Der leichte Bomber war das Rückgrat der Royal Air Force
Bristol Blenheim

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Wenn die Geschichte eines Flugzeugs unkonventionell ist, dann die der Bristol Blenheim. Sie entstand aus einem Geschäftsreiseflugzeug eines Verlegers und war nach ihrer Konversion in einen mittleren Bomber schneller als die damaligen Standard-Jagdflugzeuge der Royal Air Force.

Bristol Blenheim

Bristol Blenheim

Der Verleger Lord Harold Sydney Rothermere war ein britischer Patriot besonderer Prägung. Er ließ seinen Reden in der Regel auch immer Taten folgen. So war er davon überzeugt, dass Großbritannien die schnellsten und leistungsfähigsten Flugzeuge benötigte, um im industriellen Wettstreit mit den anderen Nationen bestehen zu können. Besonders die amerikanischen Flugzeugkonstrukteure Douglas und Boeing sah er als starke Konkurrenz an. 1934 meinte er, dass das britische Air Ministry (Luftfahrtministerium) einen falschen Weg eingeschlagen hatte, da es noch immer Doppeldecker bevorzugte. Also ließ er sich kurzerhand bei der Bristol Aeroplane Company in Filton ein modernes, achtsitziges Geschäftsreiseflugzeug bauen, die Bristol 142. Mit seinem Wunsch lief Lord Rothermere bei Bristols Chefkonstrukteur Frank Barnwell offene Türen ein. Barnwell hatte schon erste Entwürfe für ein solches Flugzeug fertig, als Rothermere Kontakt mit der Firma aufnahm, denn Finnland war auf der Suche nach einem Verbindungsflugzeug für seine Streitkräfte, das aber bei Bedarf in einen leichten Bomber umgerüstet werden sollte. Am 12. April 1935 flog die Bristol 142 zum ersten Mal. Als Antrieb dienten dem von Lord Rothermere „Britain First“ getauften Muster zwei Bristol-Mercury-Sternmotoren mit je 650 PS (485 kW).

Die Flugerprobung der „Britain First“ brachte sensationelle Ergebnisse, denn der freitragende Mitteldecker war rund 50 km/h schneller als der schnellste damalige Standardjäger der Royal Air Force. Nun hatte Rothermere die Aufmerksamkeit des Air Ministry geweckt und schenkte dem Air Council der Regierung das Flugzeug, das sie sich nur für Testzwecke ausleihen wollte.

Damals wurde über neue Flugzeugprojekte sehr schnell entschieden. Das Air Ministry beauftragte noch im Sommer 1935 Bristol mit der Entwicklung der Bristol 142M, der Militärversion der „Britain First“, entsprechend der Spezifikation 28/35. Und schon im September desselben Jahres – noch vor dem Erstflug des militärischen Prototyps – erhielt die Firma einen Auftrag des Luftfahrtministeriums für den Bau von 150 Bristol Type 142M.

Bristol baute keinen Prototyp, sondern stieg direkt mit dem ersten Serienflugzeug in die Produktion ein. Im April 1936 gab das Air Ministry dem Muster den Namen „Blenheim“, in Anlehnung an eine Schlacht im Jahr 1704 im Spanischen Erbfolgekrieg in der Nähe des Städtchens Blindheim an der Donau, das auf Englisch „Blenheim“ genannt wird.

Die Bristol Blenheim ist ein konventionell konstruiertes Metallflugzeug in Schalenbauweise. Die Ruderflächen (Quer-, Seiten-und Höhenruder) sind jeweils bespannt. Während die Querruder über Steuerstangen angelenkt werden, die in der Nasenleiste der Flächen verlaufen, sind Höhen- und Seitenleitwerk über Seile mit der Steuersäule im Cockpit verbunden. Die Tragflächen sind aus Aluminium und haben je zwei Holme mit je zehn Aluminiumrippen.

