Flugsteuerung, bevor sie im Januar 1967 außer Dienst gestellt wurde. Die beiden Flugzeuge gingen an Flugzeugmuseen: WZ736 an das Manchester Museum of Science and Industry und WZ744 an das RAF Museum in Cosford (derzeit eingelagert).

Zwei 707A, die 707B und die 707C in Formation mit zwei Vulcan-Prototypen
Avro

Technische Daten

Avro 707A

Besatzung: 1

Triebwerk: Rolls-Royce Derwent 5 / 8

Schub: 15,57 kN (3500 lbs)

Länge: 12,90 m

Höhe: 3,53 m

Spannweite: 10,41 m

Flügelfläche: 39 m²

Startmasse: 4310 kg

Höchstgeschwindigkeit: 768 km/h