Die japanische Regierung setzte bei der Beschaffung neuer Flugzeuge aufgrund mangelndem Know-how schon immer auf ausländische Hersteller. Lange Zeit galten europäische Unternehmen in Japan als marktführend, wenn es um moderne und leistungsfähige Flugzeuge ging. Besonders Deutschland betrieb nach dem Ersten Weltkrieg einen regen Handel mit der japanischen Flugzeugindustrie. Heinkel und Junkers profitierten am meisten von diesen Beziehungen. Wenn die japanische Marine beispielsweise einen neuen Aufklärer benötigte, kaufte sie entweder ein bereits auf dem Weltmarkt verfügbares Muster ein oder gab Heinkel und Co. einen Auftrag, ein den japanischen Vorgaben entsprechendes Flugzeug zu entwickeln. Ein japanischer Flugzeugbauer erhielt im Anschluss die Fertigungslizenz für das neue Muster, um es im Lande zu produzieren. Dieses Vorgehen sorgte zwar für stets moderne Flugzeuge, führte aber zwangsläufig zu einer starken Abhängigkeit von der ausländischen Rüstungsindustrie. Deshalb startete die Marine 1932 ein umfassendes Programm mit dem Ziel, von Importen unabhängig zu werden.
Die Marineführung forderte unter anderem ein neues Jagdflugzeug. Doch die strikten Vorgaben der Ausschreibung konnte kein heimischer Flugzeugbauer erfüllen, weshalb man erst einmal auf eine Zwischenlösung zurückgreifen musste. 1934 wagte man einen neuen Versuch: Die Eckdaten für das neue trägergestützte Jagdflugzeug waren unter anderem eine Höchstgeschwindigkeit von 350 km/h auf 3000 Metern Höhe, eine Steigleistung auf 5000 Meter in 6 Minuten und 30 Sekunden und eine Bewaffnung von zwei 7,7-mm-Maschinengewehren. Außerdem durften weder Länge noch Spannweite die 11-Meter-Marke überschreiten, da das Flugzeug sonst zu groß für die Aufzüge an Bord der japanischen Flugzeugträger gewesen wäre.
Anfangs dachte die Marine, dass dieses Projekt unmöglich zu realisieren sei. Besonders die Geschwindigkeitsanforderungen wirkten surreal. Wie sich herausstellte, unterschätzte man die Fähigkeiten der heimischen Industrie erheblich. Ein Designteam unter der Leitung von Jiro Horikoshi begann bei Mitsubishi umgehend mit der Arbeit am Projekt mit der Bezeichnung Ka-14. Die Mannschaft entwickelte einen schlanken Tiefdecker mit invertierten Knickflügeln in Ganzmetallbauweise. Das Fahrwerk war, wie für Flugzeuge dieser Zeit üblich, nicht einziehbar, und das Cockpit stand offen. Ein Sternmotor vom Typ Kotobuki 5 diente als Antrieb. Dieser erreichte eine Maximalleistung von 600 PS.
Die Arbeiten an dem Projekt kamen sehr gut voran, sodass bereits am 4. Februar 1935 der erste Prototyp des Jägers in die Lüfte steigen konnte. Es war schnell klar, dass alle Befürchtungen bezüglich der Geschwindigkeit unbegründet waren: Die Ka-14 war mit 450 km/h Höchstgeschwindigkeit ganze 100 km/h schneller, als von der Marine verlangt. Auch andere Flugeigenschaften entpuppten sich zum Großteil als positiv. Ein Kritikpunkt seitens der Testpiloten war, dass der neue Jäger beim Nicken leicht ins Schwimmen geriet. Um dieses und andere Probleme in den Griff zu bekommen, setzte das Konstrukteursteam beim zweiten Prototyp umfassende Verbesserungen um. Sie betrafen hauptsächlich die Tragflächen, die nun keine invertierten Knickflügel mehr waren. Man integrierte Spreizklappen, um die ebenfalls bemängelten Landeeigenschaften zu verbessern. Sogar die Motorleistung erfuhr noch einmal eine Steigerung um 115 PS auf nun 715 PS (533 kW).
Mit der A5M den Chinesen überlegen
Es entstanden vier weitere Prototypen der Ka-14 auf Basis des zweiten Versuchsflugzeuges. Man testete die neuen Exemplare mit einer Vielzahl an Motoren, um den optimalen Antrieb für die Serienmaschine zu finden. Am Ende fiel die Wahl auf den 630 PS starken Sternmotor des Typs 2 KAI 1 von Kotobuki. Kurz darauf schickte die Marine die Ka-14 als trägergestützten Jäger Typ 96 oder kurz A5M1 in die Serienproduktion.
Auch die Armee hatte mittlerweile von der herausragenden Leistung der A5M gehört und wollte ebenfalls in das Projekt einsteigen. Zu diesem Zweck modifizierte man unter der Armeekennung Ki-18 („Ki“ steht für „Kitai“, dt.: Flugzeug) eine A5M, die auf sämtliches Equipment, das für den Betrieb auf Flugzeugträgern nötig war, verzichten konnte. Die Motorisierung mit Kotobuki 5 war mit der des ersten Prototyps identisch. Mit dieser Ausstattung fanden ausgiebige Tests mit der Ki-18 statt. Sie flog dabei rund 45 km/h schneller als der gerade in Dienst gestellte Standardjäger der Armee.
