Juli 1944. Während die Alliierten die Atlantikschlacht bereits für sich entschieden hatten, stellte das deutsche Schlachtschiff "Tirpitz" noch immer eine Bedrohung für Nordmeer-Konvois dar. Allein seine Präsenz in Nordnorwegen zwang die Briten, ihre Geleitzüge stark zu sichern, weshalb sie mit der Operation Mascot einen weiteren erfolglosen Versuch unternahmen, die Tirpitz zu versenken. Auf dem Rückweg nach Scapa Flow musste der britische Verband das U-Boot-Rudel "Trutz" passieren, das versuchte, den Angreifern den Rückweg abzuschneiden. Doch die Briten hatten dies vorhergesehen und ihre Patrouillenflüge in diesem Seegebiet verstärkt.
Missglückter Überraschungsmoment
Eines der eingesetzten Flugzeuge war die Catalina mit der Kennung JV928, die vom damals 24-jährigen John Cruickshank gesteuert wurde. Er und seine zehnköpfige Crew waren am 17. Juli nachmittags von ihrer Basis Sullom Voe aufgestiegen und patrouillierten seit einigen Stunden im Seegebiet westlich von Narvik, als der Radarbeobachter gegen 21:45 Uhr ein rund 40 Meilen entferntes Echo auf seinem Bildschirm entdeckte. Er informierte John Cruickshank, der das Flugboot in Richtung des Signals steuerte. 15 Minuten später waren sie auf wenige Meilen herangekommen und feuerten ein Erkennungszeichen. Als dieses nicht erwidert wurde, ging Cruickshank sofort zum Angriff über, um dem U-Boot möglichst wenig Zeit zur Verteidigung zu geben. Doch einem exakten ersten Bombenanflug durch ungenaues Flakfeuer folgte die bittere Enttäuschung: Die Wasserbomben hatten nicht ausgelöst und hingen noch unter den Flügeln.
Schwer angeschlagen
Wohl wissend, dass ein zweiter Anflug, diesmal ohne Überraschungsmoment, ein sehr großes Risiko für Flugzeug und Crew war, entschied sich Cruickshank dennoch, noch einmal anzugreifen. Wieder jagte die Catalina dicht über der Wasseroberfläche genau über das U-Boot hinweg. Diesmal waren Kapitänleutnant Hans Seidel und seine Crew von der U 361 vorbereitet und empfingen die Briten mit genauem und heftigem Flakfeuer aus den beiden Zwei-Zentimeter-Zwillingsgeschützen. Vergeblich: Cruickshanks Wasserbomben explodierten dicht neben dem U-Boot und versenkten es. Keines der 52 Besatzungsmitglieder überlebte. Allerdings war auch die Catalina angeschlagen: Ein Treffer im Mittelrumpf hatte ein Feuer ausgelöst, das schnell von den Bordschützen gelöscht werden konnte. Schlimmer sah es im Bugraum aus. Ein Geschoss hatte den Bombenschützen/Navigator John Dixon getötet und mehrere andere Besatzungsmitglieder verwundet. Cruickshank selbst war 72 Mal in Brust und Beinen von Splittern getroffen worden und verlor rasch viel Blut. Kaum noch bei Bewusstsein, wurde er von seiner Besatzung im hinteren Rumpf erstversorgt, während Copilot Flight Sergeant Garnett die Maschine auf Heimatkurs brachte.
Kampf ums Überleben
Doch Garnett war ein unerfahrener Pilot, der noch nie eine Catalina gelandet hatte, was Cruickshank trotz seiner Verwundung bewusst war. Er verweigerte daher eine Morphiumspritze, um so weit wie möglich bei klarem Bewusstsein zu bleiben. Als die Maschine sich nach fünf Stunden Flug um drei Uhr morgens der Basis näherte, ließ er sich auf den Copilotensitz bringen und übernahm wieder das Kommando. Da es noch immer dunkel war, befand er, dass eine sofortige Landung ein zu großes Risiko für die Besatzung wäre. Mit dieser Entscheidung setzte er ein weiteres Mal sein Leben aufs Spiel, denn er verzögerte die weitere Versorgung seiner Wunden. Die Catalina kreiste eine Stunde über der Basis, bevor Garnett mit Cruickshanks Unterstützung im ersten Tageslicht zur Landung ansetzte. Sofort gingen Sanitäter in Booten längsseits. Cruickshank hatte mittlerweile so viel Blut verloren, dass er noch im Cockpit eine erste Transfusion erhielt und nur knapp überlebte – seine Verletzungen waren derart schwer, dass er nie wieder ein Flugzeug steuern konnte.
Ehrung mit der höchsten Tapferkeitsmedaille
Auf das Konto von Cruickshank und seiner Besatzung ging noch eine weitere Versenkung eines U-Boots – so konnte die Catalina-Crew eine Lücke in den deutschen U-Bootschirm reißen, durch die der britische Angriffsverband sicher nach Scapa Flow zurückkehren konnte. Copilot Garnett wurde mit der Distinguished Flying Medal ausgezeichnet, während Cruickshank für seinen selbstlosen Einsatz am 17. September 1944 mit der höchsten britischen Tapferkeitsmedaille, dem Victoria Cross, geehrt wurde. Heute ist Cruickshank der letzte noch lebende Träger des Victoria Cross, dem dieses im Zweiten Weltkrieg verliehen wurde. Am 20. Mai 2023 feierte er seinen 103. Geburtstag mit der Einweihung einer Gedenkplatte in seinem Heimatort Aberdeen in Schottland.