Mitte April 1945 gab es nur noch drei mit der Ju 87 G ausgerüstete Luftwaffen-Staffeln, die alle in den östlichen Abschnitten gegen die Rote Armee vorgingen, da die Lage an der Westfront dazu führte, dass die Einheiten dort schon lange nicht mehr sicher operieren konnten, und wenn doch, dann nur mit einer starken Jäger-Eskorte, die es aber nicht mehr gab. An der Ostfront konnten die Stukas bei Tageslicht noch gegen feindliche Kräfte vorgehen. Mit ihren mächtigen Unterflügelkanonen waren sie eine effektive Waffe, die den Soldaten am Boden Unterstützung gegen vorrückende Panzer bot.
Drei dutzend Stukas an der Ostfront
Unter dem Luftwaffenkommando Nordost im Norden Deutschlands befand sich die 2. (Pz.) / SG 9, die vormals die 10. (Pz.) / SG 1 (10. Panzer-Jagdstaffel des Schlachtgeschwader 1) war. Auf dem zentralen Sektor der Ostfront war die 10. (Pz.) / SG 77, in Kamenz nordöstlich von Dresden dem VIII Fliegerkorps untergeordnet. Weiter südlich als Teil der 4. Luftflotte lag die 10. (Pz.) / SG 2 (10. Pz Jagdstaffel des Schlachtgeschwaders 2 "Immelmann"). Jede dieser Einheiten hatte ein Dutzend Ju 87 G zur Verfügung und eine entsprechende Anzahl von Flugzeugbesatzungen. Es sind die beiden letztgenannten Staffeln, die im Mittelpunkt dieses Artikels stehen.
Falscher Optimismus
Die 10. (Pz.) / SG 2 wurde von Leutnant Anton Korol, geboren am 8. Oktober 1916, geleitet, der am 1. September 1944 das Kommando über die Staffel übernommen und kurz zuvor das Ritterkreuz erhalten hatte. Ein weiteres prominentes Mitglied war Ofw. Werner Fehdler, der am 18. April seinen 60. bis 65. Panzersieg erringen sollte. Trotz der verzweifelten Gesamtsituation waren die Angehörigen der Staffel weiterhin optimistisch, was die künftige Kriegsführung anging, wie aus einer späteren Beschreibung hervorgeht: "Mit dem Optimismus der Jugend glaubten wir, dass alles noch gut werden würde. Immerhin war in Lauban ein klarer Sieg errungen worden (ein deutscher Sieg Anfang März 1945)."
3,7-Zentimeter Kanonen und jede Menge Trägheit
Rudel, der die Führung des Schlachtgeschwaders 2 "Immelmann" innehatte und als Chef des Geschwaderstabs mehrere Ju 87 und Fw 190 unter sich wusste, konnte je nach Missionsanforderung aus den beiden Mustern wählen. Im Vergleich zu den meisten Erdkampflugzeugen im Jahr 1945, wie der britischen Hawker Typhoon, der Focke-Wulf 190 F und der P-47 Thunderbolt, war die Ju 87 G ein schwerfälliges Flugzeug, dessen Erstflug in der Urversion bereits 1935 erfolgte. Die G war die letzte, 1943 in Dienst gestellte Version. Sie wurde für den Zweck des Schlachtfliegers und Panzerjägers gebaut und verfügte über zwei 3,7-Zentimeter-Kanonen unter den Flügeln und das vom Bordschützen bediente Abwehr-MG. Ihr hohes Gewicht und die unzureichende Wendigkeit machten es notwendig, dass die Panzerabwehrmissionen im Idealfall die Unterstützung von Jägern bekamen. Die Einsätze wurden ausschließlich in geringer Höhe geflogen. Die Stukas waren dabei ungeschützt dem Bodenfeuer ausgesetzt. Aus diesem Grund wurden sie bevorzugt gegen gepanzerte Speerspitzen eingesetzt, die bereits die Frontlinie durchbrochen hatten und nicht über Flugabwehrschutz als Deckung verfügten.
