Die Geschichte von Berlin-Gatow – Der Vorzeige-Fliegerhorst

Die Geschichte des Flugplatzes Gatow – Teil 1
Der Vorzeige-Fliegerhorst

Veröffentlicht am 03.08.2024

Er hat Federn gelassen, der einstige Vorzeige-Fliegerhorst der Luftwaffe in Berlin. Teile des ehemaligen Rollfelds sind bebaut, die später von den Briten angelegte Startbahn gekappt, ganze Abschnitte des angrenzenden Kasernengeländes längst zivil bewohnt oder genutzt, und an vielen Fassaden zeugt der bröckelnde Putz vom Renovierungsbedarf. Dennoch beeindruckt das Areal immer noch durch seine Weitläufigkeit und repräsentative Architektur im Stil der 30er-Jahre. Dass der Großteil der Hangars und Kasernenblöcke erhalten geblieben ist, macht die denkmalgeschützte Anlage im Südwesten Berlins zu einem bedeutenden militärhistorischen Denkmal.

Die Anfänge der fliegerischen Nutzung reichen bis ins Jahr 1925 zurück, als die Segelflieger das "Ritterfeld" in Spandau-Gatow für sich entdeckten. Nur ein Jahr nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten begann 1934 die Planung eines Fliegerhorsts, getarnt als "Forst- und Landwirtschaftliches Flugversuchsinstitut". Die Maske fiel bereits 1935, und so wurden bis 1936 im Auftrag des Reichsluftfahrtministeriums die Lufttechnische Akademie, die Luftkriegsakademie (heute Krankenhaus Havelhöhe) sowie die Luftkriegsschule 2 (heute General-Steinhoff-Kaserne) samt Rollfeld und zehn Hallen aus dem Boden gestampft. Für die stattliche Summe von rund 147 Millionen Reichsmark. Auch eine Kaserne im Kladower Süden (heute Blücher-Kaserne) gehörte zu den Neubauten.

Beim Bau setzten Richard Binder, Josef Braun und Alfred Gunzenhauser die Vorstellungen des Architekten Ernst Sagebiel um, der auch den Bau des RLM in Berlin-Mitte verantwortet hatte. Sagebiels idealtypischer Fliegerhorst bestand aus einem kreisrunden Rollfeld, das Start und Landung in jede Himmelsrichtung zuließ. Hangars, Unterkunfts- und Stabsgebäude standen breit gefächert und weit voneinander entfernt, um die Wirkung von Luftangriffen zu verringern. Tarnung versprach die Bewaldung zwischen den Hangars und den benachbarten Unterkunftsgebäuden, die meisten davon zweigeschossig mit Walmdach. Mit ihren streng gegliederten Fassaden, den hohen Fenstern, den Natursteinfassungen und Pfeilern entsprachen die Bauwerke zu beiden Seiten des heutigen Kladower Damms der typischen NS-Repräsentationsarchitektur.

Gebäude am Flugplatz Berlin-Gatow in den 30er Jahren
Militärhistorisches Museum Flugplatz Berlin Gatow

Lehrcharakter prägt Gatow

Mit dem Militär kamen auch die Zivilisten – Arbeiter, Angestellte, Familien – was eine rasante Entwicklung der Spandauer Ortsteile Kladow und Gatow zur Folge hatte. Die ersten Lehrgänge konnten schon im Herbst 1935 beginnen, der Flugbetrieb Mitte 1936. Am 21. April 1936, dem Todestag von Manfred von Richthofen und im Dritten Reich "Tag der Luftwaffe", verlieh Hermann Göring den Verbänden der Luftwaffe in Gatow ihre Truppenfahnen. Während an der Luftkriegsschule die anfangs dreijährige Ausbildung des Offiziernachwuchses stattfand, diente die Lufttechnische Akademie der Offizierweiterbildung und die Luftkriegsakademie der Generalstabsausbildung.


