Im März 1938 marschierten die Nationalsozialisten in Adolf Hitlers Heimat Österreich ein, das für die nächsten sieben Jahre als Ostmark Teil des Deutschen Reichs sein sollte. Kurz darauf trat der am 7. Dezember 1920 in Gmünd geborene Walter Nowotny in die bis zum "Anschluss" verbotene NSDAP ein. Bereits im Vorfeld war der 17-Jährige der ebenfalls noch illegalen Hitlerjugend beigetreten, wo er beachtliche sportliche Erfolge errang. Noch als Oberschüler meldete sich der technikbegeisterte Nowotny 1939 freiwillig zur Luftwaffe und trat nach dem Reichsarbeitsdienst und der Matura (Abitur) in der Tasche am 1. Oktober 1939 beim 2. Flieger-Ausbildungs-Regiment 62 in Quedlinburg den Dienst an. Fliegen lernte der Niederösterreicher in der Luftkriegsschule 5 in Breslau-Schöngarten, wo er in einem Heinkel-He-72-Doppeldecker auch seinen ersten Alleinflug absolvierte. Zwar wollte Walter am liebsten zu den Stuka-Fliegern, doch befand man ihn zum Jagdflieger geeignet. So durchlief Nowotny ab Juli 1940 die Ausbildung in der Jagdfliegerschule 5 in Wien-Schwechat und schloss den Lehrgang als einer der Jahrgangsbesten ab. Mitte November 1940 meldete sich Fähnrich Nowotny bei der I. Ergänzungs-Jagdgruppe Merseburg, die den Jagdschutz für die bei Halle gelegenen Leunawerke stellte. Zwei Wochen später wechselte er zur Ergänzungsstaffel (ab 1941 Ergänzungsgruppe) des Jagdgeschwader 54 "Grünherz", wo die jungen Jagdflieger auf den scharfen Einsatz an der Front vorbereitet wurden. Ab 23. Februar 1941 gehörte Nowotny der 9. Staffel des von Hannes Trautloft geführten JG 54 an, und am 25. März folgte die Versetzung zur Stabsstaffel der Ergänzungsgruppe des JG 54.

„Nowys“ Bf 109 G-2, „Schwarze 1“, WNr. 10360, am 11. August 1942 nach missglückter Landung.
Endlich am Feind
Am 22. Juni 1941 begann das "Unternehmen Barbarossa", der Feldzug gegen die Sowjetunion. Über der Ostseeinsel Ösel (Saaremaa) errang Leutnant Nowotny am 19. Juli 1941 während seines 24. Frontfluges im Gefecht mit Polikarpow-I-153-Doppeldecker-Jäger seine ersten beiden Luftsiege. Eine dritte I-153, gesteuert von Aleksandr Awdeyew, näherte sich Nowotny, der die Maschine hinter sich zunächst für seinen Rottenflieger hielt. Schon schlugen MG-Geschosse in seine Bf 109 E-7. Nowotny entzog sich dem I-153-Piloten, griff selbst an und verpasste dem Gegner schwere Treffer (Abschuss unbestätigt). Letztlich mussten beide Jagdflieger notlanden. Nowotny setzte seine "Weiße 2" nach Motorausfall aufs Wasser. Zwar kam er heil aus dem Jäger, doch folgten drei extrem kräftezehrende Tage im Schlauchboot, ehe ihn die See an die lettische Küste spülte. Die Hose, die er bei seinen ersten Luftsiegen anhatte, machte Nowotny, von Freunden auch "Nowy" genannt, nun zu seiner Einsatzhose, seiner "Abschusshose", die er angeblich bei jedem Einsatz trug – außer beim letzten. Mit 12 Siegen auf seinem Abschusskonto wechselte Nowotny am 11. März 1942 zur 3. Staffel des JG 54, wo er seine Erfolgsserie fortsetzte. So fielen ihm am 2. August sieben Gegner an einem Tag zum Opfer, die Luftsiege 48 bis 54: je drei I-16 und MiG 3 sowie eine LaGG 3. Am 11. August jagte "Nowy" trotz fast leerem Tank als Zeichen weiterer Luftsiege dreimal mit den Flächen wackelnd über den Platz, ehe der Sprit ausging. Bei der Landung überschlug sich seine Bf 109 G-2, "Schwarze 1", doch kam Nowotny mit leichten Verletzungen davon.

