Anfang der fünfziger Jahre verfolgten die Staaten der 1949 gegründeten NATO die Idee, die Ausrüstung ihrer Streitkräfte komplett zu standardisieren. Eines der ersten Projekte, das unter diese neue Politik fiel, war ein Programm zur Beschaffung eines neuen, leichten Erdkampfflugzeuges. Das Projekt wurde im März 1954 international ausgeschrieben, und Flugzeughersteller aus verschiedenen europäischen NATO-Staaten bewarben sich mit ihren Entwürfen. Das Pflichtenheft der Planer für den als „NATO Lightweight Strike Fighter“ bezeichneten Jet war durchaus ehrgeizig. Der neue Kampfjet sollte leicht, kostengünstig und leistungsstark sein. Da er vor allem für die europäischen Verhältnisse zugeschnitten sein sollte, forderte das Pflichtenheft, dass der Jet von unvorbereiteten und kurzen Pisten aus betrieben werden konnte. Als Grundvoraussetzung standen die folgenden Leistungsmerkmale in der Ausschreibung: Das Flugzeug sollte eine maximale Startstrecke von 915 m über ein 15-m-Hindernis aufweisen, es sollte eine Geschwindigkeit von Mach 0.95 für 30 Prozent der Einsatzdauer halten können und für den Rest der Mission eine Mindestgeschwindigkeit von 650 km/h erreichen. Als Rollrate waren 100 Grad pro Sekunde bei Mach 0.9 in Meereshöhe vorgesehen.
Als Primärbewaffnung waren bis zu vier Maschinenkanonen geplant, ebenso musste das Flugzeug in der Lage sein, eine Bombenlast von bis zu 900 kg mitzuführen. Außerdem legte die NATO Wert darauf, dass der leichte Jagdbomber auch mit taktischen Atomwaffen bestückt werden könnte.
An dem Wettbewerb nahmen viele Hersteller aus NATO-Ländern teil, allein aus Frankreich, das damals noch voll integriertes Mitglied des Bündnisses war, kamen drei Flugzeugentwürfe. Dem Gewinner des Wettbewerbs winkten Aufträge für über 1000 Exemplare. Der traditionsreiche Hersteller Avions Louis Breguet aus Paris beteiligte sich mit seinem Entwurf Breguet Br. 1001 Taon.
Ab Ende 1954 prüfte die AGARD-Kommission der NATO unter Leitung von Professor von Kármán die eingereichten Entwürfe. Sie empfahl im Dezember 1955, drei Entwicklungsaufträge zu vergeben, und zwar an die französischen Firmen Breguet und Dassault sowie an die italienische Fiat Aviazione. Der Wettbewerb wurde unter größter Geheimhaltung abgehalten. Selbst nachdem er entschieden war, durften einige Leistungsdaten der eingereichten Flugzeugmuster nicht veröffentlicht werden.
Die Breguet 1001 Taon war ein einstrahliger, leichter Kampfjet mit stark gepfeilten Flügeln. Angtrieben wurde er von einem britischen Bistol-Orpheus B.Or.3-Turbojet-
Triebwerk mit einem Startschub von 21,6 kN. Ein Nachbrenner war für den leichten
Erdkämpfer erst für einen späteren Zeitpunkt vorgesehen. Das Triebwerk sollte in Frankreich in Lizenz gefertigt werden.

Der Name Taon heißt auf deutsch übersetzt: Bremse (Insekt) oder Nervtöter. Als Anagramm, also als Wort, das aus einem anderen durch Umstellung der Buchstaben gebildet wird, entspricht Taon auch dem Namen des Aufraggebers NATO.
Breguet erreichte die geforderte niedrige Flugzeugmasse durch einen konsequenten Einsatz der damals neuen Aluminium-Honigwabenstrukturen. Sie kamen beim zweiholmigen Tragflügel sowie beim Leitwerk zur Anwendung. Selbst der zentrale Rumpfkasten wurde mit Honigwabenstrukturen gebaut. Eine leichte und schnelle Wartbarkeit stand ebenfalls im Lastenheft des Flugzeugs. Breguet hatte dazu die Taon in drei Hauptbaugruppen aufgeteilt, die wiederum aus kleineren Unterbaugruppen bestanden. Dadurch konnten bei der Wartung immer ganze Baugruppen ausgetauscht werden, und das Flugzeug wäre dadurch schnell wieder einsatzbereit, so die Idee der Konstrukteure. Außerdem wäre bei dieser Fertigungsweise auch eine Aufteilung der Arbeiten auf verschiedene Werke problemlos möglich. Breguet hatte zusätzlich eine Vielzahl von Wartungsklappen eingebaut, die einen leichten Zugang zu allen wichtigen Systemen ermöglichten. Leitungen sowie die verschiedenen Kabel der Flugsteuerung hatten die Konstrukteure der Taon in einem dicken Strang unter einem Rückenwulst zusammengefasst, dessen Verkleidung sich in einem Stück entfernen ließ. Der vordere Rumpfteil schließlich, der die - zugegebenermaßen bescheidene – Avionik beherbergte, ließ sich komplett seitlich wegklappen und erlaubte den Mechanikern so einen schnellen Zugang zu den Geräten.
