Die US-Stuka Vultee XA-41: Erfolglos zwischen Konzeptwechsel und Kriegsende

Erfolgloses Einzelstück nach deutschem Vorbild
Vultee XA-41: Groß, stark und zu spät

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Veröffentlicht am 05.07.2025

Zwischen November 1936 und Juni 1939 operierte die Legion Condor mit der Kampfgruppe 88 (K/88) und der Jagdgruppe 88 (J/88) im Spanischen Bürgerkrieg. Dabei übernahm die K/88 beziehungsweise später die Versuchsbomberstaffel VB/88 nicht nur operative Aufgaben. Vielmehr sollten die Gruppen dabei helfen, der im Entstehen begriffenen Luftwaffe Einsatzerfahrungen zu verschaffen. Und das ging am einfachsten in einem räumlich begrenzten Kriegseinsatz und gegen einen technisch eher unterlegenen Gegner. Im Spanischen Bürgerkrieg erkannte man die Grenzen der Henschel Hs 123 und der Junkers Ju 87 als Sturzkampfbomber. Die Erkenntnisse halfen, die Ju 87 ebenso schnell wie signifikant zu verbessern. So mussten deren Leistungsparameter deutlich erhöht werden, um neben der zweiköpfigen Besatzung und genügend Kraft- und Betriebsstoffen auch eine entsprechend große Abwurfwaffe mitführen zu können. Erst nach diesen Verbesserungen stellten sich die Erfolge der Maschine ein. Ab September 1939 kämpften Ju 87 auf allen Kriegsschauplätzen und trugen ganz maßgeblich zur Furcht vor der Deutschen Wehrmacht bei. Weil die Junkers Ju 87 mit überdurchschnittlich hohen Trefferquoten aufwarten konnte, dachte man beim US Army Air Corps im Sommer 1942 ebenfalls über einen Sturzkampfbomber nach. Anders als bei der deutschen Luftwaffe sollte dieser Sturzkampfbomber allerdings ein Einsitzer werden. Diese Einschränkung ist insofern bemerkenswert, als dass man im Sommer 1942 eigentlich schon zur Einsicht gelangt war, dass Ju 87 beim Zusammentreffen mit Jagdflugzeugen ausgesprochen verwundbar waren.

Vultee Convair XA-41 Model 90 Militär-Nummer 43-35124
Sammlung König

Auf dem Weg zur XA-41

Dennoch beauftragte das US Army Air Corps die Firma Vultee Aircraft Inc., da diese bereits einige Erfahrungen mit Sturzkampfflugzeugen hatten mit der Entwicklung und dem Bau von zwei Prototypen eines als XA-41 (X = Experimental, A = Attack) bezeichneten Angriffsflugzeugs. Die Ingenieure bei Vultee wussten um die Vorzüge der Ju 87, bei der eine besonders stabile Zelle mit einer geknickten Tragfläche und einer starken Motorisierung kombiniert worden waren. Weil Sturzkampfbomber in mittleren Flughöhen flogen, musste ein Tragwerk entwickelt werden, das den gewünschten Auftrieb liefern konnte. Die Zelle wurde geradezu herumkonstruiert um einen 28-Zylinder-Vierfach-Sternmotor Pratt & Whitney R-4360-9 Wasp Major (ca. 3000 PS/2200 kW), der eine vierblättrige Luftschraube mit 4,01 m Durchmesser antreiben sollte. Auf den Reißbrettern entstand ein 14,83 m langer und 4,24 m hoher Tiefdecker mit 16,00 m Spannweite (Flügelfläche 50,00 m²). Der Entwurf hatte neben einem geräumigen internen Waffenschacht diverse externe Waffenträger. Bei Vultee schwebten den Konstrukteuren verschiedene Einsatzszenarien vor. Bei einem normalen Einsatz sollten 1300 Liter Kraftstoff für maximal 1300 km Reichweite zur Verfügung stehen. Für Langstreckeneinsätze und Verlegungsflüge ließen sich im internen Waffenschacht zusätzliche Kraftstofftanks mitführen. Die Reichweite betrug dann rechnerisch bis zu 4800 km. In der Standardvariante sollte der Entwurf leer 6049 kg, abflugfertig 8467 kg wiegen. Als maximal zulässiges Abfluggewicht errechnete man 10 971 kg. Für ein einmotoriges Flugzeug erschien die XA-41 ausgesprochen groß und hochbeinig – und war das auch.

