Die Schließung eines Bundeswehrstandortes kann schnell gehen oder quälend langsam, sie trifft frisch renovierte Kasernen genauso wie baufällige – und gelegentlich wird die Auflösung von der nächsten verteidigungspolitischen Reform überholt. Trotz seiner Bedeutung als "Wiege der Luftwaffe", als Heimat der Offizierschule und des Ehrenmals der Luftwaffe sowie als historische Stätte des Olympia-Attentats 1972 geriet auch der Fliegerhorst Fürstenfeldbruck auf die Streichungsliste des BMVg. Hierbei erweist sich "Fursty", so der Spitzname aus Zeiten der US-Nutzung nach dem Zweiten Weltkrieg, jedoch als sehr renitenter Kandidat und Meister der Verzögerung.

Als eines der letzten Sockelflugzeuge "landete" im August 2008 eine F-86 Sabre am Haken einer CH-53, damals noch der Heeresflieger, in Fürstenfeldbruck.
Langsames Ende
Der militärische Flugbetrieb wurde im September 2003 endgültig eingestellt, nachdem das in Fürstenfeldbruck beheimatete Jagdbombergeschwader 49 bereits im März 1994 außer Dienst gestellt worden war. Ein letztes Mal landeten 2005 noch ein PA-200 Tornado und eine F-4F Phantom II, um auf dem Fliegerhorstgelände ausgestellt zu werden. 2010 folgte die Entwidmung des Flugplatzes. 2011 wurde bekannt, dass der Fliegerhorst im Zuge der radikalen Schrumpfkur durch Verteidigungsminister de Maizière ganz oder zumindest in weiten Teilen aufgelöst würde. Die Offizierschule der Luftwaffe (OSLw) sollte nach Roth bei Nürnberg umziehen, wo die Bundeswehr viel Geld in die Infrastruktur für das Kampfhubschrauberregiment 26 "Franken" investierte, das jedoch im Juni 2014 aufgelöst wurde. Auch dem II. Bataillon des Luftwaffenausbildungsregiments in Roth erging es bereits 2012 so. Seit Juni 2017 wird nun die neue OSLw gebaut – und wie so oft wird der Bau teurer und später fertig als geplant. Die Aufnahme des Lehrgangsbetriebs findet nach aktuellem Stand erst 2025 statt.

Die Fiat G.91 steht als R/3 in Tarnfarben und als T/3 in blau-weißer Sonderlackierung im Fliegerhorst.
Neue Verwendungen für Kasernengelände
So erhält der Fliegerhorst Fürstenfeldbruck eine Gnadenfrist nach der anderen. Gleichwohl altern und leeren sich die Zweckbauten aus verschiedenen Jahrzehnten zusehends, da die verbliebenen Dienststellen sukzessive an andere Standorte umziehen. Vom einstigen Fliegerhorst-Areal gehört nur noch der – immer noch sehr weitläufige – Streifen von der Hauptwache bis zum Heizkraftwerk am anderen Ende zum Kasernenbereich. Der Flugplatzbereich mit den Sheltern ist abgetrennt und gehört zur 2012 eröffneten Driving Academy Maisach, in welcher der Autohersteller BMW Fahrertrainings anbietet. Die Gebäude der 1935 bis 1937 von Robert Roskothen errichteten Luftkriegsschule wiederum, zuletzt Heimat der 2013 aufgelösten 1. Luftwaffendivision, benötigt der Regierungsbezirk Oberbayern als Ankerzentrum für Asylbewerber.

