Wohl kaum ein anderes Land nutzte und erforschte Zweimot-Jagdflugzeuge während des Zweiten Weltkriegs so intensiv wie das Kaiserreich Japan. Der Grund hierfür war anfangs noch die erhöhte Reichweite, die diese Muster gegenüber ihren einmotorigen Schwestern aufwiesen. Schnell wurde das Konzept so modifiziert, dass am Ende eine Konstruktion stand, die als Kampfflugzeug, Nachtjäger und letztendlich als schwerer Abfangjäger und Kamikaze eingesetzt werden konnte.
Die Entwicklung der Ki-45 begann Mitte der 1930er Jahre. Das Aufkommen von schweren Jägern in Europa war auch der japanischen Armee nicht verborgen geblieben, pflegte man doch enge Beziehungen zu deutschen Flugzeugbauern wie Heinkel und Junkers. Aber auch französische Modelle wie die Potez 630 wurden von der japanischen Flugzeugindus-trie genau beobachtet. Gemäß diesem Design sollten Jagdflugzeuge entwickelt werden, die über eine enorme Reichweite und schwerste Bewaffnung verfügten. So gab die japanische Armee 1937 einen relativ schwammig formulierten Auftrag an einige japanische Flugzeugbauer aus, in dem man eigentlich nur einen schweren zweimotorigen Jäger forderte.
Drei Flugzeugbauer sollten das Projekt verwirklichen
Die drei Flugzeugbauer, die das neue Projekt verwirklichen sollten, waren Nakajima, Kawasaki und Mitsubishi. Unter der Kennung Ki-37, Ki-38 und Ki-39 lieferten sie ihre Projekte ab. Nakajima und Mitsubishi forderten allerdings recht früh, aus dem Projekt entlassen zu werden, da sie wichtigere Aufträge zu bearbeiten hatten. Die Armee stimmte zu, und so blieb am Ende nur Kawasaki übrig, um den ersehnten schweren Jäger zu liefern. Unter Leitung von Isamu Imashi kamen die Arbeiten an der Ki-38 gut voran, und bereits im Oktober 1937 war das erste Mockup fertig. Aber anders als erwartet, stellte die Armee das Projekt zurück und wollte sich nun erneut Zeit nehmen, um über das Anforderungsprofil nachzudenken.
Zwei Monate später wurde Kawasaki angewiesen, unter der Bezeichnung Ki-45 ein schweres Jagdflugzeug auf Basis der Ki-38 zu entwickeln. Die Vorgaben waren wie folgt: eine Höchstgeschwindigkeit von 540 km/h auf 3500 Meter, 4 Stunden und 40 Minuten Flugzeit bei 350 km/h nebst 30 Minuten bei Einsatzleistung sowie zwei nach vorne feuernde Waffen und eine Abwehrwaffe im Heckstand. Als Motorisierung sollten zwei Nakajima-HA-20b-Neunzylinder-Sternmotoren dienen. Diese waren in Lizenz gebaute Bristol Mercury. Unter der Führung von Takeo Doi, einem der bekanntesten Flugzeugdesigner Japans, begann man umgehend mit den Arbeiten und entwickelte einen schlanken, zweimotorigen Doppelsitzer in Ganzmetallbauweise. Pilot und Heckschütze/Funker waren in Tandemanordnung in einem geschlossenen Cockpit untergebracht. Die Offensivbewaffnung bestand aus zwei 7,7-mm-Maschinengewehre Typ 89 in der Nase sowie einer 20-mm-MK Ho-3, die unten im seitlichen Bereich des Rumpfs verbaut wurde. Als Abwehrbewaffnung wurde eine MK Typ 89 im Heckstand verbaut. Das Fahrwerk war manuell einfahrbar.
Im Januar 1939 waren alle Arbeiten abgeschlossen, und der erste Prototyp trat zu seinem Jungfernflug an. Dieser war ein glatter Reinfall. Direkt nach dem Start gab es Pro-bleme mit dem Fahrwerk. Als dann auch noch die 820 PS starken Triebwerke viel zu wenig Leistung entwickelten und extreme Schwingungen das Flugzeug erschütterten, brach der Pilot den Testflug ab. Wieder am Boden, wurde der zweite Prototyp mit enger anliegenden Motorhauben sowie Spinnern ausgestattet. Der dritte Prototyp bekam einen Nabenhauben mit Tunnelnabe, wie er auch beim Prototyp der Focke-Wulf 190 zum Einsatz kam. Außerdem erhielt er nun ein elektrisches Einziehfahrwerk, welches die Fahrwerksproblematik prompt beseitigte.
Mit elektrischem Einziehfahrwerk sind die Probleme behoben
Trotz aller Änderungen erreichte die Ki-45 jedoch nur eine Höchstgeschwindigkeit von enttäuschenden 480 km/h, also rund 60 km/h weniger, als von der Armee gefordert. Bei Kawasaki sah man das Hauptproblem bei den Motorgondeln und wollte des Weiteren die beiden rechtsdrehenden Propeller durch gegenläufige ersetzen. Die Armee beschloss jedoch gegen Ende 1939, die Testflüge deutlich einzuschränken, und so blieben sechs weitere Prototypen in der Fertigung liegen. Das Projekt stand allem Anschein nach vor dem Aus. Erst im Mai 1940 wurden die Arbeiten wieder aufgenommen und Kawasaki wurde angewiesen, den siebten Prototyp mit dem 1000 PS starken Nakajima Ha-25 nachzurüsten. Der Ha-25 war ein luftgekühlter 14-Zylinder-Doppelsternmotor mit einstufigem Lader. Da der neue Motor deutlich kleiner war als sein Vorgänger, konnten aerodynamisch optimierte Motorhauben sowie kleinere Nabenhauben verbaut werden.
