Freunde des Fieseler Storch
Erfüllung eines Traums

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Als Junge lag er oft auf den Wiesen des Altenrheins und sah den Fieseler Störchen am Himmel Zu. Heute, 60 Jahre später, besitzt sein Verein nicht nur einen Fieseler Storch.

Erfüllung eines Traums

Der Fieseler Storch ist für viele Luftfahrtenthusiasten der Inbegriff des Kurzstartflugzeugs. Die Startrollstrecke ist mit weniger als 50 Metern angegeben, die Landestrecke gerade einmal mit der Hälfte. Diese beiden Leistungsdaten und ihre guten Langsamflugeigenschaften machten die Fi 156 zu einem universell einsetzbaren Beobachtungsflugzeug. Die Mindestfluggeschwindigkeit lag bei unter 50 Kilometern pro Stunde. Bei starkem Gegenwind kann sie deshalb sogar in der Luft stehen oder scheinbar rückwärts­fliegen.

Das verdankt der Schulter­decker mit dem stelzenartigen Fahrgestell (daher der Name „Storch“) seinen starren Vorflügeln, die über die gesamten knapp 15 Meter Spannweite reichen, sowie den Schlitz-Querrudern und den großen Landeklappen. Diese Eigenschaf­ten machten den Fi 156 Storch, der erstmals am 10. Mai 1936 in Kassel mit Gerhard Fieseler am Steuer abhob, zum vermutlich besten STOL-Flugzeug des Zweiten Weltkriegs. Gebaut wurden die Verbindungs­flugzeuge nicht nur in Deutschland, sondern bis 1949 auch in der Tschechoslowakei und in Frankreich. Etwa ein Drittel der gut 2800 gebauten Schulterdecker entstand bei Mo­rane-Saulnier, die Produktion wurde bis 1962 fortgesetzt. Wurden während der deutschen Besatzung Fi 156 als Zwangslizenzen gebaut, mutierte nach Kriegsende der Storch zur „Grille“ (Criquet). 

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Französchie Nachkriegskonstruktionen

Vereinspräsident Reiner Vondruska erklärt die Vorzüge des Fieseler Storchs und seine Verbindung zu dem Kurzstarter. Foto und Copyright: Philipp Prinzing

Mehr als 70 Jahre nach Kriegsende sind die meisten fliegenden Fieseler-Konstruktionen heute deshalb streng genommen „Grillen“ aus französischer Nachkriegsproduktion. Einige Bauteile und -gruppen passten die Franzosen den neuen Bedürfnissen an. So flogen die Criquets mit Sternmotoren der Firmen Salmson oder Jacobs. Da sie auch in Indochina zum Einsatz kamen, wurden die leichteren Fieseler-Holz­tragflächen durch Flächen aus widerstandsfähigerem Aluminium ersetzt. Sie trotzten der hohen Luftfeuchtigkeit in Südostasien, während die Holzflügel in der Tropenluft häufig verfaulten.

Zurzeit werden im polnischen Krosno gleich sechs Langsamflieger wieder aufgebaut, darunter die historische A-97, ein Original-Storch der Schweizer Luftwaffe. Wie kommen die vielen „Grillen“ und „Störche“ ins Vorkarpatenland? Vermutlich ist dafür ein Zeitsprung nötig, zurück zum Ende der 1940er Jahre: Ein junger Schweizer wächst am Bodensee auf und genießt in den Sommermonaten die schöne Zeit rund um den See. Zu den Lieblingsplätzen Reiner Vondruskas gehören die grünen Wiesen am Flugplatz Altenrhein, von wo er den startenden und landenden Flugzeugen zusieht. Besonders angetan haben es ihm die „Störche“. Hochbeinig, mit grünem Rumpf und hellblauen Tragflächen mit den großen Schweizer Kreuzen, brausen sie über seinen Kopf hinweg und hinterlassen nicht nur den Geruch von Flugbenzin und Öl in Reiners Nase, sondern auch die Sehnsucht, selbst einmal mit dem Storch zu fliegen. Der Duft von Freiheit und Abenteuer verflog, die Schweizer Störche wurden ausgemustert. Doch die Erinnerung des Jungen blieb.

