Erster Lastenhubschrauber
Focke-Achgelis Fa 223

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Die Fw 61 war der erste echte Drehflügler aus deutscher Produktion und Henrich Fockes spektakulärer Einstieg als Helikopterkonstrukteur. Basierend auf dem Versuchshubschrauber Fw 61 produzierte Focke gemeinsam mit seinem Partner Gerd Achgelis den ersten Lastenhubschrauber der Welt: die Fa 223 Drache.

Focke-Achgelis Fa 223

Selbst Igor Sikorsky, der als der Urvater des modernen Helikopters gilt, hatte größte Hochachtung vor den technischen Pionierleistungen von Henrich Focke. Er habe, so sagte Sikorsky häufig in Interviews, erst die Grundlage für seine eigenen Entwicklungen geschaffen. In der Tat: Henrich Focke, geboren 1890 in Delmenhorst, gestorben 1979 in Bremen, war ein echter Vorreiter: Seine Firma Focke-Wulf hatte 1930 einen Lizenzvertrag zum Nachbau des Autogyros von de la Cierva erhalten. Dabei hatte Focke aber schnell erkannt, dass es bessere Lösungen für Drehflügler geben musste, denn Autogyros konnten nicht in der Luft stehen bleiben oder senkrecht starten und landen. Focke sah in ihnen lediglich „eine interessante Zwischenlösung“. Er befasste sich ausgiebig mit der Sicherheit des Drehflüglers, mit seiner Aerodynamik, mit statischer und dynamischer Stabilität, mit Schwingungen, Festigkeit und berechnete Rotorblätter. All seine umfangreichen Arbeiten mündeten schließlich 1932 in der legendären Fw 61.

Das Reichsluftfahrministerium erkannte den Nutzen des Drehflüglers schnell und wollte die Fw 61 in Serie produzieren lassen. Focke jedoch schlug den Bau eines größeren Lastenhubschraubers vor, mit einer Abflugmasse von 4300 kg und einer Nutzlast von 700 kg. Der Hubschrauber mit der Bezeichnung Fa 223 „Drache“ (der Beiname wurde nur selten verwendet) sollte sowohl für militärische Zwecke wie U-Boot-Bekämpfung, Aufklärung, Seenotrettung, Frachttransport und Schulung als auch im zivilen Luftverkehr als Zubringer bei der Deutschen Lufthansa zum Einsatz kommen. Als Sechssitzer mit Pilot und Bordwart sollte er auf eine Reisegeschwindigkeit von 190 km/h ausgelegt sein und die Bezeichnung Fa 266 „Hornisse“ erhalten. Der Krieg sorgte dafür, dass die zivile Produktion des Musters zurückgestellt wurde, und man sich bei der Entwicklung ausschließlich auf die militärische Nutzung konzentrierte, was allerdings technologisch erst einmal keinen Unterschied machte.

Inzwischen war Focke, der 1931 in Bremen zum Professor ernannt worden war, aus der Firma Focke-Wulf ausgeschieden (worden) und hatte 1937 gemeinsam mit dem Kunsflugpiloten Gerd Achgelis in Hoykenkamp (Ganderkesee) die Firma Focke-Achgelis gegründet. Hier konnte er sich nun intensiv dem Bau des Lastenhubschraubers widmen. Die umfangreichen Tests mit der Fw 61 zahlten sich zwar aus, und viele Erkenntnisse flossen in die Fa 223 ein, allerdings stellte sich auch heraus, dass es nicht ausreichte, die nur 950 kg leichte Fw 61 einfach zu vergrößern. Die neu entstandenen technischen Probleme musste Focke erst einmal ausgiebig überarbeiten.