Triebwerkswechsel unter Einsatzbedingungen in 47 min

In Villacoublay, südwestlich von Paris, arbeitete Breguet mit Hochdruck am Bau der ersten beiden Prototypen der Taon, als bekannt wurde, dass die NATO Fiat bereits einen Auftrag zum Bau von 27 Vorserienflugzeugen der G.91 gegeben hatte – zwei Jahre, bevor das geplante Vergleichsfliegen überhaupt stattgefunden hatte. Am 25. Juli 1957, ein Jahr, nachdem die G.91 geflogen war und zwei Monate vor dem Vergleichsfliegen, stieg die Breguet 1001 Taon mit dem Testpiloten Bernard Witt am Steuerknüppel erstmalig auf. Der Jungfernflug fand gegen 20.00 Uhr statt und dauerte gerade einmal 25 Minuten. Die mit Hochdruck durchgeführte Flugerprobung ergab einige Änderungswünsche, die in Windeseile umgesetzt wurden. So wanderte beispielsweise die Bremsklappe unter den Rumpf. Als die Taon in der Erprobung nahe an ihre Höchstgeschwindigkeit geführt wurde, traten unangenehme Vibrationen auf, die ihre Ursache in der Auslegung der Lufteinläufe hatten, wurden diese von den Ingenieuren in Tag- und Nachtarbeit noch umkonstruiert.
Ab 16. September 1957 standen die drei von der AGARD-Kommission empfohlenen Flugzeugmuster zum Vergleichsfliegen beim französischen Flugversuchszentrum Centre d‘Essais en Vol (CEV) in Brétigny bereit. Neben der Breguet 1001 waren dies die Dassault Etendard sowie die Fiat G.91. Die Breguet 1001 Taon war in zwei Blautönen lackiert. Einer der beiden repräsentierte das NATO-Blau, der andere Blauton entsprach dem Blau der französischen Trikolore. Eine Prüfungskommission unter der Leitung des amerikanischen Colonels Chapman begutachtete die Flugleistungen der Konkurrenten. Für die Luftwaffe war unter anderem Oberst Johannes Steinhoff in der Auswahlkommission vertreten. Sechs NATO-Testpiloten flogen die Konkurrenten sowie die Sud-Aviation Baroudeur, die außer Konkurrenz verglichen wurde. Am 5. Oktober 1957 endete der erste Teil der fliegerischen Bewertung.

Die Br. 1001 konnte bei den Testflügen punkten. Ihre Wendigkeit mit einer Rollrate von 200 Grad pro Sekunde lag deutlich über den geforderten Werten, und auch bei der Höchstgeschwindigkeit lag die Breguet ganz vorne. Die Testpiloten lobten außerdem das Handling der Breguet. Von Brétigny aus wurden die drei Flugzeuge anschließend nach Italien gebracht, wo die taktische Erprobung der Muster stattfand. Hier wurde zum Beispiel die Zeit gemessen, die eine Wartungsmannschaft zwischen zwei Flügen benötigte, um das Flugzeug zu betanken und zu bewaffnen. Die Breguet-Mannschaft bewältigte den „Boxenstopp“ in nur sechs Minuten und 40 Sekunden, und damit schneller als die Wettbewerber. Einen Triebwerkswechsel unter Einsatzbedingungen schafften die Mechaniker in nur 47 Minuten. Dabei wurde die Zeit vom Aufsetzen der Räder nach einer Mission bis zum Abheben nach dem Triebwerkswechsel gemessen.
Schlecht schnitt die Breguet bei den Kurzstarttests mit voller Beladung ab. Sie benötigte auf einer Graspiste 1300 m, um über ein 15-m-Hindernis zu kommen. In dieser Disziplin siegte die Fiat G.91, denn auch die Dassault Etendard brauchte mehr Piste als im Pflichtenheft gefordert. Insgesamt startete die Breguet während des Konkurrenzfliegens zu 31 Flügen.
