Junkers Ju 252: Der unglückliche Erbe der Tante Ju

Junkers Ju 252
Der unglückliche Erbe der Tante Ju

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Veröffentlicht am 14.06.2025

Seit 1932 befand sich die Junkers Ju 52/3m als zivile Fracht- und Passagiermaschine erfolgreich im Einsatz. Ab 1933 nutzte auch die zunächst noch geheim operierende Luftwaffe das robuste Flugzeug als Transporter und bis 1937 sogar als Behelfsbomber, ehe moderne Muster die Bomberrolle übernahmen. Die Ju 52 flog weiterhin als militärisches Mehrzweckflugzeug und galt als besonders sicher und zuverlässig. Hinsichtlich Flugleistungen und Ladekapazität lag die Dreimot inzwischen jedoch gegenüber modernen Konstruktionen deutlich zurück. 1936 zeigte Douglas mit der fortschrittlichen, zweimotorigen DC-3, wohin die Reise ging. Es war daher geboten, sich an eine zeitgemäße Nachfolgerin für die betagte "Tante Ju", wie die Ju 52 auch genannt wurde, zu machen. Denn im Grunde handelte es sich bei der Ju 52 um eine Konstruktion aus den 1920er-Jahren, die ihren zivilen Ursprung in der F 13 von 1919 hatte.

Junkers Ju 252  V1 mit ziviler Kennung
Sammlung Ringlstetter

Entwicklung der Nachfolge

Bei Junkers entstanden 1936 erste Projektstudien für ein adäquates Nachfolgemodell der Ju 52. Noch 1938 legten die Junkers Flugzeug- und Motorenwerke (JFM) dem Reichsluftfahrtministerium (RLM) und der Lufthansa das für die Mittelstrecke und 21 Passagiere (Ju 52: 17) konzipierte Entwicklungsflugzeug 77 (EF 77) vor. Genau wie die Ju 52/3m sollte das Flugzeug für militärische und zivile Zwecke nutzbar sein sowie drei BMW-132-Sternmotoren als Antrieb erhalten. Anders als die kantige Ju 52 wies der in moderner Glattblechbauweise geplante EF-77-Rumpf einen kreisrunden Querschnitt auf und die Tragflächen ein gleichbleibendes Profil. Doch der Entwurf stieß weder bei der Lufthansa noch im RLM auf Zustimmung, woraufhin die JFM gemäß den neuen Forderungen im Frühjahr 1939 einen völlig überarbeiteten, stark vergrößerten Entwurf vorlegten.

Nach dem Bauauftrag über drei Versuchsflugzeuge des inzwischen Ju 252 genannten Typs führten weitere Forderungen seitens des RLM 1940 zu einer nochmaligen Überarbeitung der Konstruktion mit um etwa 60 Zentimeter verlängertem Rumpf und um satte sechs Meter größerer Spannweite. Die zivilen Ansprüche der Lufthansa spielten nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges am 1. September 1939 praktisch zunächst keine Rolle mehr. Für die Nachkriegszeit war die Maschine für 21 bis 32 Fluggäste ausgelegt. Ausgearbeitet wurde das Projekt zunächst in Dessau von Diplom-Ingenieur Eichholz unter Typenleiter Kurt Cyron, später unter Heinrich Kraft im Prager JFM-Konstruktionsbüro in den ehemaligen Letov-Werken. Als Antrieb für die Dreimotorige standen drei Aggregate zur Auswahl: der 9-Zylinder-Sternmotor BMW 800 mit 1200 PS Startleistung, der 1000 PS starke Dieselmotor Jumo 207 und das V12-Zylinder-Aggregat Jumo 211, das 1350 PS für den Start mobilisierte. Die Fertigung der Versuchsflugzeuge Ju 252 V1 bis V3 begann Ende 1940 in Dessau, wobei einzelne Teile im JFM-Zweigwerk Bernburg entstanden.

