Fliegende Flugzeugträger - die sowjetischen Jäger-Mutterschiffe

Huckepack-Bomber mit fünf Jägern an Bord
Die fliegenden Mutterschiffe der Sowjetunion

Veröffentlicht am 23.12.2024

Besonders in der Anfangszeit der militärischen Luftfahrt litten vor allem die Jagdflugzeuge unter ihrer geringen Reichweite. So mussten Langstreckenbomber auf ihren Missionen auf den Schutz durch eigene Jäger verzichten. Was lag da näher, als die "kleinen Freunde" einfach an Bord mitzunehmen. Selbst noch in den 50er Jahren fand das Konzept von Parasitenjägern und fliegenden Mutterschiffen in den USA Anklang. Dabei hatte es bis dahin kaum eine praktikable und in größerem Stil einsatzfähige Lösung gegeben. Die meisten Erfahrungen hatten dabei die Konstrukteure in der Sowjetunion gemacht, die eine ganze Reihe eindrucksvoller Gespanne in die Luft brachten.

Tupolew TB-3 mit Jäger-Gespann im Flug
via San Diego Air and Space Museum

Fliegende Flugzeugträger

In den 20er und 30er Jahren entstand dort der Begriff "Aviamatka" quasi für die "fliegenden Flugzeugträger". Vorreiter auf diesem Gebiet war der Konstrukteur Wladimir Sergejewitsch Wachmistrow. Seine erste Kreation nahm er im Jahr 1931 in Angriff, indem er einen zweimotorigen TB-1-Bomber von Tupolew mit zwei I-4-Jägern kombinierte. Letzteres Muster war ebenfalls unter der Leitung von Andrei Tupolew in den 20er Jahren entstanden. Der von Pawel Suchois konstruierte Anderthalb-Decker wurde auch als ANT-5 bezeichnet. Für die Verwendung als Begleitjäger kürzten die Ingenieure die untere Tragfläche, um den Luftschrauben der TB-1 nicht ins Gehege zu kommen. Die Befestigung der Jäger erfolgte jeweils an drei Punkten mit speziellen Schlössern auf dem Flügel des Bombers.

Tupolew TB-1 mit zwei I-4-Jägern auf der Tragfläche
via ROSTEC

Erstflug an Silvester

Das ungewöhnliche Gespann erhielt die Bezeichnung "Sweno-1" (für "Verbindung") und hob am 31. Dezember 1931 bei Moskau zum ersten Mal ab. Der Start erfolgte mit laufenden Motoren aller drei Maschinen, wobei die Jäger ihren Kraftstoff aus dem Tank ihres Mutterschiffs erhielten. Sie verfügten aber über eine eigene Treibstoffreserve an Bord, um nach dem Lösen von ihrem Träger (bei der Premiere in einer Höhe von rund 3000 Metern) aus eigener Kraft zur Basis zurückzukehren. Ein Andocken an die TB-1 in der Luft war nicht möglich. Die weiteren Tests im Frühjahr 1932 verliefen bis auf einige Zwischenfälle recht erfolgreich.

Sowjetische Piloten Gruppenbild
via ROSTEC

Notlandung mit Jägern an Bord

So konnte bei einem Testflug der erste Jäger die Verbindung nicht lösen, so dass der Pilot der TB-1, Pjotr Stefanowsky, sich zu einer Landung mit den beiden I-4 auf dem Flügel entschloss. Dabei löste sich eine der beiden und verhedderte sich hinter der Tragfläche. Der Pilot kam jedoch mit dem Leben davon. Die Führung der sowjetischen Streitkräfte gab schließlich eine kleine Serie in Auftrag. Da die Technik damals relativ rasante Fortschritte machte, schlug Wachmistrow schon ein Jahr später eine neue Ausführung mit dem leistungsfähigeren Jäger I-5 von Polikarpow vor (Sweno-1A).

Tupolew TB-3 mit Parasiten-Jägern und Rampe
unbekannt (Sowjetunion)

Neues Mutterschiff

Auch die Trägerkomponente erhielt eine Verbesserung in Form der viermotorigen Tupolew TB-3 (ANT-6). Aufgrund der gestiegenen Kapazität kam eine dritte I-5 auf dem Rumpf des Bombers hinzu. Das Ganze trug die Bezeichnung Sweno-2. Allerdings erwies sich die Montage der Jäger als sehr umständlich. Mit Hilfe von Winden zog die Mannschaft die Jäger über große Holzrampen auf die Flügel und musste sie genau in den Halterungen ausrichten. Die Positionierung der mittleren Maschine war so schwierig, dass Wachmistrow schon bald darauf verzichtete. Außerdem erschien ihm die Anordnung unter dem Flügel als wesentlich praktikabler.

