Schon im Januar 1947 hatte die Royal Navy die Spezifikation N.40/46 für einen zweistrahligen Nacht- und Allwetterjäger für den Einsatz auf Flugzeugträgern erstellt. Daraufhin reichten Blackburn, de Havilland, Fairey, Gloster und Westland entsprechende Projekte ein. Der Vorschlag von de Havilland trug die Bezeichnung D.H. 110 und basierte auf einem Entwurf für einen Nachtjäger der Royal Air Force. Die Unterschiede lagen im Wesentlichen im Hinzufügen marinespezifischer Ausrüstung. Die RAF-Ausschreibung gewannen schließlich die D.H. 110 und die Gloster GA.7, die spätere Javelin.
Im Juni 1948 bestellten die Briten drei Exemplare des de-Havilland-Musters. Knapp ein halbes Jahr später wollten die Militärs acht weitere Prototypen beschaffen: vier für eine gemeinsame Erprobung von Radar und Waffen durch die RAF und Royal Navy, zwei für einen Wettbewerb eines RAF-Langstreckenjägers und zwei für ein Angriffsflugzeug der Royal Navy. Aus finanziellen Gründen blieb nur noch die Bestellung vom 26. Mai 1950 für fünf RAF-Nachtjäger übrig. Aber auch diese wurde, am 14. Juni 1952, auf zwei Maschinen reduziert.
Die Konstrukteure führten das Heckausleger-Konzept, das sich in der Vampire bewährt hatte, fort. Statt des ursprünglich vorgesehenen Tandem-Cockpits entschieden sich die Ingenieure für eine Vollsichthaube des Piloten auf der linken Seite. Der Beobachter saß unter einer flachen Luke mit einem kleinen Fenster. Diese Anordnung gilt bis heute als Markenzeichen der Sea Vixen und erklärt sich aus der Tatsache, dass die damaligen Radarbildschirme eine dunkle Umgebung zum Betrachten erforderten.
Die beiden Prototypen entstanden in Hatfield, wo Cheftestpilot John Cunningham mit Tony Fairbrother am 26. September 1951 mit dem ersten Prototyp (Kennung WG236) zum Erstflug startete. Im Gegensatz zum Forschungsflugzeug D.H. 108 offenbarten sich keine gravierenden Probleme aufgrund der Flugeigenschaften. Bei hohen Geschwindigkeiten kam es lediglich zu Verwindungen der Heckausleger, welche die Konstrukteure mit einer Vergrößerung der Leitwerke und aufgenieteten Verstärkungsstreifen auf den Auslegern behoben.
Am 20. Februar 1952 erreichten John Derry und Tony Richards im Bahnneigungsflug erstmals Mach 1. Der zweite Prototyp (WG240) absolvierte am 25. Juli 1952 seinen Jungfernflug und erhielt zwei stärkere Triebwerke: Avon RA.7 statt RA.3. Er beeindruckte zunächst mit seinen Flugleistungen das Publikum auf der Luftfahrtmesse in Farnborough 1952, musste jedoch am 6. September aufgrund technischer Probleme am Boden bleiben. John Derry holte daraufhin die WG236 aus Hatfield und begann mit dem Anflug auf Farnborough seine Vorführung. Nach einem schnellen Überflug leitete Derry eine enge Linkskurve ein. Innerhalb von Sekundenbruchteilen brach zuerst der rechte Außenflügel ab, dann der linke. Daraufhin richtete sich das Flugzeug auf, die Rumpfstruktur konnte die hohen Belastungen nicht aushalten und zerbrach in Cockpit-, Triebwerks- und Hecksegment. Derry und Richards hatten keine Chance, genauso wenig wie die 27 Zuschauer, die von einem herabstürzenden Avon-Triebwerk getroffen wurden.