Walter Nowotny in seiner Fw 190 im Jahr 1943.
Weitere Erfolge an der Ostfront
Bei den Landsern, den Kameraden der Bodentruppen, erfreuten sich Nowotny und sein Flügelmann Max "Quax" Schnörrer, mit dem er schon in der Luftkriegsschule befreundet war, als "Max und Moritz" großer Beliebtheit, schafften sie den Landsern doch immer wieder unliebsame Feindflugzeuge vom Hals. Am 4. September 1942 erhielt Nowotny für 56 Luftsiege das begehrte Ritterkreuz zum Eisernen Kreuz samt Heimaturlaub in Wien, wo er auch seinen Bruder Hubert ein letztes Mal traf, bevor dieser in Stalingrad fiel. Am 25. Oktober stieg Leutnant Nowotny zum Staffelkapitän der 1./JG 54 auf. Im Februar 1943 verlegte die I. Gruppe des JG 54 (I./JG 54) zur Auffrischung nach Heiligenbeil in Ostpreußen und rüstete auf die robuste Focke-Wulf Fw 190 A um. Nowotny kam auch mit diesem Jäger ausgezeichnet zurecht und erzielte am 26. März 1943 seinen 79. Luftsieg, als er um 10 Uhr 25 eine Spitfire abschoss. Die deutschen Flieger bekamen es 1942/43 zusehends mit teils gleichwertigen und in mancher Hinsicht sogar überlegenen Jagdmaschinen wie der Lawotschkin La-5 oder der Jakowlew Jak-9 zu tun.

Staffelkapitän der 1./JG 54, Oberleutnant Nowotny, in seiner Fw 190 A-5 an der Ostfront im Sommer 1943.
Im pausenlosen Einsatz
Allein im Juni 1943 bezwang der "Tiger vom Wolchowstroj", wie Nowotny auch vom Gegner genannt wurde, 41 sowjetische Maschinen und überschritt während seines 344. Feindflugs am 15. Juni die 100er-Marke. 49 Luftsiege folgten im August, 45 im September 1943. Am 1. September holte das Ausnahmetalent in zwei Einsätzen innerhalb von 21 Minuten zehn Feindflugzeuge vom Himmel. Doch auch der komplette Schwarm Nowotny/Schnörrer und Döbele/Rademacher, auch bekannt als "Teufelskette" oder "Nowotny-Schwarm", zeigte sich mit über 500 Abschüssen innerhalb eines Jahres als extrem erfolgreich. Das JG 54 stand im nahezu pausenlosen Einsatz gegen die zunehmend übermächtigen Luftstreitkräfte der Roten Armee. Der Dauereinsatz setzte den jungen Fliegern heftig zu – der ständig präsente Tod und die Angst im Nacken führten bei Walter Nowotny zu Albträumen.
Von 10. August 1943 an befehligte der 22-jährige Oberleutnant Nowotny vertretungsweise die I./JG 54 und stieg Mitte September offiziell zum Gruppenkommandeur auf. Nachdem Nowotny am 4. September von Adolf Hitler persönlich für 189 Luftsiege das Eichenlaub zum Ritterkreuz erhalten sollte, der ungestüme Jagdflieger aber bereits fulminant nachgelegt hatte, überreichte Hitler dem Jagdexperten (Ass) am 22. September für 218 Abschüsse in der Wolfsschanze das Eichenlaub samt Schwertern. Nowotny war inzwischen der erfolgreichste deutsche Jagdflieger und gefeierter Nationalheld. Rundfunk und Presse berichteten schon geraume Zeit über den jungen Österreicher und auch im Wehrmachtsbericht fand Nowotny Erwähnung. Mit sechs Abschüssen am 14. Oktober 1943 durchbrach Nowotny als erster Jagdflieger die 250er-Marke. Lange zehn Minuten rang er mit einem sehr fähigen P-40-Piloten, seinem 250. Opfer. Und wieder stand ein Besuch beim Führer in der Wolfsschanze an, wo Hauptmann Nowotny am 19. Oktober als achter Soldat der Wehrmacht mit der bis dahin höchsten deutschen Tapferkeitsauszeichnung geehrt wurde, den Brillanten zum Ritterkreuz mit Eichenlaub und Schwertern.

Nowotny klettert aus seiner Kommandeursmaschine.
Feindflugverbot
Nach einem kurzen Urlaubsabstecher in Wien flog das Jagdfliegeridol erneut Einsätze. Um seinem treuen Flügelmann Schnörrer zu mehr Abschüssen zu verhelfen, ließ ihn Nowotny die Rotte führen und übernahm seine Deckung. Nachdem Max Schnörrer am 12. November 1943 in geringer Höhe aussteigen musste und sich schwer verletzte, sprang Unteroffizier Richter als Rottenflieger ein. Am 15. November schoss Hauptmann Nowotny eine Jak-9 ab, sein 255. und letzter Luftsieg an der Ostfront, und er erhielt anschließend Feindflugverbot. Man schickte den Fliegerhelden auf Propagandatour durch das inzwischen von britischen und amerikanischen Bombenangriffen gebeutelte Deutsche Reich. Nowotny wollte so bald wie möglich zurück an die Front, doch lehnte die Luftwaffenführung seine Gesuche ab und betraute ihn stattdessen ab Februar 1944 mit dem Kommando über das teils in Südfrankreich stationierte Jagdgeschwader 101, ehemals Jagdfliegerschule 1. Erst im September 1944 lenkte die Luftwaffenführung ein und übertrug Nowotny, inzwischen zum Major befördert, eine Aufgabe, die ihn vollends fordern und womöglich sogar überfordern sollte.