Vultee Convair XA-41 Model 90 Militär-Nummer 43-35124
Sammlung König

Strategiewechsel

Das USAAC zeigte sich beeindruckt, tat dann aber etwas Erstaunliches. Während man an der Vultee XA-41 arbeitete, hatte sich ein Paradigmenwechsel vollzogen. Die Gefährdung einmotoriger Bomber durch gegnerische Jagdflugzeuge schätzte man inzwischen als nicht mehr tragbar ein. An die Stelle einmotoriger sollten fortan ausschließlich zweimotorige Bomber treten, beispielsweise die Douglas A-20 Havoc. Republics P-47 Thunderbolt brillierte als einmotoriger Jagdbomber und konnte diesen Verwendungszweck erfolgreich weiter für sich beanspruchen. Die Neuentwicklung eines einmotorigen und einsitzigen Sturzkampfbombers passte allerdings nicht mehr in diese Logik, weshalb man Vultee Aircraft Inc. aufforderte, den Entwurf abzuändern. Statt eines Sturzkampfbombers sollte die XA-41 zu einem Erdkampfflugzeug ("single engine support airplane") weiterentwickelt werden. Auch das eine Parallele zur Junkers Ju 87, die diese Aufgabe an der Ostfront mit durchschlagendem Erfolg erfüllte. Die dafür benötigten Tiefflugeigenschaften ließen sich mit dem Grundentwurf durchaus vereinen, der sich mit seinen geraden Tragflächenvorderkanten und den ausgeprägt spitz zulaufenden Tragflächenhinterkanten an den Mustern Vultee A-31 bzw. A-35 Vengeance (Vultee Model 72) orientierte. Für den Weiterbau gab es aber noch einen anderen Grund: Der 28-Zylinder-Vierfach-Sternmotor Pratt & Whitney R-4360-9 Wasp Major mit seinen 71,5 Litern Hubraum war als Triebwerk für die Boeing B-50 Superfortress (Boeing Modell 345-2) vorgesehen, die sich als Nachfolgerin der Boeing B-29 in der Entwicklung befand. In einem Erdkampfflugzeug sah man eine ausgezeichnete Erprobungsplattform für dieses Triebwerk.

Erstflug Februar 1944

Durch eine Fusion von Vultee Aircraft Inc. und Consolidated Aircraft entstand am 13. März 1943 die Consolidated Vultee Aircraft Corporation (abgekürzt Convair), die das Projekt XA-41 unter der hausinternen Bezeichnung Model 90 weiterführte. Das US Army Air Corps konkretisierte seine Anforderungen und bestellte zwei Prototypen (43-35124 und 43-35125). Die nächste Änderung ließ indes nicht lange auf sich warten: Noch vor Baubeginn des zweiten V-Musters stornierte man dessen Bestellung, weil eine Frontreife der XA-41 nicht vor Ende 1944 bzw. Frühjahr 1945 zu erwarten stand. In der Tat schaffte die Convair XA-41 erst am 11. Februar 1944 ihren Erstflug. Dabei stach sie heraus: Die Übersicht des Flugzeugführers in seinem recht hoch angeordneten, bündig mit der Tragflächenvorderkante platzierten Cockpit war ausgezeichnet. Die Maschine selbst flog sehr stabil und ausgewogen. Die vorgesehene schwere Bewaffnung hatte man in den Prototyp noch nicht eingebaut. So hätten in den Tragflächen vier 37-mm-Kanonen und vier schwere Maschinengewehre M2 Browning im Kaliber 12,7 mm lafettiert werden können.

Vultee Convair XA-41 Model 90 Militär-Nummer 43-35124
Sammlung König

Kriegsende verhindert Serie

Im internen Waffenschacht ließen sich bis zu 2900 kg Bomben aufhängen. Alternativ sollte die XA-41 bis zu zwölf ungelenkte Raketen gegen Bodenziele mitführen können. Nach etwa 460 m Anlaufstrecke hob die Maschine ab und stieg rasch. Kein Wunder, denn je Sekunde konnte die Convair XA-41 satte 15 m steigen. Schaltete man den Turbolader auf seine höchste Stufe, dann brauchte die XA-41 exakt drei Minuten und vierundfünfzig Sekunden von 0 bis auf 3000 m Flughöhe. Als Dienstgipfelhöhe ermittelte man 8930 m(29 300 Fuß), als Höchstgeschwindigkeit 584 km/h bei höchster Turboladerstufe in 4700 m Flughöhe. Bei 482 km/h betrug die Kampfreichweite 1287 km in 3700 m Flughöhe. Auch im Kurvenkampf glänzte die Maschine. Ein Testpilot bescheinigte ihr eine herausragende und eher nicht erwartete Agilität, mit der sich ein Jagdflugzeug des Typs North American P-51B Mustang spielend ausmanövrieren ließ: "(…) superb maneuverability, being able to out-turn a P-51B Mustang." Im Sommer 1944 erschien das Ende der Kämpfe in Europa nur mehr als eine Frage der Zeit, und auch im Pazifik konnte das Kaiserreich Japan den Zweiten Weltkrieg erkennbar nicht mehr für sich entscheiden. Damit standen die Vorzeichen für eine Serienproduktion der XA-41 denkbar ungünstig. Nachdem die amerikanische Luftwaffe ihre umfangreichen Testflüge abgeschlossen hatte, gab man die XA-41 an die US Navy weiter. Auf der Naval Air Station Patuxent River an der Chesapeake Bay in Maryland erprobte die US Navy die Convair XA-41 im Vergleich zu anderen Erdkampfflugzeugen, beispielsweise der Douglas AD-1 Skyraider beziehungsweise der Martin AM-1 Mauler. Das sich abzeichnende Ende der Erprobungen weckte das Interesse der Pratt & Whitney Division bei United Aircraft, welche die Convair XA-41 (43-35124) zivil als NX60373N zuließ und als fliegenden Teststand für neue Flugzeugmotoren einsetzte. Leider dachte damals niemand an eine museale Verwendung des interessanten Entwurfs: Ende 1950 wurde die Maschine verschrottet.