Der zweite Japanisch-Chinesische Krieg begann im Jahr 1937 mit dem Zwischenfall an der Marco-Polo-Brücke. Aufgrund der geografischen Lage des Kaiserreichs und der weit gedehnten Fronten in China war es unerlässlich, dass die Luftaufklärung zuverlässig arbeitete. Um das zu erreichen, war bei der japanischen Armee der Be-darf an Langstreckenaufklärern seit jeher enorm groß. Pünktlich zum Ausbruch des Kriegs gegen die Chinesen stand mit der Mitsubishi Ki-15 zwar der passende Aufklärer zur Verfügung, dennoch wurde Mitsubishi im selben Jahr mit der Entwicklung eines Nachfolgers beauftragt.
Die Anforderungen an das neue Flugzeug waren ehrgeizig: Bei einer konstanten Geschwindigkeit von 400 km/h auf 4000 bis 6000 Metern musste der Aufklärer mindestens sechs Stunden in der Luft bleiben können. Die Top-Speed sollte bei 600 km/h in 4000 Metern Höhe liegen, was die Maschine, so die Hoffnung der Armee, immun gegen Abfangversuche machen würde. Als Abwehrbewaffnung war ein 7,7-mm- Maschinengewehr Typ89im Heckstand gedacht. Ein Entwicklerteam um Tomio Kubo, dem Chefdesigner für dieses Projekt, begann umgehend mit der Arbeit.
Es war klar, dass bei dem neuen Typ höchstes Augenmerk auf eine perfekte Aerodynamik gelegt werden musste. So entwickelte man eine äußerst schlanke Zweimot in Ganzmetallbauweise mit stoffbespannten Steuerflächen. Der Pilot und der Funker/Bordschütze saßen in Tandemanordnung durch den Treibstofftank getrennt in zwei separaten Kabinen.
Für den Antrieb griff man auf den ebenfalls von Mitsubishi gefertigten HA-26-I-Doppelsternmotor zurück. Dieser entwickelte eine Maximalleistung von 900 PS. Für die aerodynamische Verkleidung der Motoren hatte sich der Chefdesigner Hilfe bei der Universität von Tokio geholt. Die flugtechnische Abteilung dort designte für das Projekt enganliegende Motorverkleidungen, die den Luftwiderstand auf ein Minimum reduzierten. Aufgrund andauernder Windkanaltests kam das Projekt nur langsam voran. Ende November 1939 schließlichstartete der neue Aufklärer unter der Armeebezeichnung Ki-46 vom Flugfeld Kakamigahara, nördlich von Nagoya, zum Erstflug. Der Testpilot, Major Fujita, war mit den Flugeigenschaften sehr zufrieden. Die Ki-46 ließ sich gut steuern und machte keine Zicken. Die Ernüchterung folgte allerdings, als es an die Geschwindigkeitstests ging. Hier erreichte das Flugzeug „nur“ 540 km/h. Damit war die Ki-46 zwar langsamer als gefordert, aber immer noch deutlich schneller als der Standardjäger der Armee, die Nakajima Ki-43 Hayabusa. Auch das Gegenstück der Marine, die bekannte Zero, hatte der Geschwindigkeit der Ki-46 nichts entgegenzusetzen.
So wurde das neue Muster als Typ 100 Aufklärungsflugzeug Model 1 von der Armee akzeptiert und sollte vorerst in kleiner Stückzahl auch für weitere Tests gefertigt werden. Unterdessen setzte man bei Mitsubishi alles daran, die 600-km/h-Marke zu knacken. Dieses Vorhaben rückte dank der Motorenentwicklung bei Mitsubishi in greifbare Nähe. Man hatte dort den Ha-26-I mit einem zweistufigen Lader ausgestattet. Unter der Bezeichnung Ha-102 leistete dieser rund 1055 PS, was mehr als ausreichend war. Mit dem neuen Motor zur Hand beauftragte die Armee Mitsubishi, alle folgenden Maschinen als Ki-46-II mit dem neuen Antrieb auszustatten. Da aber die Motorenproduktion noch nicht richtig angelaufen war, konnte diese Vorgabe nicht direkt umgesetzt werden, und so wurden die Vorserienmodelle der Ki-46-I erst einmal zur intensiven Erprobung und zu Schulungszwecken an Armeeeinrichtungen abgegeben.
Mit neuen Mototren zur Höchstleistung





So beliebt die Maschine bei ihren Piloten war, so unbeliebt war sie beim Wartungspersonal. Das hatte vorher die Ki-15 gewartet, die technisch hinter der Ki-46 zurücklag. Ein großes Problem waren der Antrieb und das Fahrwerk, das schlicht zu schwach für die hohen Landegeschwindigkeiten war. Die meisten Mängel konnten aber bis März 1941 behoben werden, als die erste Ki-46-II fertiggestellt wurde. Sie erreichte auch dank des neuen Motors nun stattliche 604 km/h und lag damit etwas über den ursprünglichen Anforderungen.