Die Berlin-Offensive beginnt
Die erste weißrussische Front und die erste ukrainische Front der Roten Armee begannen ihre Berlin-Offensive vor Tagesanbruch am 16. April 1945. Die Handvoll Ju 87 G, die der großen Masse an gepanzerten Fahrzeugen gegenüberstand, rechnete sich keine großen Chancen aus. Nichtsdestotrotz taten die Einheiten alles, um die Infanterie gegen die vorrückenden Rotarmisten zu unterstützen. Die 10. (Pz.) / SG 77 befand sich am 16. April 1945 im Sektor der Heeresgruppe Mitte südöstlich von Berlin und gegenüber der ersten ukrainischen Front, die am Eröffnungstag der Offensive bis zu zehn Kilometer in die deutsche Verteidigung einbrach. Angesichts des sowjetischen Ansturms wurden jedoch nur vier Ju-87-G-Einsätze der 10. (Pz.) / SG 77 nach Forst bei Cottbus geflogen.
Rückzug nach Norden
Infolge der prekären Situation erhielt die 10. (Pz.) / SG 2 am 16. April den Befehl, sich vom Gebiet der Luftflotte 4 nach Norden zurückzuziehen. Sie sollte sich dem Fliegerkorps VIII anschließen. Die Führung wollte damit die erfahrenen Schlachtflieger zur Unterstützung der Heeresgruppe Mitte heranziehen. Nach einem kurzen Zwischenstopp in Prossnitz-Kosteletz und Einsätzen am 18. April in der Gegend von Brünn verlegte die 10. (Pz.) / SG 2 am Morgen des 19. April nach Niemes-Süd (auch Kummer genannt, in der Nähe des heutigen Mimoˇn, Tschechische Republik). Dort blieb die Einheit bis zum Ende des Krieges. Fortan dienten die Kräfte als Teil des Gefechtsverbandes Rudel, einer Gruppe, die von ihrem Namensvetter angeführt wurde und zusätzlich über verschiedene untergeordnete Bodenangriffs- und Kampfeinheiten verfügte.
Schwierige & verzweifelte Einsätze
Währenddessen wurden am 17. April Bodenangriffs- und Panzerabwehreinheiten der Luftwaffe in die Schlacht geworfen, um die 4. Panzerarmee im Bereich des sowjetischen Durchbruchs zu unterstützen. Der Betrieb von Panzerabwehrflugzeugen wurde jedoch durch das bewaldete Gelände der Region stark behindert, was den sowjetischen Einheiten zusätzlich Deckung gab. Verstärkend kamen Rauch und Dunst dazu, die das Schlachtfeld oft verdeckten. Am 18. April meldete die 10. (Pz.) / SG 77 vierzehn Ju 87 G, von denen die Hälfte einsatzfähig war. Die Staffel flog tagsüber 26 Einsätze in den kritischen Bereichen von Bautzen und Cottbus, in denen die 2. Polnische Armee und die 52. Sowjetische Armee ihren Angriff auf Dresden begonnen hatten.
Weiter kämpfen ohne Befehl und 250 zerstörte Panzer
Zwei Ju 87 von Rudels Stab operierten ebenfalls an diesem Tag, obwohl der Kommodore von Hitler den offiziellen Befehl erhalten hatte, den operativen Flug einzustellen. Beide Ju-87-Staffeln wurden am 19. April in das Gebiet östlich von Bautzen geschickt, wo sich sowjetische Speerspitzen der Stadt näherten (am folgenden Tag wurde die Stadt ein- genommen). Ein Flugzeug der 10. (Pz.) / SG 2 ging verloren, wobei Oberfähnrich Barth als vermisst gemeldet wurde. Zeitgleich verlegte auch die 10. (Pz.) / SG 77 von Kamenz nach Görlitz östlich von Bautzen. Einige flogen, eskortiert von Fw 190, Angriffe gegen Bodenziele in der Gegend um Forst und Spremberg.
Lt. Korol leitete am 20. April zwei Missionen seiner Einheit, und die 10. (Pz.) / SG 77 operierte an diesem Tag ebenfalls erfolgreich zur Unterstützung der deutschen Bodentruppen und zerstörte mehrere sowjetische Panzer. Dies beinhaltete den 250. Erfolg der Staffel.
