Kriegsbemalung: Tarnanstriche der Luftwaffe im 2. Weltkrieg

Kriegsbemalung für alle Fronten
Die Tarnanstriche der Deutschen Luftwaffe

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Veröffentlicht am 26.03.2024

Seit der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 ging es im Deutschen Reich mit dem Auf- und Ausbau der Fliegerei im Allgemeinen und der militärischen im Speziellen mächtig voran. Das Reichsluftfahrtministerium (RLM) vergab fortlaufend Aufträge zur Entwicklung neuer, leistungsstarker Flugzeugtypen für die stetig wachsende Zahl an Einsatzverbänden. Alles war bis ins kleinste Detail durchorganisiert und von Vorschriften begleitet. Dazu gehörten selbstverständlich auch die Anstriche und Markierungen von Flugzeugen der Luftwaffe, einer recht umfangreichen Thematik, mit der sich eine komplette Ausgabe von Klassiker der Luftfahrt füllen ließe – schließlich handeln ganze Bücher von diesem Thema. Außerdem werden Anstriche und Farben selbst unter Fachleuten mitunter sehr kontrovers diskutiert. So bietet der folgenden Text lediglich einen begrenzten Überblick, der speziell die "Tarnkleider" und Markierungen der deutschen Tagjäger, Zerstörer und die von diesen Flugzeugen abgeleiteten Aufklärer und Schlachtflugzeuge von 1939 bis Kriegsende thematisiert.

Sammlung Ringlstetter

Wechselhaft

Dem schlichten Grau der Anfangszeit folgte zunächst ein relativ aufwendiger, vierfarbiger Segment-Sichtschutzanstrich aus den RLM-Farbtönen 61, 62, 63 und 65. 1937/38 ersetzte das RLM diese Farbkombination durch das vereinfachte Segment-Tarnmuster aus Schwarzgrün RLM 70 und Dunkelgrün RLM 71 auf den Oberseiten. Die Flugzeugunterseite blieb Hellblau RLM 65. Der dreifarbige Standardanstrich (offiziell als zweifarbig bezeichnet) galt für sämtliche Einsatzflugzeuge der Luftwaffe. In Spanien bei der Legion Condor, der deutschen Hilfstruppe für General Francos Nationalisten, flogen Maschinen im dort tobenden Bürgerkrieg in unterschiedlichen Tarnschemen, wenngleich die ab Anfang 1939 in Spanien eingesetzte neue Bf 109 E meist in Grau RLM 02 und RLM 65 lackiert waren. Ein Teil der Jäger blieb nach Beendigung des Bürgerkrieges im April 1939 in Spanien, während die anderen in der Heimat den Standard-Sichtschutzanstrich erhielten. Bei Kriegsbeginn am 1. September 1939 präsentierten sich neuere Typen einheitlich in diesem recht dunkel wirkenden Tarnschema aus RLM 70/71/65, von dem es verschiedene Muster gab. Haupteinsatztyp der Jagdwaffe war die formidable Messerschmitt Bf 109 E. Bei den Zerstörern sah die Sache anders aus: Zu Beginn des Krieges flogen noch überwiegend frühe Bf 109 C und D, da noch nicht genug Messerschmitt Bf-110-Langstreckenjäger zur Verfügung standen.

Wie sich in der Praxis zeigte, waren die in dunklen Grüntönen gehaltenen Luftwaffe-Maschinen zwar gut am Boden getarnt, in der Luft aber umso leichter zu erkennen. Schneebedeckte Einsatzplätze im ersten Kriegswinter 1939/40 begünstigten naturgemäß auch die Sichtbarkeit der am Boden abgestellten Jäger aus der Luft. Noch im Jahr 1939 lackierte man die Rumpfseiten der Messerschmitt-Jäger in Hellblau RLM 65. Auf den Oberseiten ersetzte man meist RLM 70 durch RLM 02, was auch hier zu einem auffallend helleren Erscheinungsbild führte. Bei den Zerstörern setzte man diese Praxis ebenfalls um, wenngleich weniger oft. Grundsätzlich trugen aus Jägern und Zerstörern abgeleitete Aufklärer identische Anstriche. Die Hersteller passten sich den Frontbedürfnissen an und lieferten zum Beispiel Bf 109 und Bf 110 folglich schon ab Werk in der neuen Aufmachung aus.