Nach umfangreichen Untersuchungen überarbeiteten die Ingenieure die Flügelstruktur, die für die leichteren Vampire und Venom ausreichend war, sich aber bei der schwereren D.H. 110 als unzureichend erwiesen hatte. So erhielt die WG240 unter anderem stärkere Flügelrippen. Der Serienauftrag für den RAF-Jäger ging derweil an Gloster mit der Javelin, so dass de Havilland ohne Kunden dastand. Trotzdem benötigte die Royal Navy weiterhin ein Allwetterflugzeug und bestellte als Übergangslösung die Sea Venom. De Havilland schlug schließlich eine Marineversion der D.H. 110 vor und hatte Erfolg: Am 6. November 1953 bestellte das Ministry of Supply einen entsprechenden Prototyp, der teilweise aus bereits fertigen Komponenten der abbestellten Maschinen entstand. Die Anforderungen sahen die Ausstattung mit klappbaren Tragflächen, Katapultausrüstung, hydraulisch steuerbarem Bugrad, AI-Mk18-Radar sowie Avons der Version RA.14 vor.
Bestellungen und Serienproduktion

An Silvester 1954 gewährte das Finanzministerium die Beschaffung von 75 Serienexemplaren (später auf 78 erhöht), welche die Bezeichnung FAW für Fighter All Weather tragen sollten. Knapp ein halbes Jahr später, am 20. Juni 1955, hob in Christchurch die D.H. 110 mit der Marineausstattung (Kennung XF828) erstmals ab. Am 5. April 1956 absolvierte sie ihre erste Hakenlandung auf dem Deck der HMS „Ark Royal“.
Zu diesem Zeitpunkt lief die Konstruktion der Serienvariante auf Hochtouren. Obwohl sie bis auf die spitze Nase der D.H. 110 äußerlich sehr ähnlich sah, gab es viele Detailänderungen, vor allem im Bereich Systeme, Bewaffnung und Flugsteuerung. Im Rumpf entfielen die geplanten Kanonen, die Tragflächen konnten um 110 Grad nach innen geklappt werden. Um Strukturschäden durch Risse zu verhindern, kamen keine Nachbrenner zum Einsatz.
Trotz der Komplexität fertigte de Havilland in den von Airspeed übernommenen Einrichtungen in Christchurch keinen Prototyp, sondern begann direkt mit der Serienmaschine XJ474. Diese startete am 20. März 1957 zu ihrem Erstflug und diente vor allem Trägerversuchen. Zwei weitere Jets erprobten im australischen Woomera die als Bewaffnung vorgesehenen Flugkörper Firestreak und Red-Top. Sämtliche Tests verliefen relativ erfolgreich, und de Havilland konnte sich über eine Bestellung von 55 weiteren Exemplaren freuen.
Im Juli 1959 konnte die Sea Vixen („Füchsin“), wie sie mittlerweile genannt wurde, offiziell bei der No 892 Squadron der Fleet Air Arm in Yeovilton in Dienst gehen. Zuvor hatte sie der am 4. November 1958 für die Truppenerprobung gegründete No 700Y Flight ausgiebig erprobt. Als Ausbildungseinheit fungierte die 766. Staffel. Die zweite Einsatzstaffel bildete die No 890 Squadron, die im Juli 1960 auf der HMS „Hermes“ ihre erste Einsatzfahrt mit der Sea Vixen durchführte.
Der Jäger löste damit die Sea Venom ab und verhalf der Fleet Air Arm zu einem wahren Leistungssprung. So war die Steigrate der Sea Vixen doppelt so hoch wie bei ihrem Vorgänger, auch die Reichweite und Dienstgipfelhöhe waren erheblich größer. Zudem stellte sie das erste als integriertes Waffensystem entwickelte Flugzeug und das erste einsatzfähige Muster mit reiner Flugkörperbewaffnung der britischen Marine dar.
