Projekt Junkers EF 100: Deutschlands "Jumbo" blieb ein Traum

Projekt Junkers EF 100
Deutschlands „Jumbo“ für nach dem Weltkrieg

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Zuletzt aktualisiert am 27.02.2024

Fantasten im Berliner Reichsluftfahrtministerium (RLM) glaubten 1941 tatsächlich noch an ein baldiges und siegreiches Kriegsende. Dementsprechend machten sich Planungssachbearbeiter Gedanken, wie man die im Zuge der Rüstungsaufträge für den Krieg gewaltig erweiterte deutsche Luftfahrtindustrie sinnvoll auf die Zeit danach umstellen könne. Also wurden interessierte deutsche Flugzeughersteller aufgefordert, dem RLM zivile Projekte für einen später aufzubauenden Langstreckenluftverkehr einzureichen. Die Junkers Flugzeug- und Motorenwerke (JFM) hatten zu diesem Zeitpunkt bereits eine Belegschaftsstärke von rund 100 000 Mitarbeitern erreicht, und wollten ihre vor dem Krieg mit der Ju 52 erreichte führende Stellung im Weltluftverkehr behaupten und sogar noch ausbauen. Daher gab es in Dessau schon konkrete Planungen für den Bau von Großflugzeugen für kontinentale Lang- sowie Transatlantikstrecken. Das in diesem Zusammenhang entworfene Großflugzeug mit der internen Bezeichnung EF 100 (Entwicklungsflugzeug) kann aus heutiger Sicht durchaus als seiner Zeit voraus beurteilt werden, denn es hätte sicherlich dem Vergleich mit den später gebauten DC-6 und DC-7 von Douglas standgehalten.

KL-Dokumentation

Viele Details waren ihrer Zeit voraus

Ähnliche Entwürfe wurden in den USA auch während des Krieges mit den genannten Typen oder auch der Lockheed Super Constellation projektiert. Manche der konstruktiven Details des Junkers-Entwurfs waren für die 1940er Jahre reichlich unkonventionell, wie zum Beispiel der als Druckkabine projektierte Rumpf. Dass die Dessauer Konstrukteure nicht auf den "Endsieg" warten und eventuell schon vorher in die Produktion eintreten wollten, zeigt sich daran, dass sie parallel zum Verkehrsflugzeug auch eine Ableitung als bewaffneten Transporter anboten. Bei entsprechendem Bedarf und eventuell zur Verfügung stehenden Fertigungskapazitäten hätte man eben als erstes diesen verwirklicht. Indessen zog sich der Krieg in die Länge, und die Hoffnungen auf ein baldiges, siegreiches Ende schwanden immer mehr. Aus diesem Grunde kam es auch zu keinem Bauauftrag für die EF 100 (mehr Glück hatte Blohm & Voss mit seinem aus ähnlichen Erwägungen heraus projektierten Großflugboot BV 222, das bereits vor dem Krieg entwickelt und nunmehr als Großtransporter in Auftrag gegeben worden war). Dennoch lohnt es sich, das Projekt EF 100 einmal näher zu betrachten, weil man darin viele Parallelen zu später tatsächlich realisierten Verkehrsflugzeugen erkennen kann.

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Parallelen zu heute

Das Verkehrsflugzeug EF 100 sollte, je nach Bestuhlung, 4000, 6000 oder 9000 Kilometer Reichweite haben, wobei man "Bestuhlung" nicht wörtlich nehmen darf. Das Fliegen war in jener Zeit nur sehr gut betuchten Leuten möglich, und denen musste man schon Sessel bieten. Für die kurze Strecke waren das 100, für die mittlere 75 und für die lange 50. Auf jeden Fall aber waren luxuriös ausgestattete Gesellschaftsräume mit Bar sowie exzellent ausgestattete Bordküchen vorgesehen. Ähnliche Entwürfe für die Kabine tauchten viel später bei der Projektierung des Megaliners A380 wieder auf, doch haben sie sich im Linienverkehr natürlich nicht durchgesetz: Eine Fluggesellschaft verdient nur an verkauften Sitzplätzen, nicht aber an kostenlos zur Verfügung gestellten Erholungsflächen. In den 1940er Jahren indessen war das anders.