Im Januar 1944 sprach Nowotny während seiner Propagandareise vor der Belegschaft der Mercedes-Büromaschinenwerke in Zella-Mehlis.
Kommando Nowotny
Auf Befehl des Generals der Jagdflieger, Adolf Galland, entstand im September 1944 das Erprobungskommando Nowotny, auch Kommando Nowotny genannt, das von Achmer und Hesepe bei Osnabrück aus operierte. Ziel der Einheit war die praktische Jagdeinsatzerprobung des schnellen Düsenjägers Me 262. Das zweistrahlige Jagdflugzeug galt zwar als äußerst leistungsstark, litt jedoch unter zahlreichen Unzulänglichkeiten, die es galt, im praktischen Einsatz auszumerzen. Da sich die Kriegslage zusehends verschlechterte, erwies sich die Sache als äußerst schwierig und zeitraubend. Während eines Besuchs von Galland und Generaloberst Keller am 7. und 8. November 1944 in Achmer kam es zu Verstimmungen, wobei es auch um die Einsatzfreudigkeit und bisher enttäuschenden Erfolge des Kommandos ging. Als am 8. November ein Bomberverband angekündigt wurde, stiegen je zwei Me 262 in Achmer und Hesepe auf. Nachdem der Verlust von zwei 262 durchgegeben wurde, startete Nowotny, trotz Feindflugverbot, selbst und schoss einen viermotorigen Bomber und einen P-51-Begleitjäger ab. Danach meldete er per Funk Probleme mit einem Triebwerk. Als Nowotny seine Rückkehr ankündigte, befahl er der auf die Startfreigabe wartenden Platzschutzstaffel in ihren Fw 190 D, noch zu warten. Die Bodenstelle verfolgte die Geschehnisse im Sprechfunk, dem auch Galland gespannt lauschte. Nowotny flog nur mehr mit dem rechten Triebwerk, dann etwas verzerrt: "Ich brenne!" Als Galland ins Freie trat, hörte er den typischen Klang eines Strahlers. Kurz darauf stürzte eine 262 in steilem Winkel, leicht rollend durch die lichten Wolken und zerschellte unweit des Einsatzplatzes bei Epe, markiert von einer dicken Rauchsäule – es war Nowotny, von dem man laut Galland nur mehr seinen linken Arm und Teile seiner Brillanten fand. Offiziellen Angaben nach lag Nowotny in nächster Nähe der Absturzstelle tot mit halb geöffnetem Fallschirm.

Am 15. Oktober 1943 erreichte er als erster Jagdflieger überhaupt 250 Luftsiege.
258 bestätigte Luftsiege
Wahrscheinlich fiel Walter Nowotny zwei US-Jagdfliegern in ihren P-51 zum Opfer, die um 12 Uhr 45 im fraglichen Raum den Abschuss einer Me 262 angaben. Die Beisetzung des 24-jährigen Nationalhelden fand am 16. November 1944 im Rahmen einer ehrenvollen Zeremonie auf dem Wiener Zentralfriedhof statt. Zu Ehren des gefallenen Experten erhielt das JG 7, das bald ebenfalls die Me 262 flog, den Beinamen "Nowotny". Bereits an der Jagdfliegerschule hatte Nowotny davon erzählt, dass er einmal 281 Abschüsse erzielen und den Fliegertod sterben werde. Insgesamt errang Walter Novotny in 442 Fronteinsätzen 258 bestätigte Luftsiege, darunter zwei B-24 und eine P-51 der US Army Air Forces. Wenigstens 23 Abschüsse blieben unbestätigt. Adolf Galland sprach nach dem Krieg in höchsten Tönen von dem jungen Österreicher: "Nowotny war der beste Jagdflieger, den Deutschland je hatte! Obwohl er erst 24 Jahre alt war, brachte er eine besondere Eignung für höhere Kommandos mit. Ich glaube, er war in jeder Beziehung ein außergewöhnlicher Mann." Auf Initiative der Grünen verlor Nowotnys Ruhestätte 2003 den Ehrengrabstatus in Wien. Der nach dem Krieg an der Absturzstelle errichtete, grabähnlich geschmückte Gedenkstein für den gefallenen Luftwaffe-Helden wurde 2017 nach langer Debatte auf den Gedenkstein reduziert und mit neuzeitlich aufklärendem Text versehen.