Junkers Ju 352 Herkules: "Tante Ju"-Ersatz als Sparvariante

Junkers Ju 352 Herkules
„Tante Ju“-Ersatz als Sparvariante

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ArtikeldatumVeröffentlicht am 25.12.2025
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Mit dem Kriegseintritt der USA im Dezember 1941 sowie der verschlechterten Kriegslage an der Ostfront und in Nordafrika geriet nicht nur die Wehrmacht, sondern auch die deutsche Industrie immer mehr in Bedrängnis. Kriegswichtige Rohstoffe wie Erdöl und Metall standen für die Kriegsführung und Waffenproduktion entscheidend im Fokus. Das Haushalten mit diesen Materialien war zwingend geboten. So sahen die Entscheidungsträger im Reichsluftfahrtministerium (RLM) zwar Flugzeugmuster wie die Ju 252 (siehe Klassiker der Luftfahrt 6/25) wegen des steigenden Transportbedarfs als sehr wichtig an, gleichzeitig galt es jedoch, Leichtmetall einzusparen, das vor allem für leistungsstarke Kampf- und Jagdflugzeuge Verwendung finden sollte. Um die Ju 252 dennoch in großer Stückzahl in Produktion zu nehmen, beauftragte das RLM die Junkers Flugzeug- und Motorenwerke AG (JFM) noch 1942 damit, den Transporter auf Gemischtbauweise umzukonstruieren und dabei möglichst wenig Leichtmetall zu verwenden.

Schwarzweiß-Fotografie eines großen viermotorigen Propellerflugzeugs aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs auf einem Flugplatz mit Hangar im Hintergrund. Das Flugzeug trägt ein Hakenkreuz auf dem Seitenleitwerk. Mehrere Personen stehen um das Flugzeug herum.
Sammlung Ringlstetter

Erste Schritte: Ju 252 V1/1

Bei Junkers machte man sich daran, die Ju 252 V1 im Anschluss an die Erprobung bei der E-Stelle Rechlin zum Vorversuchsflugzeug Ju 252 V1/1 umzubauen, praktisch eine erste Art Sparversion der Ju 252. Zur Umrüstung gehörte auch der Antriebswechsel, da der 1350 PS starke V12-Zylindermotor Jumo 211 wesentlich dringender in den Bombertypen Heinkel He 111 und Ju 88 benötigt wurde. Das RLM verfügte den Einbau des luftgekühlten BMW-Bramo 323 R-2 "Fafnir", eines 9-Zylinder-Sternmotors, der in ausreichender Stückzahl vorhanden war. Allerdings leistete der Bramo 323 nur 1000 PS. Mit Wasser-Methanol-Einspritzung ließen sich kurzzeitig bis zu 1200 PS Startleistung mobilisieren. Zudem kam im Rumpf ein kleiner Tank für 100-Oktan-Kraftstoff C 3 unter, dessen Verwendung etwa 1100 PS für den Start ermöglichte. Die Dauerleistung des Fafnir-Sternmotors mit 87-Oktan-Treibstoff B 4 lag bei 660 PS. Sehr nützlich war eine Besonderheit der installierten VDM-Verstellluftschrauben: Sie verfügten über eine Schubumkehrstellung, mit der sich die Lande- strecke um bis zu 60 Prozent verkürzen ließ. Neben dem Umbau auf Bramo-Aggregate erhielt die Ju 252 V1/1 bald auch ein hölzernes Seiten- und Höhenleitwerk. Während sich die Ju 252 V1/1 in der Erprobung befand, lief bei der JFM der Bau des ersten reinen Versuchsmusters zur Sparvariante, der Ju 352 V1,auf Hochtouren.

Fertigungslinie mit mehreren im Bau befindlichen Flugzeugrümpfen in einer Industriehalle. Die Aufnahme ist schwarz-weiß und zeigt die Struktur und Montage von Flugzeugteilen.
Sammlung Ringlstetter