Dieser Lehrcharakter prädestinierte den Standort auch für die Erprobung von Technik und Taktik. Studien zum Sturzkampfangriff, später zur Nachtjagd, wurden hier durchgeführt und 1944 die Versuchsstelle für Flugsondergerät eingerichtet. Mit Melitta Schenk Gräfin von Stauffenberg als technischer Leiterin und ehrgeiziger Flugzeugführerin, die laut Militärhistorischem Museum der Bundeswehr an manchen Tagen bis zu fünfzehn Sturzflüge mit Junkers Ju 87 und Ju 88 absolvierte. Sie sollte nicht die einzige bekannte Persönlichkeit bleiben, die in Gatow abhob. Ihre "kriegswichtige Arbeit" konnte sie wenige Wochen nach dem 20. Juli 1944 fortsetzen, während ihr Mann Alexander in Sippenhaft blieb. Er überlebte das KZ, wohingegen sie im April 1945 auf der Suche nach ihm in einer Bü 181 abgeschossen wurde.

Personal vor Junkers-Flugzeug am Flugplatz Berlin-Gatow
Militärhistorisches Museum Flugplatz Berlin Gatow

Kaum Einsatzeinheiten

Kampfverbände hingegen waren in Gatow kaum stationiert. Während des spanischen Bürgerkrieges nutzte die Legion Condor das Gelände des Gutshauses Neukladow zur Einsatzvorbereitung. Und vom 21. Februar 1944 bis zum 11. April 1945 befand sich der Stab des neu aufgestellten Kampfgeschwaders 200, einem Spezialverband der Luftwaffe, in Gatow. Beschädigungen blieben im Zweiten Weltkrieg weitgehend aus, und so lief der Ausbildungsbetrieb bis zum Frühjahr 1945 weiter. Wegen des enormen Bedarfs an Flugzeugführern wurde die Offizierausbildung allerdings zeitlich gestrafft – zulasten von Ausbildungsqualität und Sicherheit. Hinzu kam der latente Material- und Kraftstoffmangel. Am 12. April wurden die verbliebenen Offizieranwärter als Luftwaffen-Ausbildungsregiment in den "Endkampf" um Berlin geschickt. Ähnlich erging es eingeflogenen Marinesoldaten. Am 27. April 1945 endete der erste Abschnitt der Geschichte des Flugplatzes Gatow mit der Eroberung durch die Rote Armee.

Kurz zuvor, am 22. April, hob noch eine überladene Siebel Fh 104 in Gatow ab. Am Steuerknüppel saß Beate Uhse – damals nicht als Erotikunternehmerin bekannt, sondern als Flugzeugführerin, die rund 1.900 Maschinen verschiedener Hersteller an die Frontverbände überführt hatte. Mit an Bord waren ihr Sohn Klaus (aus der Ehe mit ihrem tödlich verunglückten Fluglehrer und Ehemann Hans-Jürgen Uhse), das Kindermädchen, zwei Verwundete und der Mechaniker, der die Siebel flottgemacht hatte. Über Barth an der Ostsee und Travemünde ging es nach Leck in Nordfriesland – in Sicherheit bzw. in britische Kriegsgefangenschaft.
Filmische Bekanntheit erlangte der Flug von Flugkapitän Hanna Reitsch – nicht in die Freiheit, sondern mitten in den Kessel. Mit Generaloberst Robert Ritter von Greim landete sie am 26. April 1945 mit einem Fieseler Storch, von Gatow aus kommend, auf der Ost-West-Achse in Berlin. Das Ziel der Beiden: der Führerbunker. Die Szene, in der Hitler Ritter von Greim zum neuen Oberbefehlshaber der Luftwaffe ernennt, ist Teil des Historiendramas "Der Untergang".

Die Briten übernehmen

Der Roten Armee blieb Gatow nur wenige Monate als Flugplatz erhalten. Nach der Einteilung Berlins in vier Sektoren wurde das Areal durch einen Gebietstausch mit den Sowjets vollständig dem britischen Besatzungsbereich zugeschlagen. Unter Regie der Royal Air Force setzte ein reger Flugbetrieb ein. So flogen die westlichen Teilnehmer der Potsdamer Konferenz, auf der die USA, Großbritannien und die Sowjetunion über die Nachkriegsordnung Deutschlands berieten, über Gatow ein. Ab August 1945 prangte dann offiziell der Schriftzug Royal Air Force Gatow über dem Tor der ehemaligen Luftkriegsschule 2 – für fast fünf Jahrzehnte.