Am 25. Juni 1936 flog die erste Bristol Blenheim (Kennzeichen K7033), mit der die gesamte Flugerprobung durchgeführt wurde. Das britische Luftfahrtministerium erlaubte der Firma, mit befreundeten Nationen über den Verkauf und die Lizenzfertigung der schnellen Zweimot zu verhandeln. Schon einen Monat später erhöhte das Air Ministry seinen Auftrag um 434 Flugzeuge. Bristol war auch im Verkauf erfolgreich und erhielt Aufträge für die Blenheim aus Finnland (das die Blenheim später auch selbst in Lizenz baute), aus Jugoslawien, Rumänien, der Türkei und Griechenland.

Die erste für die Royal Air Force bestimmte Blenheim Mk. I verließ im November 1936 die Werkshallen in Filton. Im Januar 1937 wurde das neue Muster bei der No. 114 Squadron in Wyton offiziell in Dienst gestellt.

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Bei Kriegsausbruch war die Blenheim veraltet

Allerdings hatte das Flugzeug auch Schwächen, die man damals nicht sehen wollte. Bei voller Beladung war die Blenheim langsam und stieg schlecht. Von der dreiköpfigen Besatzung hatten der Pilot und der Bombenschütze zwar eine gute Sicht, aber der Navigator saß sehr beengt und quasi ohne Sicht nach außen im Rumpf. Zusätzlich zu seinen Aufgaben musste er auch noch das Lewis-MG im Drehturm auf dem Rumpfrücken bedienen. Die Defensivbewaffnung war mangelhaft. Der Waffenturm hatte nur einen Wirkungskreis von 180 Grad. Nach vorne konnte er nicht schwenken. Im linken Flügel, knapp außerhalb des Propellerkreises des linken Sternmotors saß ein fest eingebautes MG, das nach vorne feuerte und vom Piloten bedient werden musste.

Die RAF drängte auf eine schnelle Erfüllung des Produktionsauftrags, so dass Bristol nicht alle Flugzeuge allein bauen durfte. Die beiden Firmen A.V. Roe in Chadderton und Rootes Securities in Speke erhielten je eine Produktionslinie. Insgesamt bauten die drei Firmen bis Mitte 1939 genau 1552 Blenheim Mk. I. Die RAF hatte im September 1939 bereits 26 Squadrons mit dem leichten Bomber ausgerüstet.

Bristol testete eine Blenheim Mk. II, die zwei weitere Bomben unter den Tragflächen zwischen dem Rumpf und den Motorgondeln trug. Um die Reichweite zu erhöhen, vergrößerte das Werk auch noch die Flächentanks. Bristol verstärkte auch die Struktur des Rumpfs, ohne stärkere Motoren einzubauen. Damit sank die Geschwindigkeit des beladenen Flugzeugs weiter, was für die RAF völlig inakzeptabel war, denn sie sah auch, dass eine neue Jäger-Generation in Deutschland, Frankreich und England entstand, die schneller war als die Blenheim. Deshalb gab es keinen Produktionsauftrag für die Blenheim Mk. II.

Auch die Mk. III war erfolglos. Von ihr wurde nicht einmal ein Prototyp gebaut. Die militärisch bedeutendste Version der Bristol Blenheim war die Mk. IV. Sie löste die Mk. I bereits ab 1939 ab; die war zu diesem Zeitpunkt gerade einmal zwei Jahre im Dienst der RAF. Die offensichtlichste Veränderung an der Mk. IV im Vergleich zu ihrer Vorgängerin war das verlängerte Cockpit, das bei der Mk. IV weit über die Propellerebene nach vorne hinausragte. Der Grund für diese Modifikation lag darin, dass die Navigatoren einfach eine bessere Sicht benötigten. Zusätzlich erhielt die Blenheim Mk. IV einen Drehturm mit zwei MGs unter der verlängerten Nase. Diese Defensivbewaffnung wurde vom Navigator bedient.