In Bautzen beginnt der Gegenschlag
Am Morgen des 21. April 1945 griff die Heeresgruppe Mitte von der Front zwischen Görlitz und Bautzen mit zwei Infanteriedivisionen plus 100 Panzern der 4. Panzerarmee erfolgreich nach Norden an. Sie stießen zwischen der 52. Sowjetischen Armee und der 2. Polnischen Armee vor, schnitten eine feindliche Division ab und eroberten schließlich Bautzen zurück. Infolge dieser Kämpfe richteten die Ju-87-Besatzungen ihre Aufmerksamkeit auf diesen Sektor. Am Eröffnungstag der deutschen Gegenoffensive flog die 10. (Pz.) / SG 2 als Teil des Gefechtsverbandes Rudel neben Rudels eigenem Geschwaderstab des SG 2. Die mit Fw 190 ausgerüsteten II./SG 2 und I./SG 77 und die II./JG 6 mit Fw 190 D-9 unterstützten die Angriffe. Das VIII Fliegerkorps meldete am 21. nur vier Panzerabwehreinsätze, da es in Südostdeutschland ein sehr bewölkter Tag war. Oberst Rudel war nach Berlin abberufen worden.
32 Einsätze pro Tag
Sowohl die 10. (Pz.) / SG 2 als auch die 10. (Pz.) / SG 77 waren am 22. April im Einsatz, insgesamt 32 Einsätze wurden geflogen. Jede Staffel verlor an diesem Tag eine Ju 87. Eine davon östlich von Bautzen, deren Abschuss dem sowjetischen Flugabwehrregiment 1680 zugeschrieben wurde.
Der Gefechtsverband Rudel tat am 23. April 1945, was er konnte, um den deutschen Vormarsch zu unterstützen. Die Fw 190 des Stabes der SG 2 führten Aufklärung durch und begleiteten vier Einsätze der Panzerknacker. Die 10. (Pz.) / SG 2 flog vier Einsätze und die 10. (Pz.) / SG 77 acht in die Gebiete Weißenberg, Bautzen und östlich von Dresden. In einer Zusammenfassung der Luftwaffe wurde festgestellt, dass sie "unsere eigenen Truppen durch Angriffe in niedriger Höhe wirksam unterstützen", indem sie drei Panzer zerstörten und zwei weitere beschädigten. Anton Korol war für einen der Einsätze verantwortlich, eine Panzerjagd südöstlich von Bautzen. Die Einsatzfähigkeit der Einheiten gingen jedoch zurück – die Anzahl der nutzbaren Maschinen der 10. (Pz.) / SG 77 war von insgesamt vierzehn Flugzeugen am 18. April auf nur neun am 23. April gefallen.
Sowjetische Panzer bei Bautzen
Der 24. April 1945 war ein weiterer arbeitsreicher Tag für die Ju 87, an dem Anton Korol vier Operationen von Niemes aus anführte. Dabei wurden sowjetische Panzer westlich von Bautzen in der Nähe der Kleinstadt Oberförstchen angegriffen. Bis zu diesem Tag hatte die deutsche Offensive ihren Lauf genommen und war zum Stillstand gekommen, nachdem sie den Sowjets einen ziemlichen Schrecken versetzt hatte. Über die Ju-87-Operationen in den letzten Tagen des Aprils und Anfang Mai 1945 sind weniger Details verfügbar, aber die 10. (Pz.) / SG 2 befand sich noch in Niemes-Süd und die 10. (Pz.) / SG 77 in Görlitz. Insgesamt 30 Panzerabwehreinsätze wurden am 25. April noch geflogen. Oberst Rudel kehrte am Abend des 27. April aus Berlin zu seiner Einheit zurück. An diesem Tag flog das SG 2 mindestens eine Mission gegen Panzer westlich von Bautzen. Adolf Hitler beging am 30. April 1945 Selbstmord – und der Krieg fand nun rasch ein Ende.
