Im Jahr 1936 wurde der junge Dr. Hans Joachim Pabst von Ohain in das Entwicklerteam der Firma Heinkel aufgenommen. Es war Ernst Heinkel selbst, der die Idee für die Entwicklung eines Turbinen-Luftstrahltriebwerks forcierte. Fortan forschte und baute von Ohain im Geheimen auf dem Werksgelände in Rostock-Marienehe an einem ersten Triebwerk. 1937 konnte der neuartige Antrieb erstmals auf einem Teststand gestartet werden. Das He S 1 erzielte einen Standschub von 1,28 Kilonewton, dieser reichte jedoch nicht für den Antrieb eines Flugzeugs. Die Ergebnisse flossen in die Entwicklung des He S 3B ein. Dieses wurde in die Heinkel He 178 eingebaut, die als erstes Strahlflugzeug der Welt überhaupt am 27. August 1939 zum ersten Mal abhob.
Bereits sieben Monate zuvor hatte auch das Reichsluftfahrtministerium (RLM) von den Fortschritten von Ohains Wind bekommen. Es forderte die wichtigsten deutschen Motorenhersteller auf, ebenfalls an Turbinen-Luftstrahltriebwerken (TL) zu arbeiten, und gab die Richtlinien für Jagdflugzeuge mit Strahltriebwerk heraus. Bei Messerschmitt entstand das Projekt P.1065, die spätere Me 262, und bei Heinkel entwarf Siegfried Günter die He 180.
Schwierige Triebwerksfrage
Der Entwurf für den Jäger sah den Einbau von zwei Strahlturbinen und einem Bugfahrwerk vor. Durch das vorne angebrachte Fahrwerk konnte der Gasstrahl der unter der Fläche angeordneten Triebwerke besser abgeleitet werden. Im Juni 1939 wurde der Bau von zwei unterschiedlichen Attrappen beschlossen. Am 26. September 1939 bevorzugten Vertreter des RLM die Vorderrumpf-Attrappe der jetzt als He 280 bezeichneten Maschine. Der inzwischen ausgebrochene Zweite Weltkrieg machte die Beschaffung von Maschinen und Material für den Bau der Antriebe bei Heinkel schwierig. Personelle Unterstützung kam durch Max Adolf Müller, der zusammen mit mehreren Mitarbeitern von Junkers zu Heinkel wechselte. Bei Junkers hatte die Gruppe unter der Leitung von Prof. Wagner an einem axialen Strahltriebwerk gearbeitet.
Unter der neuen Führung des Technischen Direktors Robert Lusser arbeitete von Ohain bereits weiter an seinem eigenen axialen Strahltriebwerk, dem He S 9. Das parallel entwickelte S 8 mit Radialverdichter fungierte nur als Ausweichlösung, falls unvorhergesehene Schwierigkeiten mit dem He S 9 auftreten sollten. Nach Müllers Einstellung sollte dessen Gruppe das Axialtriebwerk He S 30 und weitere Muster bearbeiten, während die radialen Triebwerke bei von Ohain verblieben. Um die He 280 möglichst schnell in die Luft zu bringen, sollte schließlich doch das He S 8A-Triebwerk realisiert werden.
Die für die Flugfreigabe erforderlichen Zehn-Stunden-Läufe schaffte der Antrieb aber zunächst nicht. Das RLM ließ deshalb die He 280 V1 zuerst ohne Motoren im Schlepp erproben. Am 22. September 1940 erhob sich auf der Erprobungsstelle in Rechlin die eigens umgebaute He 111 in die Luft: im Schlepptau die He 280 V1 mit Paul Bader am Steuer.
Start in die Zukunft
Am 30. März 1941 war es dann endlich so weit: Fritz Schäfer, der die Position Baders für die Testflüge übernahm, saß im Cockpit des Strahljägers. Er musste peinlich genau auf die Drehzahl der Triebwerke achten, da aus Gewichtsgründen nur so viel Kraftstoff mitgenommen wurde, um eine Platzrunde zu fliegen. Schäfer landete die He 280 anschließend wieder problemlos. So war es Heinkel schließlich gelungen, das erste strahlgetriebene Jagdflugzeug der Welt vor allen anderen Konkurrenten in die Luft zu bringen. Die britische Gloster E.28/39 flog erst am 15. April 1941.
Die Flugerprobung der He 280 wurde jedoch nach wenigen Flügen eingestellt, da die Triebwerke Probleme machten. An einen Einbau der He S 30-Turbinen war noch nicht zu denken. Um die He 280 so schnell wie möglich voranzubringen, sollten zwei Argus-Pulsostrahltriebwerke unter jeder Fläche montiert werden und der Start im Schlepp mit einer He 111 erfolgen. Das RLM forderte auch, den Einbau der Junkers- und BMW-TL-Triebwerke zu untersuchen.
Am 5. Juli 1942 war der einstige Vorsprung Heinkels verspielt, denn erst jetzt konnte der Flugbetrieb mit dem inzwischen dritten Prototyp und He S 8A-Triebwerken wieder aufgenommen werden. Nur zwei Wochen später gelang der Erstflug der Messerschmitt Me 262 V3 mit Jumo 004.
Der Vorsprung ist verspielt
Im September 1942 beschloss Ernst Heinkel, Jumo-Triebwerke in die Versuchsflugzeuge He 280 V2 und V4 einzubauen. Probleme bereiteten dabei deren höhere Masse und Länge. Aus Festigkeitsgründen und um Bodenfreiheit zu gewährleisten, wäre eine Umkonstruktion der Flächen und des Fahrwerks für einen Serienbau unumgänglich gewesen. Am 17. Dezember 1942 führte Schäfer in Rechlin die He 280 V3 Generalfeldmarschall Milch und dem General der Jagdflieger, Adolf Galland, vor. Zu diesem Zeitpunkt gingen die Planungen noch immer von einem Serienbau aus.
In Rechlin fand am 13. Januar 1943 der erste Schleppflug der He 280 V1 mit noch nicht arbeitenden Argus-Rohren statt. Starkes Aufwirbeln von Schnee verhinderte das Einfahren des Bugrads, und das Schleppseil ließ sich nicht ausklinken. Der Flugzeugführer Rudolf Schenk stieg deshalb mit dem Schleudersitz aus. Es war die weltweit erste Lebensrettung dieser Art.
Später traten an der He 280 bei höheren Geschwindigkeiten Leitwerksschwingungen auf, die Verstärkungen an der Zelle erforderlich machten. Im Frühjahr 1943 schlug Heinkel vor, die Serienreifmachung zu verlangsamen und alle damit beschäftigten Konstrukteure sofort für Arbeiten an der He 177 einzusetzen. Kurz darauf wurde das Programm dann fast auf den Tag genau drei Jahre nach dem Erstflug vom RLM zugunsten der Me 262 abgesetzt.