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Die Mk. IV erhielt eine stärkere Defensivbewaffnung

Die Blenheim Mk. IV hatte mit vier MGs in den beiden Waffentürmen eine stärkere Defensivbewaffnung als die Mk. I. Foto und Copyright: KL-Dokumentation

Der Rückenturm erhielt bei der Mk. IV ebenfalls ein zweites MG, um die Feuerkraft zu erhöhen. Zwei neue Motoren vom Typ Bristol Mercury XV mit je 905 PS (675 kW) verbesserten die Steigleistungen sowie die Marschgeschwindigkeit der neuen Version. Die bei der glücklosen Mk.-II-Version getesteten zusätzlichen Unterflügel-Bombenschlösser wurden bei der Mk. IV zum Standard. Dadurch erhöhte sich die Bombenzuladung des Flugzeugs auf 576 Kilogramm. Um die von der RAF geforderte Reichweite von 2300 Kilometern zu erzielen, bauten die Konstrukteure in die Tragflächen zusätzliche Tanks ein. Die Blenheim Mk. IV diente beim RAF Bomber Command in 25 Squadrons, beim Middle East Command in 23 Squadrons, beim Coastal Command in elf Squadrons und beim Fighter Command in drei Squadrons.

Bristol hatte der britischen Regierung eine Weiterentwicklung der Blenheim vorgeschlagen, die die Air-Ministry-Spezifikation 11/36 erfüllen sollte. Die Bristol Type 149 Bolingbroke beruhte auf der Blenheim Mk. I mit dem verlängerten Cockpit der Mk. IV sowie einem deutlich vergrößerten Tankvolumen, um die geforderte Reichweite zu erzielen. Das Luftfahrtministerium war von dem Entwurf jedoch nicht überzeugt. Es fürchtete, dadurch würde es zu Engpässen bei der Produktion der Blenheim Mk. IV kommen. Die Royal Canadian Air Force sprang ein und ließ das Flugzeug in Kanada bei Fairchild Aircraft in Longeueil bei Montreal in Serie fertigen. Die Bolingbrokes erwiesen sich für die Bedürfnisse der kanadischen Streitkräfte bei der Seeaufklärung sowie später als Trainingsflugzeug als ideal. Bis auf die ersten 18 Exemplare waren die Bristol Bolingbrokes mit Mercury-XV-Sternmotoren ausgerüstet. Da die Kanadier einen Teil ihrer Flugzeugmotoren aus den USA erhielten, stellten sie bei den letzten produzierten Bolingbrokes die Motorisierung auf Twin-Wasp-Doppelsternmotoren von Pratt & Whitney um. Die je 1200 PS (895 kW) leistenden Antriebe brachten jedoch nicht den erhofften Sprung bei den Flugleistungen.

Daran, dass die Blenheim für die Royal Air Force ein sehr wichtiges Flugzeugmuster war, gibt es keinen Zweifel: Der erste Feindflug eines britischen Flugzeugs über deutschem Territorium im Zweiten Weltkrieg geschah mit einer Blenheim: Am 3. September 1939 klärte Flying Officer Alec MacPherson mit seiner Blenheim Mk. IV der No 139 Sqdn. die in der Jademündung ankernden deutschen Schiffe auf. Am nächsten Tag griffen zehn Blenheim Mk. IV die Schiffe vor Schillig an. Der Angriff endete jedoch im Desaster: Fünf Flugzeuge fanden kein Ziel – trotz guten Wetters. Die übrigen fünf fanden ihre Ziele, und drei Bomben trafen den schweren Kreuzer „Admiral Scheer“, explodierten aber nicht. Die Flak schoss vier der zehn Flugzeuge ab.

Obwohl die Blenheim-Einheiten bei ihren Einsätzen schwere Verluste erlitten, bildeten sie bis 1942 in Europa das Rückgrat der Bomberflotte der Royal Air Force. In den ersten 34 Monaten des Zweiten Weltkriegs flogen sie über 11 000 Einsätze und warfen über 3000 Tonnen Bomben ab.

