Im Spätsommer 1944 wurde die militärische Lage für Deutschland zunehmend verzweifelt. Während im Westen die Alliierten nach der Landung in der Normandie immer weiter vorrückten, gewann im Osten die Rote Armee an Boden. Hinzu kamen die ständigen Bombenangriffe, die die Rüstungsproduktion lähmten. Wegen Rohstoffknappheit konnten nur kleine Stückzahlen des zweistrahligen Jägers Messerschmitt Me 262 gefertigt werden. Zudem war die Kraftstoffversorgung ein großes Problem.
Im Rüstungsministerium propagierte daher Karl-Otto Saur, seit April 1944 Leiter des Jägerstabs, einen "Volksjäger". Es sollte versucht werden, die Me 262 durch ein einstrahliges Baumuster zu ersetzen, ohne dabei schlechtere Flugleistungen und -eigenschaften in Kauf nehmen zu müssen. Die Fertigung sollte mit ungelernten Kräften möglich sein und nur verfügbare Materialien in Anspruch nehmen.
Die Vorgabe: schneller Jet in Großserie
Am 8. September 1944 forderte das Technische Amt des RLM (Reichsluftfahrtministerium) sieben deutsche Hersteller (Arado, Blohm & Voss, Fieseler, Focke-Wulf, Heinkel, Junkers und Messerschmitt) auf, entsprechende Entwürfe einzureichen. Die "Volksjäger"-Ausschreibung beinhaltete neben der Forderung nach einer Höchstgeschwindigkeit von über 750 km/h auch kurze Startstrecken sowie eine Flugdauer von mindestens 20 Minuten in Bodennähe. Außerdem müsse das ganze Flugzeug ein "Verbrauchsgerät" sein und ab 1. Januar 1945 in Großserie gebaut werden können, hieß es.

Die erste He 162 hatte noch gerade Flügelspitzen.
Konstruktion in Wien
Bei der Ernst Heinkel AG (EHAG) in Wien begann man unmittelbar nach der Bekanntgabe der geforderten Leistungsdaten mit dem Bau einer Konstruktionsattrappe. Wegen des Zeitdrucks griff man auf die Arbeiten am ursprünglich zweistrahligen Projekt P1073 zurück, die Dipl.-Ing. Siegfried Günter, der Chef des Wiener Entwurfsbüros, bereits seit Mai 1944 durchgeführt hatte. Für die Detailkonstruktion zeichnete Karl Schwärzler verantwortlich, einer der langjährigsten und erfahrensten Mitarbeiter Ernst Heinkels.
Der P1073-Entwurf wurde wie gefordert am 14. September dem RLM präsentiert, das am Tag darauf die einzelnen Angebote prüfte. Dabei gab es erhebliche Meinungsverschiedenheiten, die auch auf einer Sitzung am 17. September nicht ausgeräumt werden konnten. Technisch gesehen war der Blohm & Voss-Entwurf P211 offenbar der beste. Am 23. September, also nur zwei Wochen nach der Ausschreibung des "Volksjägers" fand die erste Attrappenbesichtigung der P1073 statt, zu der Generalstabsingenieur Roluf Lucht mit zahlreichen Offizieren und Ingenieuren in Wien-Schwechat erschien. Am selben Tag wurden bei Gesprächen in Görings Hauptquartier im ostpreußischen Rastenburg wohl die Weichen zugunsten Heinkels gestellt.
Heinkel setzt sich durch
Bei einer weiteren Konferenz im RLM am 30. September jedenfalls erhielt die P1073 trotz anhaltender Proteste einiger Kommissionsmitglieder den Zuschlag. Heinkel wurde angewiesen, die Entwicklung durchzuführen und parallel mit der Vorbereitung zur Großserienfertigung mit einem Ausstoß von 1000 Flugzeugen pro Monat zu beginnen. Diese Stückzahl sollte im Laufe des Jahres 1945 auf 2000 gesteigert werden.

Die Heinkel-Ingenieure nutzten im großen Stil Holz als besser verfügbaren Rohstoff.
Einfache Technik, Alu und Holz
Entsprechend den Vorgaben der "Volksjäger"-Ausschreibung war die He 162 sehr einfach aufgebaut. Der Rumpf war eine Halbschalen-Konstruktion aus Aluminium. Vor dem ersten Spant befand sich eine Nase aus Sperrholz. Im Cockpit saß der Pilot auf einem mit Sprengkartuschen operierenden Schleudersitz. Direkt dahinter befand sich der Haupttank (695 Liter). Die beiden MGs waren in den Rumpfseiten installiert. Bug- und Hauptfahrwerk wurden hydraulisch eingezogen. Der einteilige Flügel der He 162 war bis auf die nach unten geknickten Randkappen ("Lippisch-Ohren") ganz aus Holz hergestellt. Haupt- und Hilfsholm waren T-förmig konstruiert. Die Beplankung wies eine Dicke von vier bis fünf Millimetern auf. Landeklappen ließen sich hydraulisch auf 45 Grad ausfahren. Sie waren wie Querruder, Höhenleitwerk, Höhenruder und Seitenruder aus Aluminium gefertigt, die beiden Seitenleitwerke dagegen aus Holz.