Aus Stahlrohr, Holz und Stoff

In Rekordzeit entwickelten die Junkers-Ingenieure ein praktisch völlig neues Flugzeug. Zwar glich die 352 förmlich und aerodynamisch weitestgehend der Ju 252, doch bedingte die erforderliche Bauweise aus Stahlrohr und Holz eine komplette Neukonstruktion des Transportflugzeugs. Da die Junkers-Werke in Dessau und Bernburg komplett ausgelastet waren, verlegte man die Fertigung der Ju 352 ins Zweigwerk Fritzlar. Der Ju-352-Rumpf war als geschweißte Stahlrohrkonstruktion ausgeführt und mit formgebenden Spanten und Leisten aus Holz versehen. Die Außenhaut bestand zum größten Teil aus einer altbewährten Stoffbespannung. Erst vom Rumpfboden abwärts nutzte man Sperrholz zur Verschalung. Mit Leichtmetall (Duraluminium) waren lediglich die Kabine und das Rumpfende samt Leitwerksaufnahme verkleidet. Auf eine Druckkabine, wie sie beim Schwestermodell Ju 252 verbaut war, verzichtete man. Für die Kabinenverglasung ließen sich daher weniger und zudem größere Fensterelemente verwenden. Das Instrumentenbrett ähnelte dem der Ju 252 und wurde den Anforderungen eines Einheitsführerstandes umfänglich gerecht. Der Laderaum erhielt gewöhnliche, rechteckige Seitenfenster. Selbstverständlich übernahm man die bewährte Transporterklappe im hinteren Teil des Rumpfes, wenngleich in einer etwas leichteren Ausführung. Am Boden hob die Trapoklappe die Maschine in eine ebene Position und bildete zugleich eine Rampe zum Verladen von Frachtgut unterschiedlicher Art, wie etwa kleineren Fahrzeugen oder Kanonen. Über eine per Handpumpe betriebene Seilwinde (Ju 252 elektrisch) ließ sich die Ladung in den Frachtraum ziehen. War eine Landung am Bestimmungsort nicht möglich, konnte das Ladegut auch an Fallschirmen bei niedriger Geschwindigkeit über die geöffnete Klappe abgesetzt werden. An Soldaten fanden 50 Mann in voller Ausrüstung oder 35 Fallschirmjäger in der Ju 352 Platz.

Deutsches Militärflugzeug aus dem Zweiten Weltkrieg in einer Wartungshalle, mehrere Personen arbeiten am Flugzeug.
Sammlung Ringlstetter

Flächen aus Holz

Die Tragflächen der Ju 352 verfügten über mehrteilige Landeklappen sowie Querruder und waren nahezu vollständig in Holzbauweise gefertigt. An der Flügelkonstruktion stach besonders der durchlaufende und annähernd 34 Meter lange Hauptholm hervor. Aufgrund der im Vergleich zur Ju 252 veränderten Schwerpunktlage versetzte man die imposante einteilige Fläche etwa einen Meter weiter nach hinten. Da besonders stark beansprucht, verkleidete man die Flügelnase mit Duraluminium. Ebenso erhielten auch die Motorgondeln großteils Duralbleche als Verkleidung, während der überwiegende Teil der Fläche mit Sperrholz beplankt war.

Zu Kraftstoffversorgung besaß die Ju 352 vier in den Flächen untergebrachte, selbst- dichtende Tanks, und damit zwei weniger als die Ju 252. Das verringerte Fassungsvermögen reduzierte zwar die mögliche Reichweite, erhöhte aber im Gegenzug die mögliche Nutzlast. Die Doppelräder des Hauptfahrwerks der Ju 252 wichen bei der Ju 352 größeren Einzelrädern, die sich allerdings nur zu etwa zwei Dritteln in die Motorgondeln einziehen ließen, der Rest ragte heraus. Dieser Umstand konnte beim Versagen des Ausfahrmechanismus helfen, größere Schäden zu vermeiden sowie allgemein im Notlandefall sehr nützlich sein. Das einziehbare Spornrad übernahm man von der Ju 252. Ebenfalls aus Holz fertigte man das bereits an der Ju 252 V1/1 getestete und in seiner Form neue Seiten- und Höhenleitwerk.

Ein großes, viermotoriges Propellerflugzeug aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs steht auf einer Betonfläche eines Flugplatzes. Das Flugzeug hat eine markante, verglaste Bugsektion und Tarnlackierung.
Sammlung Ringlstetter

Herkules fliegt

Schon am 1. Oktober 1943 hob die Ju 352 V1 in Fritzlar zum Erstflug ab, der insgesamt zufriedenstellend verlief und nach dem es in der Folge nicht allzu vieler Änderungen bedurfte. Auch die Motorisierung wirkte ausreichend, obwohl die Fafnir-Aggregate ohne MW-50- Einspritzung beim Abflug mit einem Maximalgewicht von rund 19 Tonnen doch einen etwas überforderten Eindruck machten. Hier mochte der inzwischen an die Dreimotorige vergebene Beiname "Herkules" nicht so ganz zu passen. Die mögliche Nutzlast der Ju 352 sank durch die schwächeren Motoren trotz geringerer Startmasse beträchtlich, lag jedoch mit 3800 Kilogramm immer noch bei einem guten Wert. Den hausinternen Untersuchungen folgte die Erprobung bei der E-Stelle Rechlin, die ebenfalls positiv verlief.