Jäger koppelt von TB-3-Mutterschiff ab
via ROSTEC

Eindecker unter der Tragfläche

Damit war die Sweno-3 geboren. Da sich Doppeldecker für die vorgesehene Befestigung unter der TB-3-Tragfläche nicht eigneten, kam der I-Z-Eindecker von Grigorowitsch gerade recht. Beim Start sollten die beiden Jäger jedoch auf ihren eigenen Fahrwerken rollen und sich erst nach dem Abheben arretieren. Schon der erste Versuch endete tragisch, da sich eine I-Z dabei verklemmte. Sie löste sich erst bei der Notlandung des Gespanns. Der Jäger-Pilot kam bei dem Unglück ums Leben. Daraufhin erdachte der Konstrukteur ein ausfahrbares Trapez unter dem Rumpf des Mutterschiffes, in das sich eine I-Z in der Luft einhaken konnte. Im April 1934 erfolgte die erfolgreiche Premiere an der Sweno-5. Die Rote Armee betrachtete das Konzept weiter positiv und erwog die Stationierung ganzer vier Geschwader auf den Flugplätzen in Chabarowsk und Wosdwizhenka zu Einsätzen im Fernen Osten.

Tupolew TB-3 in Formation
via ROSTEC

Einsatz als Sturzkampfbomber

Dennoch war das Projekt noch nicht serientauglich. Das sollte sich mit Sweno-6 ändern. Hier kamen erstmals modernere I-16-Eindecker von Polikarpow zum Einsatz. Zwei Jäger hingen jeweils mit eingezogenem Fahrwerk unter der Tragfläche der TB-3. Dazu rollten sie unter den Flügel und zogen nach dem Einhacken die Räder ein. Der ganze Vorgang reduzierte sich so auf wenige Minuten. Die folgende Erprobung zeigte, dass das Vorhaben in der Tat praktikabel war. Daher kam die Kombination als einziger Vertreter zu Kampfeinsätzen – allerdings nicht in der Jagd-Rolle. Stattdessen funktionierte man die I-16 zu Sturzkampfbombern um, die jeweils zwei Bomben (FAB-250) trugen. Kurz vor dem Ziel klinkten die Polikarpows aus, griffen ihr Ziel an und kehrten auf eigenes Gebiet zurück. Das System erhielt die Bezeichnung Sweno-6SPB (für Schorostnoj Pikirujuschtchi Bombardirowitschik, schneller Sturzkampfbomber).

Polikarpow I-16 unter der Tragfläche einer TB-3
via ROSTEC

Missionen auf der Krim

Während des Zweiten Weltkriegs gab es indes nur eine auf der Krim stationierte Einheit. Sie führte ihre ersten Missionen am 1. August 1941 auf eine Ölraffinerie im rumänischen Constanta durch. Später folgten erfolgreiche Angriffe auf den Hafen von Constanta sowie auf Brücken über die Donau und Dnjepr. Deutsche Jäger fügten den Gespannen aber deutliche Verluste zu, so dass die Einsätze wohl 1942 endeten.

Mit fünf Flugzeugen an Bord

Den Höhepunkt von Wachmistrows Schaffen stellte aber die Sweno-7 dar – mit ganzen fünf angedockten Flugzeugen. Dabei kombinierte er seine früheren Vorhaben und setzte zwei I-5 auf den Flügel, zwei I-16 darunter und eine I-Z zwischen das Fahrwerk (sie koppelte sich in der Luft ein). Das Monstrum erhob sich tatsächlich am 20. November 1935 in die Luft. Der Start geriet allerdings zu einer zittrigen Angelegenheit, weil die Piloten der Jäger unterschiedlich Gas gaben. Einmal in der Luft ließen sich alle Flugzeuge erfolgreich absetzen. Der Ingenieur arbeitete daraufhin an einem deutlich größeren Trägerflugzeug in Nurflügel-Bauweise für bis zu sechs Jäger. Aber die Pläne sollten auf dem Reißbrett bleiben. Einige Jahre später machte das Konzept der Luftbetankung alle Ideen in dieser Richtung überflüssig.