Während des Zweiten Weltkriegs gehörte Kanada – neben Großbritannien und den USA – zu den Nationen mit den meisten Fähigkeiten im Bereich der luftgestützten U-Bootbekämpfung. Daran wollte man anknüpfen, als die Sowjetunion Ende der 1940er-Jahre begann, im großen Stil U-Boote zu bauen, welche die Seewege zwischen Nordamerika und Europa bedrohten. Die NATO wies dem Land folglich ein riesiges Seegebiet von knapp drei Millionen Quadratkilometern im Nordatlantik zur Überwachung zu. Allerdings hatten die kanadischen Streitkräfte bald nach Kriegsende ihre alten Liberator-Aufklärer außer Dienst gestellt. Als Ersatz wurden hastig 60 noch verfügbare Avro-Lancaster-Bomber auf den Mk-X-Seefernaufklärerstand umgerüstet. Dies konnte jedoch angesichts der rasanten Entwicklung der Technologie nur eine Übergangslösung sein, und bereits 1948 kontaktierte die Royal Canadian Air Force Canadair mit der Bitte, erste Konzepte für ein modernes Nachfolgemuster zu erstellen.

Die CP-107 Argus entstand als moderner Nachfolger der umgerüsteten Lancaster-Bomber.
Ersatz für die Lancaster
Zwar wurden auch verfügbare Typen anderer Hersteller in Erwägung gezogen, doch alle verworfen, da insbesondere ihre Reichweite als ungenügend angesehen wurde, um das Seegebiet weit im Atlantik effizient zu überwachen. Bis 1952 waren die Überlegungen seitens Canadair und der RCAF so weit gediehen, dass man die Spezifikation Air 15-11 herausgab und das Verkehrsflugzeug Bristol Britannia als Ausgangsmuster für den neuen Seefernaufklärer auswählte. Es dauerte jedoch noch weitere zwei Jahre voller Diskussionen über die benötigte Anzahl und die gewünschten Fähigkeiten des neuen Typs, bis alle Regierungsstellen überzeugt waren. Im März 1954 wurde schließlich ein Lizenzvertrag zur Nutzung des Britannia-Designs mit Bristol abgeschlossen. Am 27. Mai 1954 erfolgte die offizielle Auftragsvergabe zur Produktion von zunächst 13 der später CL-28 Argus getauften Maschinen. Canadair nutzte die Britannia-Lizenz übrigens nicht nur für die CL-28, sondern später auch für das Transportflugzeug CL-44 Yukon.

In der Frontansicht ist das bauchige Radom gut sichtbar.
Neues Design für die U-Boot-Jagd
Bei Canadair begann man nun rasch mit dem Design der Argus. Flügel, Fahrwerk, Höhen- und Seitenleitwerk wurden weitgehend unverändert von der Britannia übernommen. Dennoch wurden selbst hierfür Tausende Arbeitsstunden für eine "Canadisation" der Komponenten, d. h. die Anpassung an nordamerikanische Standardmaße und -teile, Materialspezifikationen sowie Fertigungsmethoden, aufgewendet. Zudem wurden die Flügel modifiziert und zusätzliche Spoiler integriert, um die Manövrierfähigkeit des trägen Verkehrsflugzeugs an den Bedarf eines eng kurvenden U-Bootjägers anzupassen. Auch die Proteus-Turboproptriebwerke wurden ersetzt durch Wright-R-3350-Kolbenmotoren. Was zunächst wie ein Rückschritt wirkt, verlieh der Argus eine Reichweite von 9500 Kilometern und die Fähigkeit, bis zu 30 Stunden in der Luft zu bleiben.
Völlig neu konstruiert wurde der Rumpf. Die Druckkabine der Britannia war für den niedrig operierenden Aufklärer unnötig. Stattdessen wurden in den Rumpf zwei 5,5 Meter lange Waffenschächte integriert, in denen bis zu 3600 kg an Nutzlast mitgeführt werden konnte. Die Crew teilte sich auf in die Routine-Crew, bestehend aus zwei Piloten und je einem Bordmechaniker, Funker und Navigator, die in Cockpit und vorderem Rumpfbereich untergebracht waren und sich während der Einsätze um alle Routineaufgaben kümmerten. Hinter ihnen befand sich der "taktische" Bereich, für einen taktischen Navigator sowie fünf Beobachter, welche die Such- und Waffensysteme bedienten. Ihre Aufgabe war das Aufspüren der Ziele sowie die Koordination und der Waffeneinsatz im Falle eines Angriffs. Zudem verfügte die Argus über eine kleine Küche sowie einen Ess- und Ruhebereich, die bei den meist 14 bis 18 Stunden dauernden Einsätzen mit langen Anflügen ins Suchgebiet dringend geboten waren.