Sammlung Ringlstetter

Erneut dunkler

Mit Beginn des Westfeldzugs im Frühjahr 1940 kam es in den Einheiten zu Veränderungen an den Jägern, darunter bei der von Hauptmann Werner Mölders geführten III. Gruppe des JG 53. Nun dunkelten die Staffelmaler die Rumpfseiten ab, da sie am Boden zu auffällig erschienen. Während der Luftschlacht um England, deutscherseits damals lediglich Kanalkampf genannt, im Sommer und Herbst 1941 wiesen die meisten Jagdeinsitzer feldmäßig veränderte, individuelle Tarnmuster auf, wobei der Kreativität der Lackierer augenscheinlich keine Grenzen gesetzt waren. Neben den Rumpfseiten veränderte man an manchen Maschinen auch die Segmentbereiche auf Flächen, Höhenleitwerk und Rumpfrücken und brach diese dadurch visuell auf. In den Produktionswerken reagierte man abermals auf die Feldanstriche und Anforderungen der Truppe: So gelangten (offiziell) 1941 die ersten Bf 109 mit werksseitiger Segment-Lackierung in den neuen Grautönen RLM 74 und 75 zu den Jagdgeschwadern. Die Unterseite war im neuen Lichtblau RLM 76 gehalten. Auf die Rumpfseiten spritzte man variierende Flecken in RLM 74, 75, aber auch in RLM 02 und 70.

Die Luftschraube samt Haube blieben in Schwarzgrün, später auch Schwarz RLM 22. Nicht selten war auch ein Teil des Spinners in Weiß lackiert. An der Front erhielten sie oft Spiralen, um einen laufenden Propeller einfacher zu erkennen. Auch die Zerstörer und Jagdbomber Bf 110 sowie die späteren Muster Me 210 und Me 410 lieferte man in diesem Standard-Sichtschutzanstrich aus, der bis 1944 in Varianten unverändert blieb. Das Tarnmuster aus RLM 70/71/65 nutzte man weiterhin serienmäßig für Kampfflugzeuge, Transporter, Schlachtflugzeuge und schwere Aufklärer.

Sammlung Ringlstetter

Freund und Feind erkennen

Während der heftigen Luftkämpfe über dem Ärmelkanal und England im Jahr 1940 erwies es sich immer wieder als problematisch, Freund und Feind rechtzeitig zu unterscheiden. Um dies zu erleichtern, erhielten die meisten Jagdflugzeuge einen weißen (RLM 21) oder gelben Sonderanstrich, wobei sich Gelb RLM 04 rasch durchsetzte. Aufgebracht wurde dieser auf Motor- und Propellerhaube, Seitenruder sowie Flügel- und Höhenleitwerksenden. Manchmal wurde sogar das ganze Leitwerk bemalt. Wie und in welcher Kombination die Farben aufgebracht wurden, fiel je nach Verband teils sehr unterschiedlich aus. Letztlich setzte sich die Variante aus Motorhaube und Seitenruder durch. 1941 ließ man von diesen auffälligen Anstrichen ab und beschränkte sich auf den unteren Teil der Motorverkleidung sowie die Unterseiten der Flügelspitzen, was insbesondere die Erkennbarkeit für die Flugabwehr am Boden erleichtern sollte. Ausgeführt wurden diese Sonderanstriche entweder bereits in den Herstellerwerken oder aber in den Einheiten. Anfang 1945 führte man stattdessen ein gelbes Band um die Motorpartie ein. Verbandsembleme, wie das "Pik As"-Zeichen des JG 53, waren dagegen reines Zierwerk an Einsatzflugzeugen. Eine ganz persönliche Note hatten dagegen die besonders in den ersten Kriegsjahren meist unterhalb der Kabinenhaube seitlich am Rumpf aufgemalten Embleme einzelner Flugzeugführer. Zunächst auf der Seitenflosse, ab 1940 meist auf dem Seitenruder verewigte Abschussbalken sowie weitere Siegessymbole zeugten von den Erfolgen der Jagd- und Zerstörerpiloten.

