1937 in Augsburg als B-Version gebaut
Fällt der Fahrtmesser im Flug aus, hat man als Pilot ein gewisses Problem – zumindest in einem gewöhnlichen Flugzeug. Nicht so in der Bf 108 Taifun. Denn die 108-Konstrukteure um Willy Messerschmitt übernahmen den automatischen Vorflügel von Handley-Page (Lachmann). Und diese beginnen ab 130 km/h damit, ihre Position an der Tragflächenvorderkante zu verlassen und sich nach vorne zu recken. Mit solcher Präzision und Berechenbarkeit geschieht dies, dass die schmalen Flächen nicht nur als Auftriebshilfe fungieren, sondern eben auch als Fahrtmesserersatz.
Benno Herrmann, im Hauptberuf Flugkapitän bei der Lufthansa, ist genau jenes zugestoßen. Und einmal mehr gedachte er der Brillanz dieses 1930er-Jahre-Entwurfs. Gemeinsam mit Hans Jürgen Storck, Franz Kerzendorf und Tine Kirchberg besitzt er die D-EBFW, die älteste flugfähige Bf 108 überhaupt. Weltweit existieren wohl nicht mehr als zwölf der eleganten Reiseviersitzer, etwa vier davon werden geflogen.
Entstanden 1937 in Augsburg, ist die Taifun mit der Werknummer 1561 erst seit 2003 wieder in ihrem Geburtsland beheimatet. Die vier Jahrzehnte davor hat sie in Dänemark verbracht, die meiste Zeit liebevoll gepflegt von dem Privatmann Henning Poulsen.
Die Entdeckung der 108 (per Internet) und der Transport ins hessische Ober-Mörlen (per Lkw) ist eine dieser spannungsreichen Luftfahrtgeschichten, die sich kaum erzählen lassen. Für die Haltergemeinschaft jedenfalls wurde eine lange gehegte Wunschvorstellung zur Wirklichkeit. Dabei war der Däne Henning Poulsen für sie kein Unbekannter. Schon einmal, 1984, hatten sie versucht, das Flugzeug zu kaufen. Seinerzeit war aber Poulsen noch nicht dazu bereit.
Freunde haben bei der Überholung geholfen
Die Geschichte der Heimholung der Taifun und ihrer Wiederinbetriebnahme zeigt zugleich, dass ein solches Vorhaben von vier Menschen alleine nicht bewältigt werden kann. Viele helfende Hände, viel Begeisterung und jede Menge uneigennützige Schaffensfreude waren notwendig, damit der Entwurf Robert Lussers in neuem Glanz wieder in die Luft kommen konnte. Ein Glücksfall für die neuen
Eigentümer war natürlich der ungewöhnlich gute Zustand der dänischen 108.
Besser hätte es das Flugzeug wohl kaum haben können, denn Poulsen – ein gelernter Flugzeugmechaniker – schraubte und polierte noch lieber als er flog. Zudem wurde der Taifun übermäßige Abnutzung erspart, seit 1960 war sie gerade einmal 500 Stunden in der Luft, davon 260 Stunden als Flakzielschlepper. 1996 hängte Poulsen die Fliegerei an den Nagel, trennen mochte er sich von dem seltenen Stück deswegen noch lange nicht. Und so bewahrte er sie noch einige Jahre in seiner Doppelgarage auf, wo sie ihre neuen deutschen Eigentümer abholten. Neben dem erstaunlichen Zustand des Klassikers hatte der Däne noch eine weitere Überraschung parat: einen Lagerraum, bis zur Decke vollgepfropft mit Ersatzteilen.
Vor den eher beschaulichen Jahren in Dänemark hatte die Taifun eine unruhige Zeit. 1944 fiel sie den Engländern als Kriegsbeute in die Hände, die das Flugzeug den Franzosen übergaben. Die überholten es bei Nord in Les Mureaux, wo die 108 während des Krieges in Lizenz gebaut worden war, und stellten es wieder in Dienst. In Les Mureaux erhielt es ein Nord-Instrumentenbrett und das kleinere Acht-Zoll-Fahrwerk. 1960 dann wurde die Taifun nach Dänemark verkauft.
Aus der Kriegszeit ist nur wenig über das Schicksal der 108 bekannt, hier klafft eine Lücke in der Biografie. Fest steht, dass sie 1937 in Augsburg als B-Version gebaut worden ist und gleich darauf an die Luftwaffe ausgeliefert wurde. Ihre ursprüngliche Farbe übrigens war keineswegs eine Tarnlackierung, sondern ein leuchtendes Kobaltblau. Spuren haben sich bis heute erhalten und begründeten die Entscheidung, ihr nach der Rückkehr in die alte Heimat wieder ein ebensolches blaues Kleid schneidern zu lassen.