Im Juli 1940 trat dann die verbesserte Ki-45 Typ 1 zum Testflug an. Dieser verlief äußerst erfolgreich, konnte das neue Modell mit einer Höchstgeschwindigkeit von immerhin 520 km/h aufwarten. Um keine weitere Zeit zu verlieren, wurden sieben Maschinen gleicher Bauart fertiggestellt. Während die Armee die neue Konfiguration prüfte, tüftelte Takeo Doi daran, wie man die Leistung und das Handling noch weiter verbessern könnte. Auch das Thema Massenproduktion war ihm wichtig. Mit der Ki-45 Kai sollten unter anderem folgende Änderungen in das Projekt einfließen: ein deutlich schlankerer Rumpf mit geraden Linien und ein komplett überarbeitetes Leitwerk sowie ein neues Tragflächendesign. Neue Motorhauben, die etwas tiefer angebracht waren und noch schmaler ausfielen, sollten ebenfalls dazu beitragen, endlich die Geschwindigkeitsvorgaben der Armee zu erfüllen. Aber auch an die Kampfkraft der Toryu (dt.: Drachentöter) hatte Doi gedacht. So wurde mit der Ho-103 das Kaliber der beiden Front-MGs auf 12,7 mm vergrößert und das Teleskopvisier durch ein Reflexvisier ersetzt.
Die Armee war von den Änderungen begeistert, und so wurde Kawasaki im Oktober 1940 mit der Umsetzung beauftragt. Im Mai 1941 war die erste Ki-45 Kai fertiggestellt und überzeugte auch prompt bei den folgenden Testflügen. Insgesamt wurden drei Prototypen sowie zwölf Vorserienmaschinen ausgeliefert, bevor die Armee gegen Ende 1941 den neuen Jäger als Armee Typ 2, doppelsitziges Jagdflugzeug, Model A Toryu, oder kurz Ki-45 Kai Ia, in die Serienproduktion schickte.
Die erste Einheit, die mit Toryus ausgestattet wurde, war das 5. Sentai in Kashiwa in der Chiba-Präfektur; sie erhielten ihre Maschinen im August 1942.
Nur eine einzige Ki-45 hat bis heute überdauert
Das 21. Sentai auf Burma und das 16. Sentai in China waren die ersten, die mit der Ki-45 auf den Feind trafen. Schnell stellte sich he-raus, dass die Toryu als Jagdflugzeug recht ungeeignet war. Sie konnte schlicht nicht mit den wendigen einsitzigen Jagdflugzeugen des Gegners mithalten. Allerdings erkannte man sehr schnell, dass sie sich bestens im Kampf gegen Bodenziele bewährte. So waren US-amerikanische Patrouillen-Torpedo-Boote und andere Schiffsziele, aber auch die üblichen Bodenziele ihre bevorzugte Beute. Schwer bewaffnet und mit selbstdichtenden Treibstofftanks kam sie bei ihren Piloten äußerst gut an. Um die Toryu für diesen Zweck noch zu verbessern, wurde mit der Ki-45 Kai Ib eine deutlich schwerer bewaffnete Variante an die Front geliefert. Sie besaß nun eine 20-mm-Kanone in der Nasenspitze sowie eine 37-mm-Repetierkanone unten im Rumpf. Diese musste handgeladen werden, was ihr eine magere Kadenz von lediglich einem Schuss pro Minute einbrachte.
Dennoch war ein Treffer dieser Kanone für das Ziel oft verheerend. Es dauerte auch nicht lange, da erkannte man die nächste Einsatzmöglichkeit des „Drachentöters“, nämlich die Jagd auf eben solche Ziele – in Form von US-amerikanischen schweren Bombern vom Typ B-24 Liberator, B-17 Flying Fortress und später auch B-29 Superfortress. Kaum als Bomberjäger eingesetzt, stellten sich die Erfolge ein, und als die Bomber immer öfters nachts eingesetzt wurden, konnte die Ki-45 auch für diesen Zweck einfach umgerüstet werden. Mit verbesserter Motorleistung und verschiedensten Kalibern machte sie den Alliierten das Leben schwer. Als die ersten B-29 über Japan auftauchten, waren die Toryus die einzigen aktiven Nachtjäger der Armee. Und bereits die erste Mission gegen die Superfortress wurde als Erfolg verbucht, als die Piloten mindestens acht Abschüsse meldeten. Das einzige Manko war anfangs die Höhentauglichkeit der Ki-45, aber als die US-Amerikaner ihre Taktik änderten und nun tiefer flogen, konnten die Toryus immer wieder Erfolge verbuchen. Um die Maschinen immer weiter zu verbessern, plante man bereits die Version II. Diese sollte mit rund 1500 PS noch stärker motorisiert sein. Allerdings wurde das Projekt von der Armee nicht weiter verfolgt, da man nun einen einmotorigen schweren Jäger forderte, was letztendlich zum Design der Ki-96 führte.
Von den insgesamt 1701 produzierten Maschinen konnte nur eine die Zeit bis heute überdauern. Sie wurde nach dem Krieg in den USA testgeflogen, und ihre Rumpfsektion kann heute im Steven F. Udvar-Hazy Center besichtigt werden.
Klassiker der Luftfahrt Ausgabe 07/2017