Ryan X-13
Schon 1946 zeigte sich Claude T. Ryan an der Entwicklung eines Senkrechtstarters mit Jetantrieb interessiert, wie er zu jener Zeit von der US Navy untersucht wurde. Ben Salmon, einer der führenden Ingenieure des Unternehmens, machte sich mit einem kleinen Team an Konzeptstudien, wobei als Triebwerk rasch das Rolls-Royce Nene 8C ausgewählt wurde. Ein formaler Auftrag der amerikanischen Marine im April 1947 ermöglichte die Überprüfung diverser Antriebskonfigurationen, unter anderem mit Hilfsraketen und geteilten Schubdüsen.
Generell bevorzugte Ryan eine Auslegung mit einer schwenkbaren Schubdüse und kleinen, drehbaren Düsen an den Flügelenden, die mit Triebwerkszapfluft betrieben wurden. Diese Ausführung wurde ab 1948 mit neuen Geldern der Navy auf einem eigens errichteten Teststand in San Diego erprobt – diesmal unter Verwendung eines General-Electric-J33-Triebwerks. Das kardanisch aufgehängte Stahlrohrgestell mit dem Triebwerk und den Leitungen wurde monatelang erprobt, bis am 20. Oktober 1951 der erste um alle Achsen voll kontrollierte, aber noch gefesselte „Flug“ gelang. Der erste Freiflug, bei dem das Gestell nur noch durch Seile gesichert war, folgte am 31. Mai 1951.
Ausgehend von diesen Erfolgen schlug Ryan im September 1951 der Navy den Bau eines Versuchsträgers vor. Dort zeigte man sich sehr zurückhaltend, vielleicht, weil im Frühjahr bereits Aufträge für die Convair XFY-1 und Lockheed XFV-1 vergeben worden waren. Diese „Tailsitter“ hatten Turboproptriebwerke mit großen, gegenläufigen Propellern. Immerhin gab es schließlich etwas Geld für Windkanalversuche und Designstudien. Im Sommer 1953 war dann aber klar, dass die Navy kein Geld mehr für derartige Projekte hatte.
Auftrag von der US Air Force

Zum Glück hatte sich Ryan Aeronautical zwischenzeitlich auch an die US Air Force gewandt und ihr den Bau eines Versuchsträgers mit dem leistungsstarken Rolls-Royce Avon vorgeschlagen. Aus den Gesprächen resultierte im August 1953 zunächst ein Studienvertrag und im Juli 1954 schließlich ein Auftrag für den Bau und die Erprobung von zwei Ryan Model 69. Sie erhielten die offizielle Bezeichnung X-13.
Mit dieser Perspektive wurden die Versuche mit dem nun verkleideten und mit einem Pilotensitz versehenen Triebwerksgestell wieder aufgenommen. Es bekam eine neue bewegliche Schubdüse, die drehbaren Düsen wurden modifiziert und das Steuer- und Stabilisierungssystem optimiert. Testpilot Peter Girard gelang daraufhin am 24. November 1953 der erste voll kontrollierte freie Schwebeflug.
Bereits im Januar 1954 wurden in San Diego dann die ersten Teile für die Versuchsflugzeuge gebaut. Die finale Abnahme des Entwurfs erfolgte im Juni, und kurz darauf traf auch das erste Avon ein. Die X-13 präsentierte sich als sehr kleiner, kompakter Entwurf, gerade groß genug, um das Triebwerk aufzunehmen. Der Deltaflügel mit einer Vorderkantenpfeilung von 60 Grad entstand in einem Stück. Oben thronte ein recht voluminöses Seitenleitwerk. Auf ein Fahrwerk verzichtete man, denn die X-13 sollte sich wie eine Fledermaus an einer auf einem Anhänger montierten, aufstellbaren Wand einhaken. So war ein Einsatz überall von kleinen freien Flächen aus möglich. Nach der Fertigstellung fuhr man die X-13 im August 1955 von San Diego zur Edwards Air Force Base. Dort wurde ein Hilfsfahrwerk montiert, und „Pete“ Girard konnte am 10. Dezember 1955 den Erstflug in konventioneller Weise durchführen. Dabei traten bedenkliche Schwingungen auf, die man mit Roll- und Gierdämpfern aber in den Griff bekam.
Anschließend erhielt die X-13 am Heck ein Metallgestell mit kleinen Rädern, sodass Girard Senkrechtstart und Schwebeflüge üben konnte. Der erste Versuch am 28. Mai 1956 war mit einer Höhe von 15 Metern und einer Horizontalgeschwindigkeit von 50 km/h noch recht vorsichtig. Am selben Tag hob auch die zweite Maschine zu ihrem konventionellen Jungfernflug ab. Sie wurde im Laufe der Monate ebenfalls in die Schwebeflugtests eingebunden, bei denen sich die Flugzeuge versuchsweise in in etwa 15 Metern Höhe gespannte Seile einhakten.
Erfolgreiche Transitionen in Edwards AFB

Der erste Übergang vom Horizontal- in den Vertikalflug und zurück gelang am 28. November 1956. In 1830 Metern Höhe verringerte Girard die Geschwindigkeit und stellte die Nase langsam nach oben, bis die X-13 viele Sekunden lang nur noch auf ihrem Abgasstrahl stand. Dann kippte die Nase wieder nach unten, und das Flugzeug landete konventionell. Dies war die erste Transition dieser Art mit einem jetgetriebenen Fluggerät.
Eine volle Einsatzsequenz demonstrierte Ryan schließlich am 11. April 1957. Die X-13 hakte sich von ihrem Seil an der Anhängerwand aus, schwebte etwas zurück und stieg dann senkrecht hoch, um in den waagrechten Flug überzugehen. Nach einigen Manövern kehrte sie zur South Base in Edwards zurück und hakte sich wieder ein. Das Flugverhalten war dabei sehr stabil und die Maschine einfach zu steuern.
Den Erfolg wollte die Air Force möglichst spektakulär inszenieren, und so schaffte man die erste X-13 per Schiff nach Washington. Dort wurden im Juli 1957 während eines Flugtags auf der Andrews Air Force Base einige Vorführungen geflogen. Spektakulärer Höhepunkt war am Tag danach die Präsentation vor dem Osteingang des Pentagon. Danach geriet die X-13 aber wie die anderen Senkrechtstarter-Programme jener Zeit schnell wieder in Vergessenheit. Immerhin überlebten beide Versuchsmuster. Sie sind heute im Museum der US Air Force in Dayton und im Gillespie Field Annex des San Diego Air and Space Museum zu sehen.
Technische Daten





Ryan X-13
Hersteller: Ryan Aeronautical Company San Diego, USA
Besatzung: 1
Antrieb: 1 x Rolls-Royce Avon RA.28-49
maximaler Schub: 44,44 kN für 10 min
Dauerleistung: 38,44 kN
Länge: 7,43 m
Höhe: 4,74 m mit normalem Fahrwerk
Spannweite: 6,40 m
Flügelfläche: 17,74 m2
Leermasse: 2420 kg
Kraftstoff: 1025 l
max. Startmasse: 3320 kg
max. Fluggeschwindigkeit: 777 km/h
Reichweite: ca. 310 km
Dienstgipfelhöhe: 9150 m
FLUG REVUE Ausgabe 10/2016