Das Triebwerk BMW 003 wurde mit drei Bolzen am Rumpf befestigt. Es war durch zwei seitlich aufklappbare Verkleidungen zugänglich. Als Anlasser diente ein Riedel-Zweitaktmotor. Die Ausstattung der He 162 wurde auf ein Minimum beschränkt, mit Funkgerät, Visier und sehr einfacher Cockpitinstrumentierung.
Tödlicher Absturz
Durch Tag- und Nachtschichten gelang es, die He 162 M1 (Werk-Nr. 200001) schon am 6. Dezember und damit einige Tage vor dem Zieltermin aus der Montagehalle zu rollen. Noch am selben Tag startete Flugkapitän Gotthold Peter in Schwechat/Heidfeld zum Jungfernflug.Er dauerte etwa 20 Minuten und verlief einigermaßen zufriedenstellend. Allerdings hatte eine der Hauptfahrwerksklappen wegen Strukturmängeln versagt und riss größtenteils ab.Obwohl die Ingenieure das Problem zunächst genauer untersuchen wollten, fand am 10. Dezember ein offizieller Vorführflug der He 162 M1 statt. Bei einem Überflug mit vollem Schub wurde die schlecht verleimte rechte Flügelnase überlastet und löste sich ab. Danach fielen das Querruder und die Randkappe ab, sodass die Maschine nach mehreren schnellen Rollen außer Kontrolle geriet und außerhalb des Platzes aufschlug. Flugkapitän Peter wurde getötet.
Die Entwicklung ging jedoch weiter, Verzögerungen im Gesamtprogramm konnte man sich nicht leisten. Am 22. Dezember startete die He 162 M2 (Werk-Nr. 200002) unter der Führung von Dipl.-Ing. Carl Francke, dem damaligen Technischen Direktor des Wiener Heinkel-Werkes, zu ihrem Erstflug.
Die He 162 M3 erfuhr in der Zwischenzeit einige notwendige Änderungen, zu denen neben einer Abwinklung der Flügelrandkappen nach unten auch eine geringfügige Vergrößerung der Seitenleitwerke gehörte. Damit sollte das nervöse Flugverhalten verbessert werden. Ferner war in der Rumpfspitze oberhalb des Bugfahrwerks die Mitnahme von Ballast möglich, um den Schwerpunkt etwas nach vorn verlagern zu können. Der Erstflug erfolgte am 16. Januar 1945, zwei Tage nachdem in Rostock die erste He 162 (noch mit nicht verstärkten Flügeln) abgehoben hatte.

Die Fertigung des „Volksjägers“ erfolgte zum Teil mit Zwangsarbeitern in Bergwerken.
Schwierige Produktion
Als He 162 A-1 galt die M5 (Werk-Nr. 200005), die als Bruchzelle für statische Versuche diente und nicht flog. Die He 162 A-2 (M6, Werk-Nr. 200006) flog am 23. Januar 1945 zum ersten Mal. Mit ihr führte man im Rahmen der Flugeigenschaftserprobung Versuche zur Optimierung der Ruderkräfte durch. Sie war als letzte He 162 mit zwei MK 108 bewaffnet und ging bei ihrem elften Flug am 4. Februar 1945 durch Absturz verloren. Zu diesem Zeitpunkt hatte es gerade einmal 29 Flüge mit der He 162 in Wien gegeben.
Ausgangsmuster für die Baureihe A-1 war die unbewaffnete He 162 M7 (Werk-Nr. 200007). Sie wurde in erster Linie für Flatterversuche verwendet und war mit einem Sicherheits-Bremsschirm ausgestattet. Als Alternative zur MK 108 waren zwei 20-mm-Kanonen des leichteren Typs MG 151/20 vorgesehen. Die M8 (Werk-Nr. 200008) erhielt als erste He 162 zwei dieser Kanonen.
Wegen der Kriegssituation begann die Fertigung der He 162 parallel zur Flugerprobung. Für die Endmontage waren die Werke Heinkel-Nord in Rostock-Marienehe, Heinkel-Süd in Hinterbrühl bei Wien und Junkers in Bernburg sowie die Mittelwerke in Nordhausen vorgesehen. Mehrere der ersten Serienmaschinen wurden für die verschiedensten Versuchszwecke herangezogen. Die Tests erfolgten bei den in Marienehe gefertigten He 162 in Ludwigslust, Parchim und Rechlin, während die in Hinterbrühl produzierten Maschinen auf Flugplätzen im Großraum Wien erprobt wurden.