Vergleich der beiden Versionen: links eine Argus Mk I mit großem Nasenradom, rechts die Mk II mit dem kleineren ASV-21.
Druckkabine Adé, Hallo Radar
Die Erprobung von Flugzeug und Ausrüstung verlief zügig und legte keine größeren Probleme offen. Schon knapp eineinhalb Jahre nach dem Erstflug am 28. März 1957 erhielt die No 405 Squadron im August 1958 ihre erste Maschine, die von der Luftwaffe die Designation CP-107 bekam. Insgesamt wurden 13 Argus der Version Mk I produziert, gefolgt von weiteren 20 Argus Mk II. Der Hauptunterschied zwischen den beiden Versionen war das Suchradar: Während in der Mk I das amerikanische APS-20-Radar verbaut wurde, erhielt die Mk II das britische ASV-21-System, das für das Aufspüren kleiner Ziele wie U-Bootschnorchel über See optimiert war und somit der Aufgabe der Argus besser gerecht wurde. Äußerlich unterscheiden lassen sich die beiden Versionen sehr leicht durch die wesentlich kleinere Radarverkleidung unter der Bugnase der Mk II.
Neben dem Suchradar war die Argus mit einer Reihe weiterer Systeme ausgestattet, die sie zu einem der besten U-Bootjäger ihrer Epoche machten. Wichtigstes System waren die Sonarbojen und das JEZEBEL genannte Auswertungssystem der empfangenen Signale. Zusätzlich verfügte die Maschine über ein Magnetometer im MAD-Ausleger (Magnetic Anomaly Detector) am Heck, einen Empfänger zur Identifikation gegnerischer Radarsignale sowie ein Gasanalysesystem, das die Dieselabgase früher sowjetischer U-Boote aufspüren konnte. An Waffen wurden zielsuchende Torpedos und Wasserbomben mitgeführt. Versuche, die Argus mit ungelenkten Raketen oder der amerikanischen Bullpup-Seezielrakete auszurüsten, waren nicht erfolgreich.

Roll-out der ersten Maschine für den Jungfernflug am 28. März 1957.
Keine Kunden für den Export
Die 33 gebauten Maschinen flogen im Laufe der Jahre bei den Squadrons No 404, 405, 407, 415 und 449. Als einzige Einheit war die No 407 Squadron nicht an der Ostküste stationiert, sondern flog von Comox, British Columbia, aus Einsätze über Nordkanada sowie dem Pazifik, die auch gelegentliche Verlegungen bis nach Australien beinhalteten. Das Haupteinsatzgebiet des Typs blieb allerdings die Arktis und der Nordatlantik. Hier wechselten sich Routinepatrouillen zur allgemeinen Überwachung eines Seegebiets mit Einsätzen zum gezielten Aufspüren von sowjetischen U-Booten ab. Letztere wurden durch eine Warnung des geheimen SOSUS (Sound System Underwater Surveillance) ausgelöst, einer Kette von Unterwassermikrofonen, das eine Art Frühwarnsystem darstellte. Sobald ein verdächtiges Signal gemeldet wurde, startete eine Argus, um dieses zu untersuchen und wenn nötig zu verfolgen. Hierfür wurde stets eine Maschine in einer Zwei-Stunden-Bereitschaft gehalten. Im Laufe seiner Karriere erwies sich der Typ als sehr zuverlässig und recht einfach zu warten, war doch auf viele bewährte Komponenten zurückgegriffen worden und noch kaum Elektronik verbaut. Ein Techniker bezeichnete die Argus später einmal als "robust wie ein alter John-Deere-Traktor." Problematisch wurde allerdings mit der Zeit die Verfügbarkeit des benötigten hochoktanigen 115/145-Treibstoffes, insbesondere auf den abgelegenen Landeplätzen in der Arktis. Der alternativ genutzte 100/130-Treibstoff führte zu Leistungseinbußen. Die Tatsache, dass es in den über zwanzig Einsatzjahren in unwirtlichen Regionen der Erde nur zu zwei ernsthaften Unfällen kam, bestätigt die Zuverlässigkeit des Typs. Die Argus mit der Nummer 20727 stürzte 1965 aus ungeklärter Ursache vor Puerto Rico ins Meer, während die 20737 bei einer Bruchlandung bei schlechten Wetterbedingungen nach einem Motorschaden zum Totalverlust mit drei Todesopfern wurde.
Anfang der 1980er-Jahre war allerdings die Zeit der alten Kolbenmotormaschine abgelaufen. Im Sommer 1981 flog der Typ seine letzten Einsätze über Atlantik und Pazifik, dann wurde er durch die CP-140 Aurora – der kanadischen Version der P-3 Orion – ersetzt. Ein letztes Mal erhob sich die mächtige Argus im Februar 1982 in die Luft, als die Maschine mit der Nummer 20742 in das kanadische Luft- und Raumfahrtmuseum in Ottawa überführt wurde. Neben dieser Maschine haben vier weitere Maschinen in Museen in Kanada überlebt, flugfähig ist keine mehr.
Technische Daten der Canadair CL-28/CP-107 Argus
Allgemeine Daten:
- Hersteller: Canadair Limited, Montreal
- Besatzung: 15
Abmessungen:
- Länge: 39,09 m
- Spannweite: 43,37 m
- Höhe: 11,19 m
- Flügelfläche: 192,8 m²
Gewichte und Kapazitäten:
- Leermasse: 36.740 kg (Mk II)
- Maximale Startmasse: 67.130 kg (Mk II)
- Maximale Landemasse: 56.020 kg
- Maximale Kraftstoffmenge: 30.185 l
- Waffenlast im Waffenschacht: 3.630 kg
- Waffenlast an Unterflügelstationen: 3.450 kg
Antrieb:
- 4 × Wright R-3350 TC981 EA-1 Turbo-Compound
- Leistung: 4 × 2.500 kW bzw. 4 × 2.720 kW (mit Flüssigkeitseinspritzung)
Flugleistungen:
- Höchstgeschwindigkeit in Meereshöhe: 463 km/h
- Maximale Marschgeschwindigkeit: 370 km/h in 1.500 m Flughöhe
- Normale Marschgeschwindigkeit: 333 km/h
- Steigrate: 4,5 m/s
- Dienstgipfelhöhe: 7.380 m
- Notwendige Bahnlänge: 2.130 m
- Reichweite: 8.190 km
- Patrouillendauer in niedriger Höhe: 12 h bei 1.335 km Distanz zur Basis oder 4 h bei 2.560 km Distanz
Bewaffnung:
- Wasserbomben
- Torpedos





