Gerade Flügel, Pfeilflügel, Deltaflügel, Schwenkflügel … Im Laufe der Jahrzehnte fanden die Flugzeugkonstrukteure immer neue Tragflächenformen, um die Leistungsfähigkeit vor allem von militärischen Mustern zu steigern. So kamen in den 1960er Jahren zum Beispiel nach hinten schwenkbare Tragflächen in Mode. Sie sollten in der vorderen Position (auch mit Hilfe von umfangreichen Klappensystemen) kurze Start- und Landestrecken ermöglichen und dann mit einer Pfeilung von über 60 Grad (Tornado zum Beispiel 67 Grad) Geschwindigkeiten von Mach 2 und gute Tiefflugeigenschaften bieten. Ähnliche Vorteile sah der bei der NASA tätige Ingenieur Dr. Robert T. Jones auch für einen Schrägflügel. Bei dieser Konstruktion wird eine durchgehende Tragfläche komplett um die Hochachse gedreht, wobei eine Hälfte dann nach vorne weist und die andere nach hinten. Das Flugzeug wird also asymmetrisch – so, als ob ein vorwärts gepfeilter und ein rückwärts gepfeilter Flügel montiert wären.
Laut den in den 1940er und 1950er Jahren von Jones entwickelten Theorien bietet ein Schrägflügler im hohen Unterschall- und niedrigen Überschallbereich bis etwa Mach 1.4 besonders günstige Auftriebs-/Widerstandswerte. Außerdem sollte der zentrale Schwenkmechanismus konstruktiv einfacher und dank geringerer Biegemomente auch leichter sein als bei Schwenkflüglern. Darüber hinaus bleibt beim Schwenkvorgang der Auftriebsmittelpunkt an derselben Stelle. Allerdings gibt es bei Schrägflüglern auch Probleme wie starke Änderungen der Rollmomente bei verschiedenen Anstellwinkeln und ungewöhnliche Trägheitsmomentkopplungen. Außerdem kann die Verwindung des nach vorn gepfeilten Flügelteils kritisch werden. Auch ist die Antriebsintegration schwierig.
Von all dem ließ sich Jones aber nicht abschrecken und experimentierte im Windkanal und mit ferngesteuerten Flugmodellen. Immerhin schaffte er es damit im Oktober 1972 auf die Titelseite von „Popular Science“ („NASAs erstaunliches SST reduziert den Überschallknall“). Zu einem konkreten Testflugprogramm konnte sich die NASA aber erst Mitte der 1970er Jahre durchringen, und dann auch nur mit dem Einsatz relativ bescheidener Mittel.
Jones arbeitete zu der Zeit am Ames Research Center auf dem Moffet Field bei San Jose, während für Flugtests das Dryden Flight Research Center auf der Edwards AFB zuständig war. Entsprechend mussten beide Einrichtungen kooperieren. Nach einigen Diskussionen entschied man sich für ein einfaches und billiges Fluggerät, das in verkleinerter Form etwa dem Boeing-Entwurf 5-7 für ein Überschall-Passagierflugzeug entsprechen sollte.
Für die eigentliche Konstruktion nach diesen Vorgaben wurde auf informellem Weg Burt Rutan kontaktiert, der sich mit Eigenbauflugzeugen einen Namen als Experte für die Verwendung von Verbundwerkstoffen im Flugzeugbau gemacht hatte. Rutan lieferte für 560 Dollar eine Entwurfsstudie ab. Weitere knapp 10 000 Dollar flossen dann für einen ersten Detailentwurf.
Nun stellte sich allerdings das Problem, dass die Rutan Aircraft Factory zu klein war und keinen adäquaten finanziellen Hintergrund hatte, um einen offiziellen NASA-Auftrag zu erhalten. Rutan sprach daher mit Herb Iverson, dem Präsidenten der Ames Industrial Corporation, die Microturbo-Triebwerke in den USA vertrieb. Über diesen Umweg wurde dann 1976 der Bau der AD-1 (Ames-Dryden) beauftragt, und zwar zu einem Gesamtpreis von nur 246 230 Dollar!