Am 8. Januar 1958 eröffnete die Auswahlkommission den beteiligten Herstellern das Ergebnis ihrer Bewertung. Die Fiat G.91 ging als Siegerin aus dem Wettbewerb hervor, obwohl sie in vielen Punkten schlechter war als die Taon. Die Kommission bewertete allerdings die benötigte lange Startstrecke der Taon so negativ, dass sie trotz überragender Leistungen in anderen Disziplinen keine Chance auf den Sieg hatte. Die Fiat G.91 wurde anschließend nur von den italienischen Luftstreitkräften und der Luftwaffe gekauft. Insgesamt entstanden 760 Exemplare des leichten Erdkampfflugzeugs und nicht wie gehofft, über 1000.
Die Geschichte der Breguet 1001 endete jedoch nicht mit dem NATO-Wettbewerb. Breguet wollte zeigen, welches Potenzial in dem Entwurf steckte. Am 25. April 1958 startete der Testpilot Bernard Witt vom Flugtestzentrum in Istres zu einem 1000-km-Flug, den er mit einer Geschwindigkeit von 1046 km/h absolvierte. Damit hatte die Taon den Geschwindigkeitsweltrekord über diese Distanz gebrochen. Dazu war der Pilot aber an die Grenzen des Flugzeugs gegangen, denn nach der Landung waren lediglich noch 50 Liter Treibstoff in den Tanks.
Am 23. Juli 1958 erfolgte ein weiterer, erfolgreicher Rekordversuch. Dieses Mal flog Witt die 1000 Kilometer in 56 Minuten und drei Sekunden, also mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 1075,34 km/h. Nach der Landung ging der Breguet 1001 auf dem Rollweg in Istres das Triebwerk wegen Treibstoffmangels aus. Diese Rekorde reichten jedoch nicht, die französischen Streitkräfte zum Kauf des Musters zu bewegen. Daraufhin stellte Breguet alle weiteren Arbeiten an der 1001 Taon ein und verschrottete den ersten Prototypen.
Auf der Basis der Breguet 1001 hatte die Firma jedoch schon vor dem Ende des Programms einen leichten zweistrahligen Marine-Jagdbomber für Allwettereinsätze entwickelt, die Breguet 1100. Der Prototyp der 1100 wurde auch von der Aeronavale erprobt, unterlag jedoch der Dassault Etendard IVM. Die Erfahrungen mit der Breguet 1100 flossen später in das französisch-britische Kampfflugzeug SEPECAT Jaguar ein, das in den sechziger Jahren entwickelt wurde. Die Société des Ateliers d‘Aviation Louis Breguet war nur noch in den Anfangsjahren an der Jaguar beteiligt, ab 1967 wurde sie im Rahmen einer Konsolidierungswelle der französischen Luftfahrtindustrie vom Konkurrenten Dassault Aviation übernommen.
Heute existiert nur ein einziges Exemplar der Breguet 1001 Taon. Es steht im Musée de l‘Air et de l‘Espace in Le Bourget vor den Toren von Paris.
Technische Daten

Breguet Br. 1001 Taon
Hersteller: Société des Ateliers d‘Aviation Louis Breguet, Paris, Frankreich
Verwendung: leichtes Erdkampf- und Luftunterstützungsflugzeug
Gebaut: 2 Prototypen
Besatzung: ein Pilot
Triebwerk: ein Bristol Orpheus B.Or.3
Startschub: 21,6 kN (4 850 lbs)
Spannweite: 6,80 m
Länge: 11,24 m
Höhe: 3,75 m
Flügelfläche: 14,50 m2
Spurweite: 2,70 m
Leermasse: 3 425 kg
Tankvolumen: 1700 l
Max. Startmasse: 5 600 kg
Startstrecke: 1 000 m
Startstrecke bei max. Startmasse: 1300 m
Max. Geschwindigkeit: 1 194 km/h (Mach 0.99) in Bodennähe
Rollrate: 200 °/sec
maximale Reichweite: 1 800 km Einsatzreichweite mit maximaler Zuladung: 270 km
Überziehgeschwindigkeit: 161 km/h
Anfluggeschwindigkeit: 216 km/h
Landestrecke: 950 m
Landestrecke mit Bremsschirm: 550 m
Bewaffnung: vier 12,7-mm Colt-Browning-Maschinenkanonen im Bug, bis zu 900 kg Bombenlast unter den Flügeln
Klassiker der Luftfahrt Ausgabe 04/2013