Erstflug vor 75 Jahren: Als die Comet das Jet-Zeitalter einläutete

de Havilland Comet DH.106
Pionier eines neuen Zeitalters

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Veröffentlicht am 27.07.2024

Pioniere gehen den unbequemen Weg, müssen mit Hindernissen rechnen, Herausforderungen meistern. Für die Comet des britischen Herstellers de Havilland schien der Weg zunächst frei. Mit dem Aufkommen von Strahlflugzeugen im Zweiten Weltkrieg gab das Brabazon Committee der britischen Regierung im Februar 1943 eine Empfehlung für ein strahlgetriebenes Postflugzeug für Transatlantikflüge ab. Im Juli folgte der Vorschlag für den sogenannten Typ IV, ein größeres Flugzeug für 24 Passagiere mit einer Geschwindigkeit von 725 Stundenkilometern. Letztlich entschied sich de Havilland für eine Maschine mit Platz für bis zu 40 Passagiere, um auch die langen Routen der British Overseas Airways Corporation (BOAC) abdecken zu können.

Auf der Überholspur

Es entstand ein relativ konventionelles Rumpfdesign mit um 20 Grad gepfeilten Flügeln. In deren Wurzeln waren vier hauseigene Ghost-Triebwerke mit je 22,2 Kilonewton Schub installiert. Am 27. Juli 1949 hob der Prototyp zum Jungfernflug ab –zeitig genug, um die starken, aber noch gänzlich im Kolbenmotor-Zeitalter steckenden amerikanischen Hersteller zu überholen. Die Comet flog beinahe doppelt so schnell wie die Kolbenmaschinen ihrer Zeit und in einer Höhe, in der die Insassen nicht von Turbulenzen durchgeschüttelt wurden. Bei rund 10 000 Metern Reiseflughöhe war eine Druckkabine unabdingbar. Sie wurde bei einem Flug im Februar 1950 erstmals aktiviert und bot Passagieren auf 12 190 Metern Höhe einen Kabinendruck entsprechend 2440 Metern.

KL-Dokumentation

Positive Bilanz

Die Auslieferungen der Comet an BOAC begannen am 4. Februar 1952 mit der G-ALYS. Der erste Flug mit zahlenden Passagieren führte am 2. Mai von London nach Johannesburg. Am 14. Oktober ging es zum ersten Mal in 25 Stunden nach Singapur. Air France, UTA und die Royal Canadian Air Force hatten ebenfalls Aufträge erteilt, jedoch für die Version 1A mit 4500 Litern zusätzlichem Kraftstoffvolumen, Wasser-Methanol-Einspritzung und einer Abflugmasse von gut 52 000 Kilogramm. Nach einem Betriebsjahr konnte BOAC eine positive Bilanz ziehen: Rund 27 700 Passagiere wurden gezählt, was einer durchschnittlichen Auslastung aller Flüge von 80 Prozent entspricht. Dementsprechend war der Jet für die Airline profitabel.

Unglückliche Rückschläge

Der Siegeszug der Comet schien perfekt, de Havilland arbeitete bereits an leistungsfähigeren Versionen, doch am 26. Oktober 1952 erfolgte ein Rückschlag: Beim Start in Rom verunfallte eine BOAC-Comet, glücklicherweise ohne Personenschaden. Ein halbes Jahr später ereignete sich der nächste Unfall einer Comet beim Start in Karatschi in Pakistan. Er kostete elf Menschen das Leben. Während die Start-Unfälle vor allem auf Jet-unerfahrene Piloten zurückgeführt wurden, warfen weitere Unglücke Fragen zu deren Ursache auf. Am 2. Mai 1953 geriet die G-ALYV in einen Monsunsturm bei Kalkutta. Alle 43 Personen an Bord verloren ihr Leben. Am 10. Januar 1954 stürzte G-ALYP vor Elba ins Meer. 35 Insassen starben. Nach diesem Absturz behielt BOAC die Flotte bis zum 22. März am Boden. Inspektionen konnten aber keine konkrete Unfallursache ermitteln. Als es am 8. April aber zu einem erneuten Absturz bei Neapel mit 21 Toten kam, wurde ein Flugverbot ausgesprochen und umfassende Untersuchungen eingeleitet. Wrackteile deuteten auf Materialermüdung und die Obduktion der Opfer auf eine explosive Dekompression in Reiseflughöhe hin. Dauerversuche mit einem Comet-Rumpf zeigten, dass nach 9000 Stunden der Rumpf auseinanderriss. Ausgangspunkt war die hintere Ecke einer Aussparung für die ADF-Antennen auf dem Kabinendach. Grundlegende Modifikationen waren notwendig, um der Comet die nötige Stabilität zu geben, um den Linienbetrieb wieder aufzunehmen.

Der große Erfolg blieb aus

Ein Prototyp der Series 3 flog bereits am 19. Juni 1954. De Havilland entschied sich aber gegen den Bau dieser Variante und entwickelte die Series 4 für 74 bis 89 Passagiere. Mit der sichereren, schnelleren und geräumigeren Series 4 nahm BOAC am 4. Oktober 1958 den Betrieb wieder auf. Nur: de Havilland war zu diesem Zeitpunkt kein Pionier mehr. Die Amerikaner hatten die Zeit genutzt und kräftig aufgeholt. Die Boeing 707 war nun verfügbar, ebenfalls die Douglas DC-8. Weitere Konkurrenz kam aus Frankreich mit der Caravelle von Sud-Aviation, und auch Russland startete mit der Tupolew Tu-104 in das Jetzeitalter. Die Comet konnte ihren Imageschaden nicht mehr reparieren. Folglich verkaufte De Havilland nur 74 Flugzeuge, während Boeing über 1000 Exemplare der 707 fertigte. De Havillands Pionierarbeit wurde nicht belohnt.

KL-Dokumentation

Technische Daten
de Havilland DH.106 Comet 1

Allgemeine Angaben:
Verwendung: Strahlverkehrsflugzeug
Besatzung: 4 (Cockpit)
Passagiere: 36 bis 44
Antrieb: 4 Strahltriebwerke D.H. Ghost 50 Mk. 1
Leistung: 4x 22,2 kN

Abmessungen:
Länge: 28,35 m
Höhe: 8,65 m
Spannweite: 35,05 m
Flügelfläche: 187,2 m²

Massen:
Nutzlast: 5670 kg
max. Startmasse: 47 625 kg

Flugleistungen:
Reisegeschwindigkeit: 725 km/h in 10 400 m
Reichweite: 2414 km