Die Karriere der Bristol Blenheim Mk. I war mit dem Auftauchen der Mk. IV jedoch nicht beendet. Die Flugzeuge waren zum Teil ja gerade einmal zwei Jahre alt. Also wurden sie für andere Einsätze modifiziert. Rund 200 Bristol Blenheim Mk. I wurden zu Mk. I F umgebaut. Diese Flugzeuge leisteten Pionierarbeit in der Nachtjagd. Bereits 1938 hatte die Royal Air Force erkannt, dass man ein Gegenmittel gegen nächtliche Angriffe benötigte, und ließ von Bristol ein Umrüstsatz für die Mk. I entwickeln. Diese Kits baute das Eisenbahnwerk Ashford und lieferte sie an die RAF, deren Mechaniker die Umrüstungen selbst vornahmen. Die Mk. I F erhielten für ihre Aufgabe als Nachtjäger eine starke Offensivbewaffnung in Form von vier 7,7-mm-Browning-Maschinengewehren in einer Wanne unter dem Rumpfbug. Die ersten Nachtjäger flogen ausschließlich nach Sicht ohne Hilfe von Radar. Als die ersten bordgestützten Radaranlagen vom Typ AI verfügbar waren, wurden sie in die Blenheim Mk. I F installiert. Sie waren damit die ersten britischen Flugzeuge mit Radar. Ein erster Abschuss eines deutschen Flugzeugs mit Radarhilfe gelang einer Blenheim Mk. I F am 22. Juli 1940. Rund 60 Blenheim Mk. IV wurden im Auftrag des Coastal Command ebenfalls mit Radar und der Bugwanne mit vier MGs ausgerüstet. Ihre Aufgabe bestand darin, alliierte Konvois in Küstennähe vor Angriffen deutscher Langstreckenflugzeuge zu schützen.

Als die Blenheim Mk. I endgültig aus den Fronteinheiten abgezogen waren, setzte die Royal Air Force sie als Trainingsflugzeuge ein. In dieser Rolle glänzten die Blenheims sowohl beim Piloten-, als auch beim Navigatoren-und Bombenschützentraining. Sie waren robust genug, um im normalen Ausbildungsbetrieb keinen großen Schaden zu nehmen, gleichzeitig aber auch günstig im Betrieb und bei Bedarf einfach zu reparieren. Auch die britische Armee verwendete in der Schulung ihrer Flugabwehreinheiten die Blenheim als Zielschleppflugzeug.

Den letzten Entwicklungsschritt der Bristol Blenheim stellte die Version Type 160 dar. Sie sollte zunächst als eigenständiges Muster namens Bristol Bisley verwirklicht werden. Sie war als Bomber für taktische Einsätze vorgesehen und zu diesem Zweck mit vier Maschinengewehren im Bug ausgerüstet. Ihre Mercury-XV- und Mercury-XXV-Motoren machten sie jedoch höhentauglich, so dass die RAF sie zunächst als Höhenbomber mit der Bezeichnung Blenheim Mk. V einsetzte. Allerdings machte ihr in dieser Rolle ihre geringe Reichweite Probleme. In Europa kamen die Mk. V dann vor allem nach der alliierten Invasion in Süditalien zum Einsatz – und erwiesen sich den deutschen Jägern als hoffnungslos unterlegen. Die RAF zog die Konsequenzen und stellte die Mk. V bei den Fronteinheiten außer Dienst. Sie wurde noch bei den Trainingseinheiten verwendet. Bristol hat 945 Exemplare der Mk. V gebaut.

Obwohl von der Blenheim und ihren Versionen 6185 Exemplare gebaut wurden, sind nur noch 13 in Museen erhalten.

Technische Daten

Bristol Blenheim I

Hersteller:
Bristol Aeroplane Company, Filton, Bristol, Großbritannien
Verwendung: leichter Bomber
Besatzung: ein Pilot, ein Navigator, ein Bombenschütze
Triebwerk: zwei luftgekühlte Bristol-Mercury-VIII-Sternmotoren mit je neun Zylindern
Startleistung: 2 x 625 kW/840 PS
Spannweite: 17,16 m
Länge: 12,10 m
Höhe: 3,00 m
Flügelfläche: 43,57 m2
Leermasse: 3674 kg
max. Startmasse: 5700 kg
bestes Steigen: 7,82 m/s
Höchstgeschw.: 418 km/h
Marschgeschw.: 322 km/h
Dienstgipfelhöhe: 8319 m (27 280 Fuß)
Reichweite: 1810 km
Bewaffnung: 1 fest eingebautes 7,7-mm-Browning Maschinengewehr, 1 x 7,7-mm-Vickers-K-Maschinengewehr im Rückenturm, 450 kg Bomben

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