Im November 1976 erhielt Leutnant Meyer seine Waffensystemschulung auf der "Gina", einer Fiat G.91.
Was bleibt, was soll bleiben?
Wie geschichtsträchtig der Fliegerhorst ist, zeigt sich in der Diskussion um seine "Nachnutzung" durch die Stadt Fürstenfeldbruck. Was wird aus dem "Kilometerbau" – dem ebenfalls ab 1935 errichteten, 820 Meter langen Unterkunftsgebäude? Wie lässt sich das 1975 bis 1977 nach Plänen von Kurt Ackermann errichtete "Blaue Palais" nutzen, in dem Generationen von Offizieranwärtern ihre Ausbildung durchlaufen haben? Der stählerne Zweckbau, der von der Stube über die Truppenküche bis hin zum Auditorium Maximum alles Nötige für einen effizienten Schulbetrieb auf kurzen, überdachten Wegen verbindet, ist denkmalgeschützt und renovierungsbedürftig. Besonders sensibel ist diese Frage zu beantworten: Wie lässt sich das 1936 entstandene Gebäude der Flugleitung, heute "alter Tower" genannt, als tragischer Endpunkt des palästinensischen Olympia-Terrors von 1972 in ein neues Stadtviertel integrieren? Und schließlich: Wie umgehen als Kommune mit der langen, nun aber definitiv endenden Luftwaffengeschichte im Ort?
Ehrenamtlich für die Erhaltung der Geschichte
Hier kommt die Traditionsgemeinschaft Fursty Fliegerhorst e.V. ins Spiel. Ihre Mitglieder – pensionierte Berufssoldaten, die in Fürstenfeldbruck Wurzeln geschlagen haben – pflegen die militärhistorische Sammlung. Auch eines der vielen Sockelflugzeuge auf dem Areal haben sie restauriert. Ginge es nach der TG Fursty und ein paar Luftwaffen-affinen Stadträten, kämen die verbliebenen Sockelflugzeuge in ein eigens errichtetes Fliegerhorstmuseum. Insbesondere diejenigen Muster, die für den Standort besondere Bedeutung haben und die wir nachfolgend vorstellen.
Piaggio P.149D
Eine Piaggio P. 149D (90 + 94), wie sie die einstige Waffenschule der Luftwaffe 50 (WaSLw 50) in Fürstenfeldbruck nutzte, aus der 1978 das Jagdbombergeschwader 49 hervorging. Auf dem Tiefdecker mit seinem durstigen 6-Zylinder-Boxermotor vermittelte die WaSLw bzw. das JaboG 49 von 1973 bis 1990 angehenden Jetpiloten die Grundlagen des Motorflugs, bevor es für die Anwärter zur weiteren Ausbildung in die USA ging. Die "Piggi" in den Farben des JaboG 49 thront derzeit auf einem Betonpfeiler vor dem Captain-Higgins-Gebäude.

Eine Piaggio P.149D wie sie früher die Waffenschule der Luftwaffe 50 (WaSLw 50) nutzte.
F-84F
Eine F-84F (DD – 244), die vor der OHG Fursty steht und der eine doppelte Bedeutung zukommt: Im November 1956 wurde die Waffenschule der Luftwaffe 30 als erster fliegender Verband der neuen westdeutschen Luftwaffe in Fürstenfeldbruck aufgestellt und ab Oktober 1957 nach Büchel verlegt. Ausgestattet wurde die WaSLw 30 mit Republic F-84F Thunderstreak.

Die Waffenschule der Luftwaffe 30 war 1956 der erste fliegende Verband der Bundeswehr, der die neue F-84F erhielt.
Ehrenmal für Selbstopferung
Für "Werkstattflüge" standen der Luftwaffe in der Aufbauphase erfahrene US-Piloten zur Seite. Einer davon, Captain Richard William Higgins, hatte bei einem solchen Flug am 5. April 1957 mit einem Triebwerkschaden seiner deutschen F-84F zu kämpfen. Den unvermeidbaren Ausstieg zögerte er bewusst hinaus, bis er den Ortsrand von Fürstenfeldbruck erreichte – zum Öffnen des Fallschirms reichte die Flughöhe von nur 80 Metern dann nicht mehr. Zur Erinnerung an Higgins‘ Opfertod wurden eine Straße in Fürstenfeldbruck und das in den 1950er-Jahren erbaute ehemalige amerikanische Schulgebäude im Fliegerhorst nach ihm benannt.

Diese ehemalige Schule des Fliegerhorst ist nach Captain Richard William benannt, welcher sich am 5. April 1957 selber opferte, um seine abstürzende Maschine von Gebäuden und Menschen fernzuhalten.
Lockheed T-33A
Eine Lockheed T-33A (AB – 773), in Szene gesetzt an der zentralen Kreuzung in der Nähe des Kilometerbaus. Die US Air Force richtete Anfang der 1950er-Jahre in Fursty ein zentrales Flugausbildungskommando für die Piloten befreundeter Streitkräfte ein und setzte hierbei auf den einstrahligen, zweisitzigen Trainer. Die Einführung der "T-Bird" als erstes Strahlflugzeug der jungen Bundeswehr begann am 1. Juni 1956 mit dem Aufbau der Flugzeugführerschule "B" in Fürstenfeldbruck. Eine T-33A (Kennung AB + 101) gehörte außerdem zu den drei Flugzeugen, die am 24. September 1956 die Farben sowie das Hoheitszeichen der neuen Luftwaffe der Öffentlichkeit präsentierten und den Fliegerhorst Fürstenfeldbruck zur Wiege der bundesdeutschen Luftwaffe machten. Bis zu 122 T-Birds hatte die FFS B schließlich im Bestand. Sie flogen bis 1975; in Summe kamen fast 200 000 Flugstunden zusammen.