Im Juli 1941 wurden die ersten Ki-46-II an die Chinafront geliefert, wo sie ihre Missionen, beinahe unerreichbar für die Gegner, ausführen konnten. Als der Krieg gegen die Alliierten begann, wurde der Aufklärer praktisch überall eingesetzt. Auch hier war er komplett immun gegen feindliche Abfangversuche.
Erst als die ersten Lockheed P-38 und Spit-fire V an die Front kamen, hatten die alliierten Piloten eine geringe Chance, die „Dinah“, wie der alliierte Codename für die Ki-46 lautete, erfolgreich zu bekämpfen. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Armeeführung Mitsubishi allerdings schon beauftragt, das Muster weiter zu verbessern. Man forderte nun eine Höchstgeschwindigkeit von 650 km/h bei einer Flugdauer von einer Stunde. Um diesen hohen Forderungen Rechnung zu tragen, musste das Tankvolumen erheblich gesteigert werden. Als Antrieb wählte man den neuen, 1500 PS starken Sternmotor HA-112-II. Die aber wohl größte Modifikation erfuhren die Nase und das Cockpit. Hier wurde ein Design entworfen, welches nicht nur sehr elegant aussah, sondern auch die Geschwindigkeit weiter steigerte. Um dem zusätzlichen Gewicht durch Motor und Treibstoff entgegenzuwirken, wurde die Abwehrbewaffnung gänzlich entfernt und das Fahrwerk noch einmal verstärkt. Die so modifizierten Maschinen erhielten die Bezeichnung Ki-46-III und wurden ab Dezember 1942 getestet. Zwar war die Ki-46-III mit ihren 630 km/h etwas langsamer als gefordert, dennoch wurde sie genau da eingesetzt, wo die Alliierten bereits die Lufthoheit errungen hatten.
Aufgrund ihrer hohen Geschwindigkeit auf Höhen zwischen 8000 und 10 000 Metern war es den Jägern praktisch nicht möglich, sie ohne Radarortung und das dann rechtzeitige Heranführen erfolgreich zu bekämpfen. Durch die hervorragende Arbeit der Ki-46 und ihrer Piloten war es den Japanern sogar möglich, mehrmals schwer verteidigte B-29-Flugplätze auf Saipan, der größten Insel der Nördlichen Marianen, zu bombardieren. Dazu flogen die „Dinahs“ Aufklärung und meldeten, wann die US-Bomber aufgetankt und voll beladen zum Abflug bereitstanden. Japanische Bomber vom Typ Ki-67 Hiryu flogen dann von Japan aus mit Zwischenstopp auf Iwo Jima nach Saipan und überraschten die Amerikaner, als sie im Morgengrauen im Tiefflug über den Platz donnerten und ihre Bomben auf die zum Start bereit stehenden B-29 warfen. Die Verluste bei den Amerikanern waren derart hoch, dass man in der Heimat nur geschönte oder gar keine Berichte dieser Angriffe veröffentlichte.
Aufgrund ihrer hohen Geschwindigkeit wollte man die Ki-46 auch als Abfangjäger gegen die Boeing B-29 Superfortress einsetzen. Dieses ehrgeizige Vorhaben war allerdings erfolglos, da die Steigleistung der Dinah viel zu gering war. Auch die Deutsche Luftwaffe versuchte, an eine Ki-46 zu kommen, was aber durch das Kriegsende verhindert wurde.
Um die „Dinah“ weiter konkurrenzfähig zu halten, wurden nochmals Änderungen am Antrieb veranlasst. Von der neuen Ki-46-IV, die den Höhepunkt der Entwicklung dieses Musters darstellte, wurden aber nur noch vier Prototypen gebaut. Einer dieser Prototypen bewies im Februar 1945, dass die „Dinah“ immer noch zu den schnellsten Flugzeugen des Zweiten Weltkriegs gehörte, als sie mit Rückenwind eine Höchstgeschwindigkeit von 700 km/h erreichte. Nach dem Krieg wurden einige Ki-46 von den Alliierten umlackiert, probegeflogen und dann verschrottet.
Von den 1742 gebauten Maschinen konnte die Zeit bis heute nur eine Mitsubishi Ki-46-III überdauern. Sie kann im Royal Air Force Museum im englischen Cosford besichtigt werden.
Technische Daten





Mitsubishi Ki-46 III
Hersteller: Mitsubishi
Verwendung: Aufklärung
Besatzung: zwei Mann in zwei separaten Cockpits
Triebwerk: zwei luftgekühlte Doppelsternmotoren vom Typ Mitsubishi Ha-112-II mit je 1100 kW (1500 PS
Spannweite: 14,70 m
Länge: 11 m
Höhe: 3,88 m
Flügelfläche: 32 m²
Leermasse: 3831 kg
Zuladung: 2669 kg
max. Startmasse: 6500 kg
max. Geschwindigkeit: 630 km/h
Dienstgipfelhöhe: 10500 m
Reichweite: 4000 km
Bewaffnung: keine
Klassiker der Luftfahrt Ausgabe 03/2017