Das Kriegsende und die Kapitulation
Als Berlin fiel und vielerorts Einheiten gegenüber den Westalliierten kapitulierten, widersetzten sich die deutschen Streitkräfte weiterhin den Sowjets im Osten. Korol flog am 6. und am 7. Mai 1945 Einsätze südwestlich von Dresden, einschließlich seines 700. Feindfluges. Der 8. Mai 1945 war der letzte Kampftag in Europa, und die Männer der Ju-87-G-Einheiten hatten einige sehr wichtige Entscheidungen zu treffen. Kein Personal der Luftwaffe wollte sich den sowjetischen Streitkräften ergeben und dort in Gefangenschaft gehen. so wurden Pläne ausgearbeitet, Flugzeuge zu amerikanischen Luftwaffenstützpunkten zu fliegen, während das Bodenpersonal versuchte, sich in Fahrzeugkonvois in den Westen zu begeben. Zunächst mussten jedoch Missionen geflogen werden, wobei Lt. Korol zwischen 8:50 und 9:30 Uhr in das Gebiet Brüx (heute Most, Tschechische Republik), 100 Kilometer westlich von Niemes, flog.
Ehefrauen auf dem Passiergiersitz
Am Abend dieses letzten Tages flogen auch Flugzeuge des Gefechtsverbandes Rudel nach Westen. Ein Paar Ju 87 D-5 mit den Markierungen "T6 + VU" und "T6 + TU" der 10. (Pz.) / SG 2– begleiteten Oberst Rudels Ju 87 G-2 nach Kitzingen. Sie beförderten jeweils noch eine Passagierin (die Ehefrauen der Piloten), und "T6 + VU" wurde von SG-2-Veteran Oblt. Hans Schwirblat pilotiert. In der Zwischenzeit machten sich zwei Flugzeuge der 10. (Pz.) / SG 2 auf den Weg nach Eschwege bei Kassel in Mitteldeutschland, der Heimat der 107. und 109. taktischen Aufklärungsstaffeln der USAAF. Dies waren Ju 87 G-2 "T6 + FU" und "T6 + KU", von denen Lt. Anton Korol eine flog.
Der Versuch einer Kapitulation
Kurz vor ihrer Ankunft hatte bereits eine Ju 88 an Eschwege gefunkt, um sich zu ergeben, sie wurde aber dennoch von Flugabwehr- kanonieren beschossen. Eine dort ansässige amerikanische Einheit hat den Verlauf aufgezeichnet:
"Winston Churchill ging kurz nach der Landung der Ju88 auf Sendung und verkündete offiziell, dass der Krieg vorbei war. Kurz nach der Ausstrahlung kamen zwei weitere deutsche Flugzeuge, bewaffnete Stuka, angeflogen und landeten – diesmal ohne Flak."
Die Entscheidung zu gehen, war nicht für alle Männer der 10. (Pz.) / SG 2 leicht. Ein Schütze stammte ursprünglich aus Prag, hatte eine tschechische Frau und seine Familie lebte nur noch zwanzig Kilometer von der Basis seiner Einheit entfernt. Er fragte seine Kameraden traurig, bevor sie abreisten: "Mein Gott, was soll ich jetzt tun, wegfliegen?"
Das Ende eines hoffnungslosen Einsatzes
So endete der Krieg für den Ju 87 G Tank-Buster. Für die Männer der 10. (Pz.) / SG 2 und der 10. (Pz.) / SG 77 waren die letzten Wochen des Konflikts sehr schwierig, sie erforderten noch einmal den vollen Einsatz. Es gab keine Hoffnung, den sowjetischen Vormarsch aufzuhalten, aber das fliegende Personal bemühte sich, den Kameraden am Boden die nötige Unterstützung zu bieten. Die Panzerknacker konnten sogar an einer der letzten erfolgreichen Offensiven des Krieges von der Wehrmacht teilnehmen, aber es nutzte alles nichts. Für die Ju 87 G mit ihren beeindruckenden Unterflügelwaffen war der Krieg auf verschiedenen Luftwaffenstützpunkten der Westalliierten beendet, für amerikanische und britische Flieger war sie nun kaum mehr als eine Kuriosität.