Eine Lockheed T-33A ist an der zentralen Kreuzung in Szene gesetzt.
Fiat G.91 T/3
Eine Fiat G.91 T/3 (34 + 02) mit auffälliger landestypischer Lackierung auf der Wiese vor den Gebäuden 101 und 102. Mit dieser blau-weißen Sonderbemalung, die unter anderem "unsa oida Landesvadda" Franz-Josef Strauß zeigt, flog die "Gina" im Frühjahr 1982 zum letzten Mal. "T" steht für die zweisitzige Version des leichten und robusten Jagdbombers – als Trainer bzw. mit Platz für einen "Kampfbeobachter" (später: "Waffensystemoffizier"). Von 1960 bis 1966 erhielt die Luftwaffe insgesamt 344 G.91, mit denen unter anderem die WaSLw 50 in Erding (ab 1958) bzw. Fürstenfeldbruck (ab 1964) ausgerüstet wurde.

Eine Fiat G.91 T/3 mit markanter, bayrischer Lackierung vor dem Schloss Hohenzollern.
Alpha Jet
Beerbt wurde die Gina vom gemeinsam mit Frankreich entwickelten, zweistrahligen leichten Jagdbomber Alpha Jet, von dem die Luftwaffe 175 Stück beschaffte, hergestellt von Dornier. Das JaboG 49 in Fürstenfeldbruck flog den Alpha Jet als erster Verband der Luftwaffe – von der Einführung 1979 bis zur Außerdienststellung im Jahr 1994. Anschließend betrieb die Fluglehrgruppe in Fürstenfeldbruck den Alpha Jet noch zur taktischen Grundausbildung künftiger Tornado-Besatzungen. Im Juni 1997 war endgültig Schluss, während die Armeé de l‘Air dem Alpha Jet noch bis 2023 die Treue halten sollte. Auch die Alpha Jets der Flying Bulls in Österreich stammen aus ehemaligen Luftwaffenbeständen. Als letzter Alpha Jet steht heute die 41 + 57 in Sichtweite der blau-weiß gestreiften "Gina" in Fürstenfeldbruck. An beiden nagt merklich der Zahn der Zeit.

Erinnerungsfoto mit Überflug: die vollständig angetretene Fluglehrgruppe vor ihrer Auflösung im Jahr 1997.
Bell UH-1D
Zwischen Parkplatz West und Eingang der OSLw findet sich schließlich der einzige Hubschrauber unter den Sockelflugzeugen, eine Bell UH-1D (73 + 56). Das Muster erinnert nicht nur an die Überlebenstrainings künftiger Piloten, bei denen UH-1D mit Seilwinde zum Einsatz kamen, sondern auch an den tragisch gescheiterten Befreiungsversuch der israelischen Geiseln auf dem Fliegerhorst Fürstenfeldbruck beim Olympia-Attentat 1972. Die Bilder der beiden vor dem Tower stehenden UH-1D des Bundesgrenzschutzes, eine davon völlig ausgebrannt, gingen damals um die Welt.

Der einzige Hubschrauber unter den Sockelfliegern des Horstes: eine Bell UH-1D.
Schwierige Zukunft
Viele gute Gründe also, zumindest diese Flugzeuge zu erhalten, die so viel mehr sind als avionik- und triebwerklose Aluminiumhüllen. "Doch für beides, einen Museumsbau inklusive wissenschaftlichem Konzept plus Instandsetzung der seit Jahrzehnten Wind und Wetter ausgesetzten Exponate, fehlt der Stadt einfach das Geld", bilanziert Harald Meyer von der TG Fursty. Zumal die Flugwerft Schleißheim mit ihrer Ausstellung gerade einmal 30 Kilometer entfernt ist. Da Museen wie das MHM Flugplatz Gatow kaum noch Platz im Depot hätten, befürchtet der ehemalige Alpha-Jet-Pilot, dass viele der Sockelflugzeuge keine neue Heimat finden und in der Schrottpresse landen werden.

Ein Foto der Tower-Anlage aus alten Zeiten.
Dass es dazu kommt, versuchen er und seine Mitstreiter natürlich zu verhindern. So befasste sich die Lokalzeitung in einer neuen Serie, basierend auf Archivmaterial der TG, einmal mehr mit "Fursty und seinen fliegenden Zeitzeugen". Die perfekte Diskussionsgrundlage für den Stadtrat. Keine Frage, der Fliegerhorst, seine Geschichte und seine Relikte bleiben eine Herausforderung für die künftigen Eigentümer.