Sammlung Ringlstetter

Bemalungen IM Feld

Wie bereits erwähnt, begann das Bodenpersonal im Frühjahr 1940 damit, serienmäßige Tarnanstriche den Einsatzbedingungen anzupassen. Diese Praxis setzte sich bis Kriegsende fort, weshalb die Feldlackierungen ein besonders weites Feld einnehmen. Die Spanne der bei der Truppe ausgeführten Veränderungen reichte von Nachbesserungen der serienmäßig aufgetragenen Tarnanstriche bis hin zu Anpassungen an den Kampfraum. Dabei wurde alles genutzt, was eben zur Hand war – Vorschriften scheinen eine untergeordnete Rolle gespielt zu haben.

Als Teile des Jagdgeschwaders 27 im April 1941 in Nordafrika zur Unterstützung der dort kämpfenden italienischen Fliegerkräfte Stellung bezogen, lag es nahe, die Jäger der sandigen Umgebung anzupassen. Dies führte zu den typisch gefleckten "Tarnkleidern" zahlreicher Bf 109 E/Trop des Afrikakorps. Was die benutzten Farben betrifft, herrscht nach wie vor Uneinigkeit, auch wenn das Gros der Experten nach dem Fund einer Bf 109 E-7 des Afrikakorps davon ausgeht, dass das Bodenpersonal RLM-Farben Sandgelb 79 und Hellblau 78 sowie Dunkelgrün RLM 80 benutzte. Bis dahin dachte man oft an italienische Tarnfarben, was durchaus naheliegend erscheint, da sich Einheiten der Achsenmächte nicht selten die Einsatzplätze teilten. Womöglich gab es praktischerweise auch mit italienischen Tarnfarben bemalte deutsche Maschinen. Später gelangten werksseitig RLM 78/79 lackierte Bf 109 F/Trop und Bf 109 G/Trop an die Afrikafront, doch auch bei diesen Anstrichen nahmen die Staffelmaler noch individuelle Verbesserungen vor.

Sammlung Ringlstetter

Abwaschbare Farbe

Gleiches galt oftmals für die in Nordafrika stationierten Bf 110, während hauptsächlich auf Sizilien stationierte Bf 109 und Bf 110 sowie Me 210 weiterhin Standardanstriche trugen. Focke-Wulf brachte für die Fw 190 kein Tarnschema für Nordafrika heraus. Die relativ wenigen dort 1942/43 eingesetzten Maschinen passte man vor Ort an. An der Ostfront verpasste das Bodenpersonal den Jägern und Zerstörern bei dauerhaft winterlichen Verhältnissen in der Regel abwaschbare Winteranstriche auf den Oberseiten. Etliche Maschinen der auf Sicht fliegenden, einmotorigen Nachtjagd ("Wilde Sau") waren mit abwaschbarer Rußfarbe geschwärzt. Völlig anders erschienen dagegen motortechnisch optimierte Bf 109 G, die in der Reichsverteidigung 1944/45 Höhendeckung flogen. Ihre Piloten saßen in komplett hellblau lackierten Jägern und sollten so möglichst lange unentdeckt bleiben.

Neue Farben

1944 führte das RLM neue Farbtöne ein: Dunkelbraun RLM 81 und Hellgrün RLM 82 ersetzten RLM 74/75, Lichtblau 76 blieb bestehen. Ebenfalls nutzte man teilweise das neue Dunkelgrün RLM 83. 1945 kamen mit RLM 84 und 77 Optionen für RLM 76 hinzu. Auch gab es Farbkombinationen aus neuen und alten RLM-Tönen. Zudem waren die neuen Farben per Luftwaffendienstvorschrift mit Restbeständen im Verhältnis von maximal 1:1 zu mischen, um diese aufzubrauchen. So verwundert es keineswegs, dass die neuen RLM-Farben auffallend unterschiedlich ausfielen und auch heutige Farbdarstellungen mitunter höchst unterschiedlich sind. Die praktisch unmögliche exakte Farbinterpretation von Schwarz-Weiß-Fotos schafft daher jede Menge zusätzlichen Raum für Spekulationen – und selbst Farbfotos helfen nicht wirklich weiter, da generelle Farbstiche damaliger Farbfilme und mit der Zeit auftretende Farbveränderungen die Sache wiederum schwierig gestalten.