De Havilland (später Hawker Siddeley) blieb derweil nicht untätig und arbeitete bereits an einer verbesserten Version, die unter anderem vergrößerte Leitwerksträger mit integrierten Treibstofftanks erhalten sollte. Zwei Maschinen (XN684 und XN685) dienten als Entwicklungsflugzeuge für den neuen FAW-2-Standard. Die erste von insgesamt 30 Serienmaschinen (XP919) startete am 8. März 1963. Diese Jäger baute man bis März 1966 in Chester, einschließlich einer letzten Bestellung über 15 Einheiten. Die 118 FAW 1 entstanden bis zur Schließung des Standorts 1962 in Christchurch. Zudem brachte de Havilland in Chester und der Royal Naval Aircraft Yard in Sydenham 65 FAW 1 auf den neuen Stand.
Mit der Truppenerprobung wurde die No 899 Squadron beauftragt, die zugleich auch die letzte Einheit mit dem Trägerflugzeug sein sollte. Am 26. Mai 1971 begann sie ihre letzte Einsatzfahrt auf der HMS „Eagle“, die bis zum 23. Januar 1972 dauerte. Zu diesem Zeitpunkt befand sich der Nachfolger in Form der McDonnell Douglas Phantom FG1 schon seit knapp drei Jahren in Dienst bei der 892. Staffel, und wenig später wurde die Trägerflotte der Royal Navy auf die „Ark Royal“ reduziert.
Im Laufe ihrer relativ kurzen Karriere flog die Sea Vixen in vielen Teilen der Welt, vornehmlich im Nahen und Fernen Osten sowie in Afrika. Der erste Einsatz fand im Januar 1964 statt, als die Briten das von Rebellen besetzte Daressalaam, Tansania, befreiten. Die Jets von der HMS „Centaur“ sorgten dabei für den Schutz der RAF-Transporter und standen für Bodenangriffe bereit, sie wurden jedoch nicht gebraucht. Erst im Juni 1964 absolvierten die Sea Vixen der 892. Staffel in der Nähe von Aden scharfe Einsätze zur Unterstützung von britischen Bodentruppen, die gegen den Quteibi-Stamm kämpften. Als Rhodesien im November 1965 seine Unabhängigkeit vom Vereinigten Königreich deklarierte, dienten Sea Vixen der 890. Squadron und der 899. Squadron von der „Ark Royal“ beziehungsweise der „Eagle“ aus zur Durchsetzung von Sanktionen. Die Maschinen sollten den Schiffsverkehr überwachen und so Öllieferungen an Rhodesien unterbinden.
Nach der Außerdienststellung im Jahr 1972 blieb die Sea Vixen jedoch weiter aktiv. Zur Unterstützung der Flotte betrieb das Fleet Requirements and Air Direction Unit (FRADU) bis Februar 1974 einige Exemplare des Musters. Auch das Unternehmen Flight Refuelling flog den Jet zu Testzwecken. Hierzu wurden zwei Sea Vixen zu Zielschleppern umgerüstet. Zu guter Letzt sollten 25 Einheiten zu Drohnen mit der Bezeichnung D Mk 3 umgerüstet werden. Es blieb aber bei nur drei Prototypen, die bis Anfang der 90er Jahre beim Royal Aircraft Establishment beim walisischen Ort Llanbedr flogen.
Technische Daten
de Havilland Sea Vixen FAW 2
Verwendung: trägergestützter Allwetterjäger
Besatzung: 2
Triebwerke: 2 Rolls-Royce Avon 208
Leistung: je 49,9 kN
Länge: 16,94 m
Höhe: 3,27 m
Spannweite: 15,24 m
Flügelfläche: 60,20 m²
Leermasse: 14 367 kg
maximale Startmasse: 20 702 kg
Höchstgeschwindigkeit: 1030 km/h
Reichweite: 3200 km
Dienstgipfelhöhe: 14 640 m
Bewaffnung: 4 Red-Top-Raketen und verschiedene Außenlasten
Klassiker der Luftfahrt Ausgabe 05/2010