Über ein halbes Jahrhundert später wurde aus seinem Traum, den Fieseler Storch zu retten, Wirklichkeit. Aus dem Jungen war inzwischen ein erfolgreicher Unternehmer geworden. Im Ruhestand gründete er den Verein „Freunde des Fieseler Storch“. Dessen Zweck: Sammlung, Erhalt und Betrieb der Fi 156 und seiner Lizenzbauten. Der weltweite Bestand ist heute nicht mehr besonders groß. „Etwa 10 bis 20 echte Fieseler Störche gibt es noch“, schätzt Vondruska. „Die meisten verstauben in Museen, die wenigsten sind flugfähig.“

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Unschönes Ende

Der Fieseler Storch mit der alten Militärkennung A-99 ist die erste Maschine des Schweizer Vereins. Sie wird von einem Lycoming-Motor angetrieben. Foto und Copyright: Kaluza

Viele der Nachkriegsflugzeuge wurden vor allem in französischen Aeroclubs als Schleppmaschinen benutzt und fanden oft ein un­schönes Ende irgendwo in der letzten Ecke eines Hangars oder wurden gar verschrottet. Dennoch sind in Europa noch einige Exemplare des Langsamfliegers erhalten geblieben. Vereinspräsident Vondruska hat schon den einen und anderen ausfindig gemacht. Seinen ersten Storch, eine MS 506, fand er vor fünf Jahren in der Schweiz.

Die weitere Suche führte ihn von Frankreich bis nach Litauen. Überall sprach er mit alten Piloten, Sammlern und Vereinsmitgliedern. „Ja, ich habe mehrere Störche in meiner Sammlung“, eröffnete ihm ein Franzose. „Aber ich möchte mich nicht davon trennen.“ Die Verhandlungen waren zäh, doch am Ende hatte der Verein den längeren Atem, und so kam einer der ersten Vögel in den Besitz der Storchen-Freunde. Bei einem weiteren Abenteuer fand man einen arg gerupften Flieger in einem Schuppen in Litauen. Dieser Fund liegt heute noch zerlegt in den Hallen der Firma Aero-Kros in Polen.

„Mit Aero-Kros habe ich bei der Instandsetzung unseres ersten Flugzeugs, der ehemaligen A-99, sehr gute Erfahrungen gemacht“, sagt Vondruska. „Deshalb haben wir uns entschieden, unsere weiteren Flugzeuge auch in Polen restaurieren zu lassen.“ Der luftfahrttechnische Betrieb ist nach EASA Part 145 zertifiziert und spezialisiert auf Restaurierung, Über­holung und Reparatur alter Flugzeuge. Er kann auf fast 60 Jahre Erfahrung zu­rückblicken. Gegründet wurde der Vorgänger von Aero-Kros 1956 als regionale Reparatur- und Instandsetzungseinrichtung des Aeroclubs der Volksrepublik Polen. Heute ist das Unternehmen Mitglied des Branchen-Clusters „Aviation Valley“. Die Woiwodschaft ist bekannt für ihre hochentwickelte Luftfahrtindustrie. Unternehmen wie MTU oder Sikorsky haben rings um die Hauptstadt der Region Rzeszów im Südosten Polens Niederlassungen angesiedelt. Seit seiner Gründung hat der LTB über 550 Flugzeuge und 1750 Segelflugzeuge instandgesetzt oder überholt. Insgesamt arbeiten mehr als 40 Mitarbeiter in den verschiedenen Bereichen. Ein besonderes Augenmerk verdienen die Strukturbauer der Blechverarbeitung. Sie sind imstande, passgenaue Strukturteile nachzufertigen. „Heute bieten wir neben Reparatur und Instandsetzungsarbeiten auch Hilfe bei der Fertigstellung von Kit-Flugzeugen an“, sagt Paweł Zawisza, technischer Direktor bei Aero-Kros. Dank eines deutschen Auftraggebers hat Aero-Kros beim Zusammenbau von 450 Ultraleichten geholfen.