Rumpffertigung für die Ju 252 V3 in den Junkers Flugzeugund Motorenwerken
Sammlung Ringlstetter

Moderne Konstruktion

Der Tiefdecker entstand in Leichtmetall-Schalenbauweise und glänzte mit seiner modernen Konstruktion, die in Bezug auf Stabilität, Fertigung und hinsichtlich des praktischen Einsatzes sehr durchdacht ausfiel. Als besonderes Merkmal waren der Fluggastraum beziehungsweise Laderaum sowie Führerraum für die dreiköpfige Besatzung der Ju 252 druckdicht mit Doppelverglasung für eine Flughöhe von 8000 Metern ausgelegt. Als weitere Besonderheit erhielt die 252 einen sogenannten Einheitsführerstand. Ziel war es, die Bedienelemente und technische Ausrüstung in größtenteils einheitlicher Weise anzuordnen und ähnliche Sichtverhältnisse zu schaffen. Im hinteren Teil des Rumpfbodens war eine Transportklappe eingearbeitet, die das Be- und Entladen deutlich erleichterte. Die sogenannte Trapoklappe hob die Ju 252 in die Waagerechte und bildete eine Rampe für Frachtgut und Fahrzeuge, die man mittels motorbetriebener Seilwinde in den Laderaum zog. Zudem ließ sich die Klappe während des Fluges bei niedriger Geschwindigkeit öffnen, was es ermöglichte, kleine Fahrzeuge oder Kanonen an Fallschirmen abzusetzen. Auch sollten 35 Fallschirmjäger über die Trapoklappe abspringen. Sofern kein Absprung vorgesehen war, bot die Ju 252 Platz für bis zu 50 voll ausgerüstete Soldaten. Die zweiholmige Tragfläche war dreiteilig aufgebaut und wurde mit dem fertigen Rumpf verbunden. Sie wies Landeklappen an den Innen- und Außenflügeln sowie gewichtsausgeglichene Differential-Querruder auf. Sämtliche Ruderflächen wurden mechanisch betätigt und verfügten zur Reduzierung der Steuerkräfte über Flettner-Hilfsruder. Das stabile Hauptfahrwerk mit Doppelrädern und Spornrad ließ sich komplett einziehen. Beim Triebwerk fiel die Wahl letztlich auf den hauseigenen Jumo 211 F mit verstellbarem Dreiblattpropeller aus Metall. Einsatzfreundlich installierten die Junkers-Entwickler die Motoren als Einheitstriebwerke. Dies ermöglichte es, einen der Jumo 211 binnen 20 bis 30 Minuten zu wechseln oder auch andere Aggregate zu erproben. Der Treibstoff für die drei Jumo 211 kam in jeweils drei selbstdichtenden Flächentanks unter.

Erprobung der Ju 252 V1 mit ausgefahrenem Fahrwerk
Sammlung Ringlstetter

Zum Erstflug

Fertiggestellt wurde die Ju 252 V1 im Oktober 1941. Zum Erstflug hob sie am 5. Juni 1942 mit Werkseinflieger (Werkstestpilot) Flugkapitän Hans-Joachim Matthies am Steuer ab, der sich nach der Landung insgesamt zufrieden über die 252 äußerte. Während die Ju 252 V2 am 1. August 1942 zum Jungfernflug startete, befand sich die in Details verbesserte V1 bereits bei der Erprobungsstelle Rechlin, wo man dem Transporter ebenfalls ein gutes Zeugnis ausstellte. Im November 1942 war auch die Ju 252 V3 flugklar. Das vierte Versuchsflugzeug erhielt als erste 252 eine Abwehrbewaffnung, die serienmäßig einzig aus dem B-Stand in Form eines weit vorn auf dem Rumpfrücken sitzenden, elektrisch betriebenen Drehturms bestand. Bestückt war er mit einem 13-mm-Maschinengewehr MG 131, das in einer Drehlafette EDL 131 lagerte. Zudem sah man als Rüstsätze einen unteren Abwehrstand (C-Stand) sowie einen Heckstand vor, von denen jedoch keiner mehr verwirklicht wurde. Da beim Einbau des B-Standes die Druckdichtigkeit erhebliche Probleme bereitete, verzichtete man auf die Druckdichtigkeit des Rumpfes. Als Lösung sah man künftig die Verwendung fernbedienter Abwehrstände. Die V4 sollte als Musterflugzeug für die Serie Ju 252 A-1 dienen, die sich neben der Bewaffnung und anderen Details auch durch ein verändertes Seiten- und Höhenleitwerk zumindest von der V1 unterschied.