Dies geschah im Sommer bei Lufthansa Technik in Hamburg, sehr zur Freude der Auszubildenden dort, die ausnahmsweise einmal im „kleinen Maßstab“ arbeiten durften. Was durchaus im doppelten Wortsinne zu verstehen ist, denn die vorschriftsgemäßen Aufschriften wie das „Nicht betreten“ wurden am Ende mit dem Pinsel aufgetragen.
Mit dem Blau in Verbindung mit dem Kennzeichen D-IFBW hat es, wie könnte es anders sein, ein besondere Bewandtnis.
Eine Vorführmaschine der Messerschmitt-Werke trug dieses Dekor, war damit unter anderem in den USA, um den neuen, schnellen Komfortviersitzer bekannt zu machen.
Die Neulackierung in Hamburg war so eine Art krönender Abschluss der Restaurierung, die Hans Jürgen Storck und seine Mitstreiter im September 2005 in Angriff genommen hatten.
Pfiffige Details machen das Fliegen leichter





Zwar hatten die vier mit professioneller Hilfe vor der Wiederinbetriebnahme Ende 2003 jeden Winkel ihrer Taifun ausgeleuchtet und manches erneuert, nun aber sollte das fast 70 Jahre alte Flugzeug von Grund auf überholt werden. Dabei wurde zum Beispiel die Verglasung komplett zerlegt, alle Metallrahmenteile verchromt, ein P7-Verstellpropeller wird noch eingebaut. Zwei Kühe mussten ihre Haut für die originalgetreuen Sitze hergeben. Bei der Gelegenheit wurde auch wieder ein originales deutsches Instrumentenbrett eingebaut. „Das hat sehr viel Geld gekostet“, sagt Hans Jürgen Storck. Denn
der vorhandene Uhrenladen war ein multi-nationales Sammelsurium. Also wurden auf
Teilebörsen und auf anderen Wegen alte Instrumente beschafft. Das Trägerblech selbst ist ein Stück Handwerkskunst, wie es nur die deutsche Luftfahrtindustrie hervorbringen konnte: Sage und schreibe 800 Löcher unterschiedlicher Größe mussten gebohrt werden.
Einen glänzenden Einfall hatten die Konstrukteure der Bayerischen-Flugzeug-Werke bei der Bedienung von Landeklappen und Trimmung: Sie werden von zwei Rädern gesteuert, die mit einer Hand gleichzeitig umfasst werden können. Der Trimmausgleich zu jeder Klappenstellung wird auf diese Weise denkbar einfach gemacht. Derart pfiffige Details hat man viele ausgetüftelt in den 1930er Jahren. Der Clou ist vielleicht die Propellerverstellung: Eine kleine Kaffeemühlenkurbel dreht sich über einer Art Ziffernblatt, und tatsächlich werden die Einstellungen im Handbuch als Uhrzeiten angegeben.
Etwas kniffelig ist dagegen das Tanksystem. Um den Füllstand ablesen zu können, muss zunächst ein Hebel gezogen werden, um Druck aufzubauen. Fünf Tanks besitzt die Taifun, sie alle werden über den hinteren Behälter befüllt. Wissen sollte man, dass der Treibstoff nicht so schnell durch sämtliche Tanks hindurchströmt, wie er am Einfüllstutzen hineingedrückt wird. Mit anderen Worten: Wenn die Zapfpistole abschaltet, ist der Vorrat noch lange nicht in allen fünf Tanks bis zur Oberkante aufgefüllt.
Agil und präzise zu steuern

„Grandios“ ist das Adjektiv, das Benno Herrmann und Co. gebrauchen, um die Flugeigenschaften der Taifun auf einen Begriff zu bringen. Sie sei sehr agil und unglaublich präzise zu steuern: „Sie geht geradeaus wie auf Schienen!“ Stalls bei allen Klappenstellungen mit und ohne Motorleistung sind unproblematisch. Das Beschleunigen bis 300 km/h geht absolut ruhig vonstatten, „da brummt und flattert nichts“. Selbst mit dem Fahrwerk – bei der Bf 109 berüchtigt – fühlt man sich sofort wohl, auch wenn es bei der D-IBFW mangels optimaler Dämpfung etwas zum Springen neigt.
Zu Hause ist die 108 heute in Reichelsheim, ebenso wie eine wunderschöne, silber-blaue Focke-Wulf Stieglitz. Mehrere Generationen scheinen zwischen diesen Flugzeugen zu liegen, und doch feiern sie gemeinsam im nächsten Jahr ihren 70. Geburtstag.
„Viele tolle Erlebnisse“ wünscht sich die Reichelsheimer Pilotengemeinschaft mit dem aufpolierten Juwel aus Augsburg – wünschen wir auch.
Martin Schulz




