Seit 1925 wird der Wolfgangsee regelmäßig von Wasserflugzeugen aller Art angeflogen. Als Erste führte die österreichische Luftverkehrs AG – der Vorgänger der heutigen Austrian Airlines – die Linienflugstrecke Wien – Wolfgangsee ein, damals noch mit einer Junkers F 13W mit Schwimmern. 80 Jahre später trafen sich erstmals kleine und große Wasserflugzeuge zu einem Treffen auf dem See – der Scalaria Air Challenge. Inzwischen hat sich die Veranstaltung zu einem erstklassigen Event mit internationaler Beteiligung entwickelt. Mit dabei sind auch immer wieder die legendären Amphibienflugzeuge aus dem Hause Consolidated. Die Catalina ist mit knapp 32 Metern Spannweite der größte Teilnehmer.
Für die Mitglieder der Catalina Society aus Duxford gehört der Besuch der Scalaria inzwischen zum guten Ton. Sie ist auch bei den verschiedenen Crews (diese bestehen aus wechselnden Freiwilligen) des Amphibiums sehr beliebt, da die Zweimot während der gesamten Veranstaltung auf dem See bleibt und Aufenthalte auf dem Wasser ansonsten sehr selten sind. In Großbritannien sind Landungen und auch längere Liegezeiten nur auf wenigen Gewässern gestattet. Die Nutzung auf offener See wird von den Betreibern komplett ausgeschlossen, da das aggressive Salzwasser der Maschine sehr schadet und aufwendige Wartungsarbeiten nach sich zieht.
Der Weg zum Wolfgangsee muss von langer Hand geplant werden, da nicht alle Piloten qualifiziert sind, auf dem See zu landen. Die englischen Vorschriften unterscheiden klar nach Land- und Wassernutzung der PBY. Weiterhin muss ein großer Teil der benötigten Ausrüstung organisiert und getestet werden. Dazu gehören unter anderem die umfangreiche Ausstattung für die Wasserung und Vertäuung am Anlegeplatz. Bojen, Anker und Seile werden eigens dafür geladen, da sie nicht zur Standardausrüstung gehören. Nachdem die Vorbereitungen abgeschlossen sind, kann die Reise beginnen.
Wasser ist immer in Bewegung
Die Cat kann sowohl bei Tag als auch bei Nacht auf Sicht und nach Instrumenten geflogen werden, doch aus Sicherheitsgründen fliegt der Verein auf solch langen Strecken bevorzugt bei Tag. Geflogen wird nonstop von Duxford nach Salzburg. Das ermöglicht auch den Crews, die nicht auf Wasser landen dürfen, an der Reise teilzunehmen. „Wir fliegen die Strecke von rund 1055 Kilometern in einer Höhe von 2000 bis 3000 Fuß und einer Geschwindigkeit von 115 Knoten (etwa 210 km/h) in viereinhalb Stunden. Der Verbrauch liegt dabei bei 1500 Litern Avgas und 30 Litern Öl“, berichtet Pilot
Derek Head.
Sobald Salzburg erreicht ist, übernimmt die zertifizierte Mannschaft den letzten Teil der Reise. Vor dem Start wird das Wetter über dem Zielgebiet gecheckt. Es darf nicht zu windig sein. Bei Windgeschwindigkeiten über 15 Knoten (ca. 28 km/h) ist es sehr schwer bis unmöglich, die Catalina auf dem Wasser zu manövrieren.
Im Gegensatz zu befestigten Landebahnen oder Graspisten ist Wasser immer in Bewegung. Das bedeutet für die Piloten, dass es nicht möglich ist, mal eben die Bremsen anzuziehen, um zu stoppen. „Die Landung erfordert ebenfalls viel Planung. Wie stark ist der Wind, und wie hoch sind die Wellen?“, erklärt Head. „Bei einem Wellengang von über 50 Zentimetern landen wir aus Sicherheitsgründen nicht mehr auf dem Wasser. Wenn der Wind nicht zu stark ist und die Wasseroberfläche ruhig ist, geht es los.“ Sollte eine Landung nicht möglich sein, bleibt die Maschine in Salzburg.
Der letzte Sprung zum Zielort dauert nur zehn Minuten, aber jetzt wird es spannend: Die Wasserung auf dem knapp 13 Quadratkilometern großen See steht an. Zunächst wird die Landezone mit einem tiefen Überflug auf Hindernisse kontrolliert, da es immer wieder sein kann, dass Boote oder andere Luftfahrzeuge den Weg kreuzen. Hindernisse unter Wasser können natürlich nicht ausgeschlossen werden, wie das Beispiel der spektakulären Landung der Dornier Do 24 im letzten Jahr zeigt. Wegen eines Baumstamms im Wasser kam es nach dem Aufsetzen zu einer abrupten Drehung und das Flugboot wurde beschädigt.