Als Folge stetig knapper werdender Rohstoffe fielen die Tarnanstriche in den Jahren 1944/45 zusehends spärlicher und unterschiedlicher aus. So lackierte man die Tragflächenunterseite oftmals nur mehr teilweise. Versuchsflugzeuge waren zunächst meist in RLM 02 lackiert, im Laufe der Zeit jedoch zunehmend im typischen Tarnanstrich gehalten. Etliche frühe Me-262- und Me-163-Versuchsmuster erhielten lichtblaue Lackierungen.

Sammlung Ringlstetter

Zuordnung durch Markierungen

Neben dem seit 1933 an deutschen Flugzeugen obligatorischen Hakenkreuz am Seitenleitwerk trugen Luftwaffen-Maschinen seit 1935 als weiteres Hoheitszeichen Balkenkreuze auf Rumpf und Tragflächen. Militärische Verbandskennungen aus kombinierten Zahlen und Buchstaben gab das Reichsluftfahrtministerium erst ab Mai 1936 heraus. 1939 änderte sich die Kodierungsmethode: Nun verriet die Kombination aus vier Buchstaben und verschiedenen Farben die Einheitszugehörigkeit eines Flugzeugs (siehe Tabelle). So wies etwa der vor dem Balkenkreuz prangende Kode 3U auf das Zerstörergeschwader 26 hin. Der dem Hoheitszeichen folgende, in der Regel in Staffelfarbe gehaltene Buchstabe diente dem Alphabet nach zur Durchnummerierung der Flugzeuge, während der vierte Buchstabe für eine Staffel oder einen Stab stand. Demnach war die Bf 110 mit der Kennung 3U+AR (weißes A) das erste Flugzeug (A) der 7. Staffel (weiß und R), die wiederum der III. Gruppe angehörte.

Ausgenommen Jäger

Von diesem System ausgenommen waren die einmotorigen Jäger, die unterschiedlich farbige Zahlen zur Durchnummerierung der Staffelflugzeuge erhielten. Zur Kennzeichnung der Gruppenzugehörigkeit dienten dem Balkenkreuz folgend ein Balken, ein Kreuz, eine Schlangenlinie oder Scheibe. Der Geschwaderstab und die Gruppenstäbe nutzten Winkel, Balken und Kreis (Technischer Offizier) vor dem Balkenkreuz. Oft bemalte man auch Propellerhauben partiell in der Gruppen- oder Staffelfarbe. Wie die Tarnschemen änderte sich im Laufe des Krieges auch die Ausführung der Hoheitszeichen, was letztlich zur Vereinfachung der Balken- und Hakenkreuze führte. Ab Werk trugen die Flugzeuge der Luftwaffe abwaschbare Stammkennzeichen. Gewöhnlich bestand ein Geschwader aus drei Gruppen mit je drei Staffeln zu zwölf Flugzeugen plus jeweils vier Stabsmaschinen des Geschwader- und Gruppenstabes. Möglich war auch eine vierte, manchmal sogar fünfte Gruppe. Im Herbst 1944 strukturierte man die Jagdgeschwader generell auf vier Gruppen mit je vier Staffeln und Stäben um.

Ab 1941 kennzeichneten Rumpfbänder am Heck den jeweiligen Einsatzraum eines Flugzeugs. So stand ein weißes Band für den Mittelmeerraum, ein gelbes für die Ostfront. Die Jagdwaffe führte 1943 weiße Heckmarkierungen für Tagjäger in der Reichsverteidigung ein und im Sommer 1944 vor dem Leitwerk aufgemalte Reichsverteidigungsbänder, die jedoch keineswegs an allen Jägern zu finden waren; für die einst siegreiche und nun praktisch am Boden liegende Jagdwaffe gab es weitaus Wichtigeres als korrekte Markierungen.