Die Fa 223 basierte auf dem Versuchsträger Fw 61 mit zwei seitlichen Rotorauslegern aus Stahlrohr, die gegenläufig drehten und somit für den Ausgleich des Drehmoments sorgten. Die Blätter, jeweils drei pro Rotor, bestanden aus Holzrippen, die in einem flexiblen Stahlrohrrahmen lagerten. Aus Massivholz waren Vorder- und Hinterkanten gefertigt, die Bespannung war eine Mischung aus Sperrholz und Tuch. Der Neun-Zylinder-Motor Bramo 323 D2 (nach der Übernahme von BMW im Jahr 1939 hieß er BMW 301) leistete 735 kW/1000 PS und befand sich in der Rumpfmitte. Über eine Kupplung wurde seine Leistung auf das Hauptgetriebe übertragen, das seinerseits über lange Antriebswellen mit dem Untersetzungsgetriebe im jeweiligen Rotorkopf verbunden war. Die verglaste Kanzel war, um bessere Sicht nach unten zu gewährleisten, nach vorn geneigt. Der obere Bereich der Kanzel enthielt ein Sturzdach, eine Art Überrollbügel, das Sicherheit bei einem Überschlag gewährleisten sollte. Die seitlichen Kabinenfenster, das Bodenfenster sowie die rechtsseitige Einstiegs-Schiebetür waren abwerfbar. Auch der Pilotensitz war bereits bedingt crashresistent.

Die kollektive Blattverstellung wies zwei Hebelstellungen auf: eine für die Landung mit Motorkraft und eine für Autorotation. Beim Versagen der Kraftübertragung veränderte eine Automatik die Blattverstellung, die jedoch, einmal eingenommen, im Flug nicht mehr verstellt werden konnte. Da die Blätter einen festen Anstellwinkel hatten, musste der Pilot im Steigflug mehr Gas geben und besonders konzentriert sein bei geringen Geschwindigkeiten in Bodennähe.

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Tests 1940

Im August 1939 verließ der erste Prototyp die Werkshalle. Die offizielle Bezeichnung lautete Fa 223 V1, D-OCEB, Werknummer: 2230001. Mehr als 100 Stunden sollte der Hubschrauber „gefesselt“ am Boden geprüft werden. Dazu hatte BMW eigens einen Ingenieur zu Focke-Achgelis abgestellt. Richard Kurz beaufsichtigte von Oktober 1939 bis zum Herbst 1940 die Bodentestläufe. Hier musste Focke erkennen, dass alle Blätter mit nur wenig Gas in der höchsten Position rotierten. Er beschrieb, dass dies aussehe „wie zwei hochgeklappte Regenschirme“. Erhöhtes Gasgeben sorgte für einen erheblich höheren Anstellwinkel der Blätter, als die Zentrifugalkraft diese in ihrer Streckung beeinflussen konnte. Focke stellte fest, dass die Kardangelenke dieses Phänomen negativ beeinflussten. Sie wurden neu berechnet und umgebaut.

Nach insgesamt 50 Bodenstunden erfolgte der allererste Freiflug der Fa 223 V1. Am 8. März 1940 hob Testpilot Flugkapitän Carl Bode, der bereits die Fw 61 erprobt hatte, um 17.50 Uhr vom Boden ab. Die Sequenz dauerte nur wenige Minuten und Bode stellte eine zu hohe Empfindlichkeit in der Quersteuerung und weitere Störungen im Rotorsystem fest. Von seinen vielen Tests sind zahlreiche Originalprotokolle mit Kommentaren erhalten, die im Hubschraubermuseum in Bückeburg für die Nachwelt katalogisiert wurden.