Junkers Ju 252
Sammlung Ringlstetter

Ressourcenmangel

Wie bereits bei der Ju 52 erfolgreich praktiziert, war auch die Ju 252 als Mehrzweckflugzeug ausgelegt. So ließ sich die Dreimot je nach Ausstattung zum Sanitäts-, Reise-, Truppentransport-, Hörsaal-, Fallschirmspringer- oder schlichten Transport-Flugzeug umfunktionieren. Auch sah man den Einsatz auf Wasser per Schwimmersatz als Ju 252 W vor. Bereits 1942 geriet das Deutsche Reich durch den ausgeweiteten Krieg an mehreren Fronten gleichzeitig und mit erstarkenden Gegnern zunehmend in Bedrängnis. Außerdem wurden kriegswichtige Rohstoffe immer knapper. Flugzeugmuster wie die Ju 252 brauchte die Luftwaffe zwar, sie besaßen aber keine Dringlichkeit, da die Ju 52 nach wie vor gute Dienste leistete und weitere Transporttypen zur Verfügung standen. Hinzu kam, dass der Jumo 211 dringend für die Produktion der Bombertypen Ju 88 und Heinkel He 111 gebraucht wurde. Abhilfe hätte diesbezüglich die Ausrüstung mit drei Jumo 207 schaffen können, die der Ju 252 immer noch zu brauchbaren Leistungen verholfen hätten, wenngleich mit zwei Tonnen geringerer Nutzlast. Das RLM reduzierte den zweiten Bauauftrag über zunächst 25 Ju 252 A auf 12 Flugzeuge. Um die Ju 252 eventuell doch noch in größerem Umfang in der Luftwaffe einzuführen, richtete sich der Blick des RLM bereits 1942 auf eine Art Sparvariante der Ju 252. Um der Knappheit an kriegswichtigem Leichtmetall zu begegnen, bauten die JFM die Ju 252 V1 zur V1/1 um und nutzten sie als Vorversuchsflugzeug für die überwiegend aus Holz und Strahlrohren gefertigte Ju 352.

Junkers Ju 252  DF+BV mit Hoheitszeichen und typischem Segment-Sichtschutzanstrich
Sammlung Ringlstetter

An der Front

So entstanden letztendlich bis 1943 von der Ju 252 ganze 15 Exemplare, alle Versuchsmuster, die jedoch auch als Ju 252 A-1 bezeichnet wurden. Die meisten dieser raren Transporter flogen bei der Luftwaffe, wo sie an allen Fronten zum Einsatz gelangten, darunter Nachschubflüge für das Afrikakorps. Die Ju 252 V5 flog ab Januar 1943 bei der Lufttransportstaffel 290 (ab Ende 1943 Transportfliegerstaffel 5), wo sie sich neben Ju 90, Ju 290 und Focke-Wulf Fw 200 ausgezeichnet bewährte. 1943/44 sind auch beim Kampfgeschwader 200, bekannt für seine speziellen Einsätze, Flüge mit Ju 252 dokumentiert. Die unzureichende Abwehrbewaffnung der Ju 252 verstärkte man während der Fronteinsätze, zumindest bei der V5, durch den Einbau eines 7,92-mm-MG-15 im jeweils letzten Seitenfenster. Die Ju 252 V9 und V15 dienten als Motoren-Erprobungsträger. Alle 15 Ju 252 blieben als Versuchsflugzeuge registriert und waren nicht in den Bestandslisten der Verbände aufgeführt, wodurch es schwierig ist, den Einsatz und Verbleib der Transporter nachzuvollziehen. Den historischen Umständen geschuldet, spielte das direkte Nachfolgemuster der berühmten "Tante Ju" praktisch keine Rolle in der deutschen Luftwaffe. Die Lufthansa bekam noch nicht einmal die Gelegenheit, die teils sonderbar aussehende, aber sehr leistungsfähige Ju 252 in der Streckenerprobung zu fliegen.