Den Storch wieder zum Fliegen bringen

Nur noch wenige Schritte sind nötig, bis dieser Fieseler Storch wieder Luft unter seine Flügel bekommt. Foto und Copyright: Philipp Prinzing

Die derzeit größte Aufgabe ist jedoch der Storch-Auftrag aus der Schweiz. „Gegenwärtig befinden sich sechs Fieseler Störche, Originale und Lizenzbauten, in unserer Werft“, erklärt Mateusz Rybarczyk, Geschäftsführer des Unternehmens. „Besonders freuen wir uns da­rüber, dass sie uns mit der Restaurierung ihres Flaggschiffes, der A-97, betraut haben.“ Seit vergangenem November befindet sich die Zelle des berühmten Flugzeugs in Krosno und soll im Sommer wieder abheben. „Wir über­holen das Flugzeug in Rekordzeit, so dass es rechtzeitig zum 70. Jubiläum im November fertig sein wird“, verspricht Rybarczyk. Bekannt wurde die A-97 durch die legendäre Bergungsaktion auf einem Gletscher im Berner Oberland.

Die Rettung, an der insgesamt annähernd 100 Retter beteiligt waren, gilt heute als Geburtsstunde der organisierten Luftrettung. Am 20. November 1946 war ein amerikanisches Militärflugzeug vom Typ C-53 Skytrooper auf einer Höhe von über 3000 Metern auf dem Gauligletscher südlich von Meiringen gelandet. „Über dem Piloten Ralph Tate Jr. und elf weiteren Insassen müssen gleich mehrere Schutzengel ihre Fittiche ausgebreitet haben“, sagt Roger Cornioley. Der Historiker ist Vorstandsmitglied des Historischen Vereins des Kantons Bern und hat das Ereignis in vielen Ver­öffent­lichungen detailliert geschildert. „Minutenlang war die Besatzung in Wolken, teilweise 300 Meter unterhalb der umgebenden Gipfel geflogen – freilich ohne es zu wissen –, als das Flugzeug mit einer Reisegeschwindigkeit von fast 300 Kilometern in der Stunde auf dem Gletscher auftraf und nach nur 80 Metern unsanft zum Stillstand kam.“

Das Wrack wurde erst drei Tage später gefunden. Alle zwölf Insassen verdanken ihr Leben dem Einsatz der Bergführer des Schweizer Alpen-Clubs SAC, den Soldaten der Schweizer Armee und zwei Piloten der Schweizer Luftwaffe. Major Pista Hitz und Hauptmann Viktor Hug flogen mit zwei Fieseler Storch, die mit Skiern ausgerüstet waren, von ihrer Basis Meiringen aus auf den Gauligletscher und retteten bei insgesamt acht Flügen alle gestrandeten Insassen. Der Verein ist heute im Besitz eines der beteiligten Originalflugzeuge und plant, damit die Rettung im November 2016 nachzustellen und abermals auf dem Gauligletscher zu landen. Aufbewahrt wurde das Originalflugzeug, die A-97, nach ihrer Außerdienststellung 1962 lange Zeit im Luzerner Verkehrshaus. Der Verein bekam sie 2015 als Leihgabe und lässt sie nun restaurieren. Neben diesem Exemplar befinden sich noch fünf weitere Störche zum Wiederaufbau in Krosno. 

Der Traum des Jungen ist also fast erfüllt. „Wir möchten die Störche für die Nachwelt erhalten und das technische Erbe der Konstrukteure bewahren“, sagt Reiner Vondruska mit einem Strahlen in den Augen. Sein Plan geht auf. Und wer weiß, vielleicht liegt er bald wieder im Gras auf einer Wiese und sieht „seinen“ Störchen beim Starten zu. 

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