Weitere Rotorschwingungen beschädigten Prototyp V1 bei folgenden Bodentestläufen so schwer, dass Teile des zweiten Prototypen (V2) als Ersatz herhalten mussten. Die Tests konnten im Juni 1940 weitergehen. Am 18. Juni flog Bode schließlich elf Minuten lang und erreichte dabei eine Höhe von 300 Metern. Bodes Testbericht: „Die Flugeigenschaften sind denen der Fw 61 sehr ähnlich. Die unangenehme dynamische Längsstabilität der Fw 61 trat nicht auf. Die Ruderwirkung wurde merklich abgeschwächt und ist in jedem Fall besser als in der Fw 61.“

Focke, der seinen hohen Sicherheitsansprüchen treu blieb, ließ den Hubschrauber zerlegen, prüfen und wieder zusammenbauen. In der Folgezeit fanden mehr als 16 Flugstunden in Lemwerder statt. Am 22. September 1940 hatte Bode eine Überraschung für Professor Focke: Für eine Flugminute war der Konstrukteur der erste Passagier an Bord der Fa 223, später folgte auch Richard Kurz.

Einen Höhenrekord erflog Carl Bode am 22. September 1940, als er auf 5200 m stieg; am selben Tag erfolgte auch die erste Autorotation.

Der erfahrene Testpilot tat sich schwer, als er bei der Lastenerprobung zum ersten Mal eine Panzerabwehrkanone als Außenlast transportieren musste. Er gab zu Protokoll, dass er es als schwierig empfand, den Abstand zwischen Waffe und Boden abzuschätzen. Als er die Kanone ausklinkte, befand sie sich noch drei Meter über dem Boden und wurde beim Aufprall stark beschädigt. Daraus ergab sich die Konsequenz, dass die Lastenkabel nicht länger als zehn Meter sein sollten, und man zur besseren Sicht Spiegel unter dem Rumpf anbringen wollte oder Funk zur Kommunikation nutzen wollte (Elemente, die bis heute beim Außenlasttransport noch Gültigkeit haben). Bis zur Musterzulassung der Fa 223 flog Bode mit Kurz als Fluggast 270 km von Lemwerder nach Rechlin in 2:45 Stunden (Durchschnittsgeschwindigkeit: 98 km/h). Am Tag der Musterzulassung, am 28. Oktober 1940, erreichte Bode mit Prototyp V3 (Werknummer 2230003) die neue Rekordhöhe von 7090 Metern und stieg in der Autorotation schnell ab. Dabei vereiste die Kanzel, Bodensicht war nur durch das Seitenfester gegeben. Dass ihm eine kurze Dreipunktlandung gelang, begründete Bode mit der guten Fahrwerksauslegung.

Nachdem einige Piloten in Rechlin erste fliegerische Erfahrungen auf der Fa 223 machen konnten, kehrte Bode nach Hoykenkamp zurück. Unterwegs gelang ihm mit 180 km/h ein Geschwindigkeitsrekord, der erst 1948 übertroffen wurde. Der Höhenrekord wurde 1955 von einer Alouette gebrochen, deren Ur-Konstruktion auf den Plänen von Henrich Focke basiert.

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Startverbot nach tödlichem Zwischenfall

Nach den euphorischen Rekorden, die aber wegen des Krieges außerhalb der Produktionsstätten kaum Beachtung fanden, wurde die Lastenerprobung fortgesetzt. Je schwerer die Lasten wurden, umso besorgter zeigte sich Testpilot Bode. Zudem wurde das Umschalten auf Autorotation bei zunehmender Geschwindigkeit kritischer. Die Skepsis war berechtigt: Am 5. Februar 1941 war Bode mit einem Begleiter auf 1500 m gestiegen, und hatte bei 150 km/h auf Autorotation geschaltet, als sich der Hubschrauber plötzlich schüttelte und der rechte Rotorausleger mit einem lauten Knall wegbrach. Bode konnte sich in 700 Metern nach Abwurf des Seitenfensters mit dem Fallschirm retten. Sein Begleiter hatte weniger Glück. Er wurde im Wrack nahe der Weser gefunden, seinen Gurt hatte er nicht öffnen können. Bei der Auswertung des Unfalls kam heraus, dass der Lastfaktor das Vierfache des berechneten Maximalwerts betragen hatte. Der Fa 223 wurde für ein Jahr Starverbot erteilt, danach wurden Verbesserungen, die Focke bereits früher berechnet hatte, verwirklicht. Die Fa 223 erhielt ein neues Cockpit, verstärkte Rotorköpfe und einen Dämpfungsmechanismus für das leichtere Umschalten auf Autorotation, ihre Bezeichnung wurde in Fa 223 E ergänzt.