In den letzten Zügen
Als erstes Flugzeug der Baureihe A-2 galt die He 162 M18 (Werk-Nr. 220001). Sie hob am 24. Januar 1945 zum ersten Malab. Für Trainingszwecke war auch eine doppelsitzige Version der He 162 vorgesehen, deren Rumpf wegen des zweiten Sitzes verlängert werden musste. Als unbewaffneten Prototyp für diesen als He 162 A-3 bezeichneten Strahltrainer baute man die M16 und M17 (Werk-Nr. 220019 und 220020) entsprechend um. Dessen Serienfertigung sollte im Heinkel-Werk in Bad Gandersheim/Harz erfolgen.Zusätzlich arbeitete man noch an einer ein- und zweisitzigen Seglerversion mit der Bezeichnung He 162 S, die vom NSFK (Nationalsozialistischen Fliegerkorps) in Dresden gebaut werden sollte. Sie verfügte über ein vergrößertes Tragwerk sowie ein nicht einziehbares Fahrwerk. Für die Anfangsschulung sollte sie per Winde gestartet werden.
Entgegen den hochfliegenden Plänen kam die Produktion der He 162 in den ersten Monaten des Jahres 1945 nur langsam auf Touren. Die Qualität der Zulieferteile verschiedenster Holzbaufirmen ließ zu wünschen übrig. Auch der Transport von Baugruppen wurde angesichts der ständigen Tieffliegerangriffe der Alliierten immer schwieriger. So wusste die Luftwaffe nie, wann sie wie viele Flugzeuge erwarten konnte, und tat sich bei einer geordneten Truppeneinführung schwer. Zunächst wurden einige Piloten in Wien bei Heinkel ausgebildet.

Nur sieben der rund 170 gebauten He 162 existieren noch. Die "Weiße 23" etwa steht heute im National Air and Space Museum in Washington D.C.
Einsatz ohne Feindberührung
In Lechfeld gab es schließlich ab Anfang April ein "Erprobungskommando He 162", während im Norden mit der Ausrüstung der I. Gruppe des Jagdgeschwaders 1 begonnen wurde. Auf dem Flugplatz Parchim in Mecklenburg, etwa 70 Kilometer südlich von Rostock, und später in Ludwigslust erfolgte unter Anleitung von Heinkel-Werkpiloten die Einweisung der einzelnen Piloten auf die He 162. Mittlerweile hatte in Warnemünde auch die II./JG 1 auf den Jäger umgerüstet. Ihr Kommandeur, Hauptmann Dehne, kam am 24. April 1945 bei einem Werkstattflug mit seiner Maschine durch Absturz ums Leben. Angesichts der vorrückenden russischenTruppen wurden alle verfügbaren He 162 von Ende März bis Mitte April in Leck nahe der dänischen Grenze zusammengezogen. Von dort aus gab es auch einige Einsatzflüge, bei denen die He 162 allerdings keine gegnerischen Maschinen abschießen konnten. Als britische Truppen am 8. Mai 1945 den Flugplatz Leck besetzten, fanden sie rund 20 unbeschädigte Maschinen in Paradeaufstellung vor.
Geringe Stückzahl
Trotz aller Anstrengungen wurden vom "Volksjäger" bis Kriegsende vermutlich nur etwa 170 Maschinen fertiggestellt. Davon wurden 116 offiziell von der Luftwaffe abgenommen. Die Alliierten übernahmen mehrere He 162 und unterzogen sie in den jeweiligen Testzentren einer gründlichen Nacherprobung. Die Flugleistungen und -eigenschaften wurden von den Piloten durchaus positiv beurteilt, auch wenn es einige kritische Punkte gab wie die lange Startstrecke und gefährliches Verhalten bei Kurven mit niedrigen Geschwindigkeiten. Sieben Maschinen haben bis heute überlebt. Sie sind in Museen in Deutschland, Kanada, den USA, Großbritannien und Frankreich zu bewundern.
Technische Daten Heinkel He 162 A-2
Bauzeit: 1944 bis 1945
Stückzahl: ca. 170
Herstellungsland: Deutschland
Verwendung: Jagdflugzeug
Besatzung: 1
Triebwerk: 1 x BMW 003E-1
Schub: 1 x 8,09 kN
Spannweite: 7,20 m
Länge: 9,25 m ohne Staurohr
Höhe: 2,60 m
Flügelfläche: 11,16 m2
Rüstmasse: 1758 kg
Startmasse: 2805 kg
Höchstgeschwindigkeit: 838 km/h in 6000 m Höhe
Steiggeschwindigkeit: 21,5 m/s in Bodennähe
Startstrecke: 980 m bis 15 m Höhe
Landestrecke: 950 m aus 15 m Höhe
max. Flugdauer: 83 min
Reichweite: 975 km
Dienstgipfelhöhe: 11700 m
Bewaffnung: 2 MG 151/20 mit je 120 Schuss