Bei diesem handelte es sich um den Ki-10 I, einem Doppeldecker von Kawasaki, der „lediglich“ eine Höchstgeschwindigkeit von 400 km/h erreichte. Die Jagdpiloten der Armee waren zu dieser Zeit felsenfest davon überzeugt, dass Wendigkeit und nicht Geschwindigkeit das Maß aller Dinge war. Die Ki-10 konnte deswegen mit ihrem Doppeldeckerdesign punkten.
Dieser Umstand führte schließlich dazu, dass die Armee am Ende ein komplett neues Flugzeug forderte. Dieses sollte freilich so schnell wie die Ki-18 und so wendig wie die Ki-10 sein. Die Jagdpiloten der Marine waren hingegen sehr zufrieden mit ihrer A5M1, und im Frühjahr 1937 wurden die ersten Staffeln mit dem Jäger ausgestattet. Als im Juli 1937 der zweite Japanisch-Chinesische Krieg ausbrach, befand sich mit der A5M2a bereits eine verbesserte Version mit stärkerem Motor in der Fertigung. Die chinesischen Luftstreitkräfte fügten den Japanern gerade zu Beginn des Konfliktes noch große Verluste in der Luft zu, da erst sehr wenige A5M produziert worden waren. So lag es an den veralteten Jägern vom Typ A2N und A4N, die Hauptlast der Luftkämpfe zu bestreiten. Die chinesischen Piloten flogen die deutlich leistungsfähigere Polikarpow I-16 und konnten deshalb die Luftkämpfe oft für sich entscheiden.
Als jedoch das 12. und 13. Kokutai an die Front kamen, erkämpften sich die Japaner innerhalb kürzester Zeit die komplette Lufthoheit. Die Chinesen erlitten so starke Verluste, dass sie sich aus der Reichweite der japanischen Jäger zurückzogen. Als die Japaner das merkten, modifizierten sie die A5M2a mit einem Zusatztank. Die so ausgestatteten Jäger erhielten die Marinekennung A5M4 und waren die am häufigsten produzierte Variante der A5M. Dank der gesteigerten Reichweite waren die Japaner nun imstande, wieder vermehrt siegreich aus den Luftkämpfen mit den Chinesen hervorzugehen. Dazu kamen eine bessere Moral und Ausbildung, weshalb die Japaner meist die Oberhand behielten. Die Chinesen zogen sich erneut zurück, um keine vollständige Niederlage zu erleiden.
Auch die späteren Alliierten hatten natürlich von der A5M erfahren und gaben ihr den Codenamen „Claude“. Unterdessen war unter strikter Geheimhaltung die Entwicklung der A6M „Zero“ vorangegangen, die ihren Erstflug am 1. April 1939 absolvierte. Fälschlicherweise waren die Alliierten bei Kriegsbeginn davon ausgegangen, dass es sich beim Hauptmuster der japanischen Marinejäger noch immer um die A5M handelte. Der Angriff auf Pearl Harbor bewies indes das Gegenteil: Die A5M war zu diesem Zeitpunkt fast vollständig von der Front verschwunden. 103 Maschinen flogen ab 1940 als doppelsitzige Trainer mit der Marinekennung A5M4-K weiter.
Erst gegen Ende des Krieges kam die „Claude“ noch einmal zum Einsatz, als sich junge Piloten bei unzähligen Kamikazeeinsätzen mit diesem Jäger opferten. Leider konnte keine der knapp 1100 produzierten A5M die Zeit bis heute überdauern. Nur eine hat es geschafft und kann in zerlegtem Zustand unter Wasser besichtigt werden: Sie liegt zusammen mit einigen zerlegten Exemplaren ihres Nachfolgers, der A6M Zero, im Wrack der „Fujikawa Maru“, die im Chuuk-Atoll am 17. Februar 1944 versenkt wurde.
Technische Daten
Mitsubishi A5M4
Hersteller: Mitsubishi
Verwendung: trägergestütztes Jagdflugzeug
Besatzung: 1 Mann in offenem Cockpit
Triebwerk: 1 luftgekühlter Neunzylinder-Sternmotor vom Typ Nakajima Kotobuki 41 mit 585 kW (785 PS)
Spannweite: 11,00 m
Länge: 7,56 m
Höhe: 3,27 m
Flügelfläche: 17,8 m²
Leermasse: 1216 kg
Zuladung: 455 kg
max. Startmasse: 1671 kg
max. Geschwindigkeit: 434 km/h auf 3000 m
Dienstgipfelhöhe: 9800 m
Reichweite: 1200 km
Bewaffnung: zwei 7,7-mm-MGs Typ 89 in der Motorhaube
Klassiker der Luftfahrt Ausgabe 02/2017