Die AD-1 hebt im Dezember 1979 erstmals ab
Die AD-1 entstand ab November 1977 in Bohemia, New York. Die Zelle wurde dabei aus Hartschaumkernen geformt, die man je nach Belastung mit bis zu 17 Lagen Glasfasermatten belegte. Als Antrieb dienten zwei Microturbo TRS-18. Unterdessen führte die NASA in Ames diverse Windkanalversuche durch. Auch Simulationen der Steuereigenschaften wurden in Angriff genommen.
Nach der Fertigstellung der AD-1 wurde das Flugzeug am 11. März 1979 termingerecht mit einer C-130 der Air National Guard zur Edwards AFB verfrachtet. Dort führte die NASA erste Rollversuche mit niedriger Geschwindigkeit durch, installierte die Testinstrumentierung und machte Belastungstests. Auch Versuche zu den Flattereigenschaften fehlten nicht. Im Dezember war die AD-1 schließlich für den Erstflug bereit. Projekttestpilot Tom McMurtry hob am 21. Dezember 1979 während eines Hochgeschwindigkeits-Rollversuchs erstmals ab. Noch am selben Tag folgte der offizielle Erstflug, er dauerte rund 45 Minuten. Es wurden eine Höhe von 3050 Metern und eine Geschwindigkeit von 260 km/h erreicht.
Beim neunten Flug, im Januar 1980, wurde der Flügel erstmals auf 15 Grad Pfeilung gedreht. Dabei ging es vor allem um die Erkundung des Flugbereichs bis 277 km/h. Neben McMurtry war Fitzhugh Fulton als AD-1-Pilot tätig. Auch er berichtete von einer geringer werdenden Flatterdämpfung mit steigender Pfeilung. Die Pfeilung wurde schrittweise erhöht, zum Beispiel am 25. April 1980 auf 20 Grad. 45 Grad wurden am 28. Mai erstmals erprobt.
Danach gab es einige kleine Probleme mit Vibrationen, die man schließlich auf die Querruderanlenkung zurückführte. Auch ein Triebwerk musste gewechselt werden. So dauerte es doch bis zum 24. April 1981, bis die maximale Pfeilung von 60 Grad erreicht wurde. Alle für die geplante Datensammlung notwendigen Testpunkte waren dann bis September 1981 abgearbeitet. Um noch mehr unterschiedliche Piloteneindrücke zu den Eigenschaften der AD-1 zu erhalten, startete anschließend ein Gastflugprogramm, bei dem 15 Testpiloten der NASA, der USAF und des US Marine Corps die AD-1 fliegen durften. Den Abschluss bildete schließlich ein Auftritt auf dem großen EAA-Treffen in Oshkosh im Juli/August 1982.
Von Oshkosh aus ging es per Straßentransport weiter zum Langley Center der NASA in Virginia, wo man Windkanalversuche durchführen wollte. Nachdem eine Weiterverwendung der AD-1 mit einem neuen Diamantenflügel nicht realisiert wurde, stand sie zunächst in Ames. Heute ist sie als Leihgabe im Hiller Aviation Museum in San Carlos, Kalifornien, zu sehen.
Im Anschluss an die AD-1 wollte die NASA eine überschallschnelle F-8 Crusader mit einem Schrägflügel ausrüsten. Dafür gab es aber nicht genügend Mittel. So bleibt trotz mancher Studien, die auch Schrägflügel als Nurflügler untersucht haben, die AD-1 das einzige Flugzeug, das jemals diese Konfiguration praktisch erprobt hat.
Technische Daten
NASA AD-1
Hersteller: Ames Industrial, Bohemia, New York
Besatzung: 1
Triebwerk: 2 x TRS-18-046
Schub: 2 x 0,977 kN
Länge: 11,78 m
Höhe: 2,05 m
Spannweite: 9,84 m
Flügelfläche: 8,63 m2
Leermasse: 509 kg
max. Zuladung: 270 kg
Kraftstoff: 180 kg
max. Startmasse: 780 kg
max. Geschwindigkeit: ca. 320 km/h
Dienstgipfelhöhe: ca. 3600 m
Klassiker der Luftfahrt Ausgabe 07/2014