Nachdem die Landerichtung festgelegt ist, geht das Amphibium auf 800 Fuß Höhe (etwa 245 Meter) in den Gegenanflug. Mit 22 Inch Ladedruck dreht es mit 90 Knoten in den Endteil. Finale Kontrollen folgen. Entgegen der Standardlandung muss nun das Fahrwerk komplett eingefahren und verriegelt sein. Die äußeren Flügelenden werden herabgelassen und bilden die Schwimmer der Catalina. Beim Eindrehen auf die „Piste“ liegt die Geschwindigkeit bei nur noch 150 km/h und die Höhe bei 75 Metern.
Aufpassen bei der Landung
Nun beginnt der Teil, der den größten Unterschied zur Landung auf befestigten Bahnen ausmacht. In 100 Fuß Höhe zieht man die Kiste leicht hoch, um Fahrt abzubauen. Die Geschwindigkeit muss bei 72 Knoten liegen. Ist man zu schnell, besteht die Gefahr eines „water loops“ (abrupte Drehung). Ist man zu langsam, kann es passieren, dass die Nase zu schnell und tief eintaucht. Die Folge wäre eine sehr raue Landung sowohl für die Crew als auch für die Maschine.
Wenn die gewünschte Geschwindigkeit erreicht ist und gehalten wird, senkt man den Ladedruck auf 18 Inch. Der Bug kommt nun etwas runter, ungefähr auf eine Sinkrate von unter einem Meter pro Sekunde. Die Aufmerksamkeit liegt nun hauptsächlich außerhalb des Cockpits. An der VHF-Antenne auf der Nase sind zwei schwarze Markierungen angebracht, anhand welcher sich die Fluglage um die Querachse besser bestimmen lässt. „Die einfache Einrichtung ermöglicht uns, auf eventuell auftretenden Seitenwind schnell zu reagieren“, so Head.
Nun werden am Gas nur noch kleinste Eingaben vorgenommen, um Geschwindigkeit und Sinkrate vor der Landung zu halten. Die Geschwindigkeit und die Bewegungen um die Querachse müssen jetzt bis zum Touchdown überwacht werden. Das ist vor allem für Piloten von Landflugzeugen eine Herausforderung, denn die Versuchung, das Flugzeug wie gewohnt abzufangen (flare), ist sehr hoch – gerade weil eine genaue Höheneinschätzung aufgrund des klaren Wassers meist kaum möglich ist.
Ist der Anflug korrekt ausgeführt, wird es eine butterweiche Landung. Abweichungen müssen umgehend korrigiert werden, um die bereits erwähnte Drehung bei der Wasserung zu vermeiden. Die Leistung ist fast komplett zurückgenommen, man segelt nahezu und muss stark an den Rudern arbeiten, um die gerade Fluglage zu halten. Sobald man aufsetzt, bremst der Wasserwiderstand das Flugboot schnell ab, und ein Schwall Wasser schwappt über die Nase herein. In der Kabine spürt man sofort die Kühle des Sees durch den Rumpf, und die Wasserlinie ist kurzzeitig auf Fensterhöhe, bevor man endgültig zum Stehen kommt. „Nun folgt der lustige Part des Ganzen“, erzählt Derek Head: „das Taxiing (Rollen beziehungsweise Treiben am Boden) auf dem See.“ Denn das geht aus eigener Kraft nur sehr ungenau.
Während des Zweiten Weltkriegs landeten die Flugboote auf sehr großen Wasserflächen und konnten daher immer aus verschiedenen Richtungen einen freien Liegeplatz an einer Boje anfliegen und geradeaus darauf zusteuern. Die Catalina hat kein nach unten gerichtetes Wasserruder, welches das Steuern ermöglicht. Daher ist auf dem Wasser eine gezielte Fortbewegung nur mithilfe eines Beiboots möglich. Dieser Teil wird von der Bodenmannschaften des Organisators in Zusammenarbeit mit der Crew übernommen. Wenn der Liegeplatz erreicht ist, wird die Zweimot vertäut und die Crew geht an Land. Während der Scalaria wird der See zum Flughafen: Vorführungen historischer Flugzeuge, seltene Formationen wie mit der Dornier Do 24 und auch Rundflüge ziehen Tausende Besucher ins idyllische Salzkammergut.
Höhepunkt für die Crews ist die nächtliche Ankerwache, wenn die Mitglieder die Nacht auf dem See und in der Maschine verbringen dürfen. Derek Head gerät ins Schwärmen: „Auf der Scalaria werden wir immer wie Könige behandelt! Wir kommen gerne wieder.“
Klassiker der Luftfahrt Ausgabe 03/2016