Theo Lässig

Technische Details

Sechs wassergekühlte Dieselmotoren Jumo 223, Zweitakt-Gegenkolbenmotoren mit Abgas-Turbogebläsen und je 1840 kW Leistung, sollten die Maschine antreiben. Die Startleistung hätte somit 11 025 kW (15 000 PS) betragen, und in 9000 Metern Reiseflughöhe war die Höchstgeschwindigkeit mit 570, die Reisegeschwindigkeit mit 545 Stundenkilometern berechnet worden. Zur Zeit der Projektierung stand bei Junkers noch der wirtschaftliche Dieselflugmotor hoch im Kurs, denn er hatte einen spezifischen Verbrauch von nur 175 Gramm pro PS/h. Allerdings ahnten die Konstrukteure wohl aus den Erfahrungen mit der Erprobung der Gasturbine Jumo 004, dass die Zukunft der Antriebe von Langstreckenflugzeugen eher dem Strahltriebwerk gehören würde. Wirtschaftlichkeit war bei Junkers schon immer groß geschrieben worden, vor allem bei seinen Projekten für einen weltumspannenden Luftverkehr. Schon in seiner Patentschrift Nr. 253 788 aus dem Jahre 1909 hatte Professor Junkers darauf hingewiesen, dass eine die Völker verbindende Passagierluftfahrt nur mit einer ganzen Flotte kostengünstig zu bauender und zu betreibender Großflugzeuge möglich wäre. So hatte die EF 100 denn auch die zweieinhalbfache Transportleistung der Ju 90 und sogar die dreifache der Ju 252 aufzuweisen.

Die Tragflächenform war auch von letztgenanntem Typ übernommen worden, wobei die Flügel wegen des geänderten Schwerpunktes weiter nach hinten verlegt wurden. Geplant war anfänglich nur eine Ausführung mit einem Hauptholm; ob man einen zweiten für die Aufhängung der Querruder und Landeklappen benötigte, würde sich erst im Laufe der konkreten Konstruktion herausstellen. Die Flügelvorderkanten sollten mittels Abgasen aus den Triebwerken beheizt werden, um einer möglichen Vereisung vorzubeugen. Anstelle des bewährten Junkers-Doppelflügels sollten Ruder und Klappen mit Düsenspalten versehen werden, was eine geringere Masse und verringerte Vereisungsgefahr bedeutete. Diese Bauweise versprach auch mehr Raum für Kraftstofftanks im Flügel, während der Haupttank im Tragflügelkasten liegen sollte, mit einem Fassungsvermögen von 35 000 Litern.

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Ungewöhlicher Rumpfquerschnitt

Der Rumpfquerschnitt war oval angelegt, damit man zwei Sitzreihen zu je drei Sitzen nebeneinander unterbringen konnte, ein völliges Novum für die damalige Zeit. Auch eine solche Form wurde bei der Projektierung der einstigen A3XX durchgerechnet, dann aber doch nicht realisiert. Bei Junkers indessen wollte man den Innendruck in der Hauptspantebene über Zuganker auf Querträger abfangen und auf die Rumpfschale übertragen, schmale Metallstangen also, welche den Mittelgang in der Kabine markierten (siehe Entwürfe auf dieser Seite). Eine entsprechende Optimierungsrechnung ist bereits damals angestellt worden, doch sind die Unterlagen im Krieg verlorengegangen. Große, rechteckige Fenster sollten den Passagieren freien Ausblick auf die Landschaft gewähren, doch wissen wir von den leidvollen Erfahrungen mit den ersten Exemplaren der britischen "Comet", dass das keine so gute Idee war. Die technische Lösung für die Druckkabine indessen war bewährt und stammte vom Höhenaufklärer Ju 86. Die Passagiere sollten das Flugzeug über eine breite Treppe in der Heckklappe betreten, die als "Trapoklappe" bereits bei der Ju 90 erprobt worden war. Bei der Militärausführung allerdings sollte nur das Cockpit druckbelüftet werden. Insgesamt stellte die EF 100 einen interessanten Entwurf dar, der aber natürlich nie realisiert wurde.