Über mangelnden Komfort hätten sich die zehn Besatzungsmitglieder der Boeing XB-15 wohl nicht beschweren können. Da das US Army Air Corps Mitte der 30er Jahre eine Reichweite von mehr als 8.000 Kilometern für die Maschine gefordert hatte, besaß die Crew klimatisierte Abteile mit Liegen, eine Küche und einen Waschraum. Als Nutzlast für den Bomber sahen die Strategen in ihrer Spezifikation vom 14. April 1934 knapp 900 Kilogramm vor. Boeing antwortete mit dem Modell 294 und bekam schon am 29. Juni desselben Jahres den Auftrag zur Entwicklung und zum Bau eines Modells in Originalgröße des "Experimental Bomber, Long Range" (XBLR-1).
Riesenflugzeug mit Autopilot
Die Konstrukteure legten den Entwurf als freitragenden Ganzmetall-Mitteldecker aus. Der hintere Teil der Tragflächen war allerdings mit Stoff bespannt. Dank der großen Flügeldicke blieben die Motoren im Flug durch einen Tunnel hinter den Gondeln zugänglich. Zur Stromversorgung des bordeigenen 110-Volt-Systems dienten erstmals kleinere Hilfsmotoren. Weitere damals besondere Merkmale stellten der Autopilot, eine Enteisungsanlage und das jeweils zweirädrige Hauptfahrwerk dar. Auch die Verteidigungsbewaffnung setzte neue Maßstäbe. Sie bestand aus insgesamt sechs Maschinengewehren der Kaliber 7,62 und 12,7 Millimeter. Neben einem MG im Kinnturm befand sich ein weiteres am Rumpf unter dem Cockpit. Der Turm auf dem Rumpfrücken mit einem MG war in alle Richtungen drehbar. Eine weitere Waffe war unter dem Heck angeordnet. Den Abschluss bildeten zwei seitliche MGs, die wie bei den frühen Versionen der B-17 in blasenförmigen Verkleidungen an den Rumpfseiten angeordnet waren.
Erstflug nach der B-17

Das Air Corps zeigte sich beeindruckt und erteilte am 29. Juni 1935 den Auftrag für den Bau einer Erprobungsmaschine mit der Seriennummer 35-277. Knapp ein Jahr später gaben die Militärs die BLR-Bezeichnung auf. Das Modell 294 hieß nun XB-15. Mit einer Startmasse von 32 Tonnen handelte es sich damals um das bis dahin größte und schwerste Flugzeug der USA.
Den Antrieb des Riesen sollten ursprünglich vier flüssigkeitsgekühlte Reihenmotoren V-3420 von Allison mit je 1.176 Kilowatt liefern. Das Aggregat bestand im Wesentlichen aus zwei kombinierten V-1710 in einem Gehäuse mit je zwölf Zylindern, wie sie in den Jägern P-38 Lightning, P-39 Airacobra und P-40 Warhawk flogen. Der neue Motor hätte jedoch erst ab 1940 zur Verfügung gestanden. Daher mussten die Ingenieure auf den schwächeren R-1830 von Pratt & Whitney mit einer Leistung von 735 Kilowatt ausweichen.
Aufgrund einiger Verzögerungen konnte Testpilot Eddie Allen erst am 15. Oktober 1937 zum Jungfernflug starten, fast zwei Jahre nach dem Erstflug des B-17-Prototyps. Dabei hatte die Entwicklung der "Flying Fortress" später als die der XB-15 begonnen. Trotzdem konnte Boeing einige Merkmale des Versuchsbombers bei dem späteren Erfolgsmodell B-17 anwenden wie beispielsweise die Abwehrbewaffnung.
Dienst als Transporter
Der hoffnungslos untermotorisierten XB-15 blieb jedoch eine Weiterentwicklung verwehrt, da die Höchstgeschwindigkeit von 317 km/h selbst den damaligen Ansprüchen bei weitem nicht genügte. Eine Version mit stärkeren Sternmotoren wurde nicht verwirklicht. Trotzdem übernahm die 2nd Bomb Group im August 1938 den Giganten und stellte sogar einige Weltrekorde mit ihm auf. So brachte das Einzelstück am 30. Juli 1939 eine Nutzlast von 14136 Kilogramm auf eine Höhe von 2500 Metern.
Vielleicht auch aufgrund dieser Erfolge beschloss das Army Air Corps im Jahr 1943, den Bomber in einen Transporter umzuwandeln. Im Zuge dieser Umrüstung erhielt die XB-15 die neue Bezeichnung XC-105. Frachttüren und eine Winde erleichterten die Beladung. Die Gesamtflugmasse stieg von 29 auf 41 Tonnen. Trotzdem dauerte die Karriere als Frachter nicht lange. Der ehemalige Versuchsbomber flog 70 Transporteinsätze, bei denen er insgesamt 5200 Passagiere, 199320 Kilogramm Fracht und 42582 Kilogramm Post beförderte. Kurz nach Kriegsende wurde er auf dem Kelly Field in Texas verschrottet.