Zu dieser Zeit lag aus dem Technischen Amt im RLM bereits der Auftrag zum Serienbau des Transportflugzeugs vor, um die aus der Not heraus geborene Ju 352 so rasch wie möglich an die Truppe ausliefern zu können. Das dritte Versuchsmuster Ju 352 V3 erhielt als erster Herkules-Transporter einen Abwehr-Drehturm mit hydraulisch betätigter Drehkranzlafette HDL 151/2, bestückt mit einem MG 151/20, Kaliber 20 Millimeter. An Munition für das schwere Maschinengewehr standen dem Schützen 900 Schuss zur Verfügung. Zudem waren weitere Waffenstände unterhalb des Rumpfes (C-1- und C-2-Stand) sowie in den Seitenfenstern geplant (siehe Blatt), was man jedoch nicht mehr umsetzte. Obwohl die Ju 352 aufgrund ihrer Auslegung die zunehmend angespannte deutsche Rohstofflage nur wenig belastete, traf das im Herbst 1944 verhängte Bauverbot für mehrmotorige, nicht unbedingt benötigte Flugzeuge auch die Ju 352 Herkules. Hintergrund dieser Maßnahme bildete das Jägernotprogramm, das absoluten Vorrang hatte und zum Ausbau der Jagdwaffe in der Reichsverteidigung diente. Bis dahin waren lediglich 44 Ju 352 V, A-0 und A-l fertiggestellt. Die vom RLM getragenen Kosten für Entwicklung und Fertigung der Flugzeuge einschließlich der Ju 252 V1/1 beliefen sich auf insgesamt etwa 17,7 Millionen Reichsmark.

Schwarzweiß-Fotografie eines mehrmotorigen Propellerflugzeugs mit einer Gruppe von acht Personen in Uniformen davor auf einem Flugplatz.
Sammlung Ringlstetter

Kaum mehr im Einsatz

Das Kampfgeschwader 200 erhielt im Juli l944 als erste Einheit zwei Ju 352 A-0. Der Einsatzerprobung in verschiedenen Frontverbänden folgend, flogen die meisten Ju 353 bei der Großraum-Transportstaffel 352, die Ende Januar 1945 aus Teilen des Transportgeschwader 4 entstand. Ende Februar weitete man die Staffel zur Gruppe aus, kommandiert von Major Günter Mauss. Der Verband hatte bis zu 30 Ju 352 im Bestand und flog vor allem Versorgungs- und Evakuierungsflüge im Raum Kurland sowie in Ost- und Westpreußen, wobei teilweise bis zu 70 Flüchtlinge an Bord genommen wurden. Tageseinsätze waren 1945 kaum mehr möglich, weshalb meist einzelne Maschinen bei Dämmerung oder in der Nacht flogen. Zudem machte Treibstoff- und Ersatzteilmangel den Transportern schwer zu schaffen. Am 25. April 1945 soll die Gruppe immerhin noch 23 Ju 352 zur Verfügung gehabt haben, fraglich ist allerdings, wie viele davon noch einsatzklar waren. Noch am 27. und 28. April etwa warfen vereinzelte, von Tutow/Vorpommern-Greifswald gestartete Herkules Nachschub über Berlin ab, wobei eine 352 abgeschossen wurde.

Schwarzweißfoto eines Militärtransportflugzeugs mit geöffneter Heckrampe, ein Soldat steigt aus. Deutlich sichtbare Hoheitszeichen des Dritten Reichs am Leitwerk und Rumpf. Im Hintergrund weitere Flugzeuge und ein Gebäude auf einem Flugfeld.
Sammlung Ringlstetter

Mit spezieller Fracht

Bereits am 21. April starteten von den Berliner Flughäfen Tempelhof und Schönwalde etliche Transporter der Fliegerstaffel des Führers mit dem Auftrag, Personal, Angehörige und Unterlagen aus dem Führerhauptquartier nach Salzburg beziehungsweise Berchtesgaden zu bringen. Zu den Regierungsflugzeugen gehörten auch die beiden Ju 352 A, KT+VJ und KT+VC, die gegen 5 Uhr morgens Berlin verließen. Letztere sollte jedoch nie in Salzburg ankommen: Die von Major Friedrich Gundl-finger geflogene Herkules, um deren Insassen und Ladung sich bis heute phantasievolle Geschichten ranken, verunglückte gegen 6 Uhr beim Notlandeversuch in einem Waldgebiet bei Börnersdorf, südlich von Dresden. Pilot, Bordwart und Funker sowie fünf Passagiere kamen dabei ums Leben, nur der Bordschütze überlebte. Die geheimnisvolle Fracht wurde abtransportiert und gab 1983 im Rahmen der angeblich gefundenen Hitler-Tagebücher Raum für Spekulationen.