Der Krieg bestimmte das weitere Geschehen. Der ursprüngliche Plan, fünf verschiedene Modelle zu bauen, wurde zugunsten eines einzigen Mehrzweckhubschraubers aufgegeben. Das Reichsluftfahrtministerium orderte im Herbst 1941 eine Vorserie, zuerst 30 dann 22 Maschinen; geplant war später eine Großserie von bis zu 400 Maschinen, allerdings illusorisch angesichts der Kriegslage. In der Nacht des 3./4. Juni 1942 wurden bei einem Bombenangriff auf das Werk in Hoykenkamp die Serienmaschinen V4 bis V10 zerstört, ebenso wie die aus Teilen der verunglückten V3 gebaute V2.

Focke-Achgelis verlegte die Produktion nach Laupheim, wo die Fa 223 in der Folgezeit im Gebirge erprobt wurde. Obwohl Hitler bei einer Flugvorführung bei Mittenwald von der Eignung der Fa 223 „für den Gebirgskrieg“ überzeugt war, fiel wenig später die politische Entscheidung gegen den Hubschrauber, der allerdings nicht komplett zugunsten der Jäger aufgegeben werden sollte. Der Krieg war inzwischen jedoch in eine entscheidende Phase getreten, in der Personal wie Material für die Produktion der Me 163 und der Me 262 dringender benötigt wurden. Nachdem auch Laupheim bombardiert worden war, musste das Werk nach Ochsenhausen ausgelagert werden. Die Focke-Achgelis GmbH wurde Teil der Weser Flugzeugwerke in Berlin-Tempelhof. Bis zum Kriegsende flogen insgesamt elf Fa 223, sie erreichten 400 Flugstunden.

Focke nahm seine Ideen und Erfahrungen nach dem Krieg mit nach Frankreich, wo er bei SNCASE in Paris beratender Ingenieur beim Nachbau der Fa 223 wurde. Sie erhielt in Frankreich die Bezeichnung S.E. 3000. Später war Focke auch an der Entwicklung der S.E. 3101 beteiligt, aus der schließlich die erfolgreiche Alouette entstand.

Der Hubschrauber mit zwei Rotorauslegern hat sich nicht durchgesetzt. Die Entwürfe von Sikorsky und Bell mit nur einem Hauptrotor und einem Heckrotor zum Drehmomentausgleich waren effizienter. Dennoch gelten Fockes Entwürfe, Entwicklungen und Erkenntnisse weltweit als Wegweiser für den Helikopterbau, so wie wir ihn heute kennen.

Technische Daten

Die Fa 223 (Kennung D-OECB) hob am 8. März 1944 zum ersten Mal ab, am Steuer: Flugkapitän Carl Bode. Foto und Copyright: Archiv Hubschraubermuseum Bückeburg

Focke-Achgelis Fa 223

Verwendung: Einmotoriger Lastenhubschrauber
Erstflug: 8. März 1940
Antrieb: Bramo 323 (BMW 301)
Leistung: 735 kW/1000 PS
Besatzung: 1/2 + 3
Rumpflänge: 12,25 m
Rumpfbreite: 1,65 m
Gesamthöhe: 4,36 m
Rotordurchmesser: 2 x 12 m
Leermasse: 3180 kg
max. Abflugmasse: 4300 kg
Zuladung: 1119 kg
max. Geschwindigkeit: 182 km/h
Reisegeschwindigkeit: 122 km/h
Steigrate: 4 m/s
Dienstgipfelhöhe: 2400 m
Reichweite: 300 km

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