Um den herannahenden, sowjetischen Truppen zu entkommen, verlegten die Maschinen der Großraum-Transportgruppe am 4. Mai von Großenbrode nach Eggebek. Die Ju 352 mit der Kennung G6+NX, pilotiert von Feldwebel Arthur Kührt, flog jedoch weiter mit dem Ziel Thisted im Nordwesten Dänemarks. Mit nur noch wenig Sprit in den Tanks setzte Kührt die Dreimotorige mit eingezogenem Fahrwerk sauber auf eine Wiese in der Nähe von Thisted und entstieg ihr zusammen mit drei weiteren Kameraden unverletzt – genau wie Kührts dänische Verlobte. Fünf Herkules fielen in britische Hände, drei davon überflog man zum RAE nach Farnborough in England. Zumindest die Ju 352 A-1, Air Min 8, ehemals KT+VJ, wurde als Transporter genutzt und 1946 noch auf einer Kriegsbeuteschau in Farnborough ausgestellt. Die Ju 352 A-1, Werknummer 10023, blieb in der Tschechoslowakei erhalten, wo man sie überholte und als Transporter D-352 mit der Kennung OK-JUE einsetzte. 1945 absolvierte die Maschine auch drei Flüge nach Moskau, wobei sie zweimal zur Beförderung eines Tatra-87-Personenwagens diente. Eines der Luxusgefährte ging an den tschechischen Botschafter in Moskau, das andere war ein Geschenk für den Staatschef Josef Stalin. Im Februar 1946 endete die Dienstzeit der OK-JUE.

Ein beschädigtes zweimotoriges Militärflugzeug mit deutschen Hoheitszeichen aus dem Zweiten Weltkrieg auf einer Wiese.
Sammlung Ringlstetter

Technische Daten Junkers Ju 352

  • Einsatzzweck: Transportflugzeug
  • Erstflug: 1. Oktober 1943 (V1)

Antrieb

  • 3 × Bramo 323 R‑2, luftgekühlter 9‑Zylinder‑Sternmotor
  • Startleistung: 3 × 1000 PS bei 2500 U/min (gesamt 3000 PS); 3 × 1200 PS (gesamt 3600 PS) mit MW‑50‑Einspritzung
  • Dauerleistung: 3 × 660 PS (gesamt 1980 PS) in 0 m

Besatzung/Passagiere

  • Besatzung: 3–4 Mann
  • Passagiere: 21–32
  • Truppentransport (einsatzabhängig): bis 50 Soldaten oder 35 Fallschirmjäger

Abmessungen

  • Spannweite: 34,09 m
  • Länge: 24,49 m
  • Höhe: 5,60 m
  • Rumpfbreite: 2,55 m
  • Flügelfläche: 122 m²
  • Flügelstreckung: 9,6
  • Spurweite: 8,10 m

Gewichte und Lasten

  • Rüstgewicht: 12 500 kg
  • Kraftstoff: 2150 kg
  • Schmierstoff: 150 kg
  • Besatzung: 300 kg
  • Nutzlast (typisch): 3800 kg
  • Zuladung (max. ausrüstungsabhängig): 6400 kg
  • Startgewicht (max.): 18 900 kg
  • Flächenbelastung: 155 kg/m²

Flugleistungen

  • Höchstgeschwindigkeit: 370 km/h in 0 m
  • Marschgeschwindigkeit: 300 km/h in 2500 m
  • Landegeschwindigkeit: 125 km/h
  • Startrollstrecke: 650 m
  • Landerollstrecke: 500 m
  • Steigleistung: 180 m/min
  • Reichweite: 1700 km mit maximaler Nutzlast
  • Flugdauer (max.): ca. 6 h
  • Dienstgipfelhöhe: 6000 m

Abwehrbewaffnung

  • 1 × MG 151/20 (20 mm) in HDL 151/2 (geplant/versuchsweise)
  • zusätzliche Waffen in Rumpfständen und Seitenfenstern geplant (nicht umgesetzt)