Bis zum 7. Dezember 1941, dem Tag, an dem die kaiserlich-japanische Marine den Hafen von Pearl Harbor auf Hawaii angriff, verfolgte die US-Regierung offiziell eine Politik der Nichteinmischung in den europäischen Krieg. Die USA waren zwar völkerrechtlich neutral, unterstützten aber die gegen Deutschland und Japan Krieg führenden Staaten durch umfangreiche Materiallieferungen. Die Streitkräfte der Vereinigten Staaten beobachteten das Kriegsgeschehen in Europa und Asien sehr genau, um vorbereitet zu sein, falls die USA in den Krieg eintreten würden. Die handstreichartige deutsche Besetzung des als uneinnehmbar geltenden belgischen Forts Eben-Emael im Mai 1941 hatte das Interesse der amerikanischen Militärführung geweckt, denn Segelflugzeuge als Truppentransporter waren ein Konzept, dass in der US-Militärstrategie zu diesem Zeitpunkt nicht existierte. Der gerade zum Chef der Heeres-Luftstreitkräfte ernannte General Henry „Hap" Arnold erkannte den militärischen Wert der Lastensegler sehr schnell und forderte im Sommer 1941 die Entwicklung eines entsprechenden Flugzeugs.
Für den Entwicklungsauftrag interessierten sich nur wenige Firmen, so dass die 1921 gegründete WACO Aircraft Company aus Troy in Ohio, den Zuschlag erhielt. WACO verfügte über eine große Erfahrung mit dem Bau von zivilen Leichtflugzeugen. Ihre Produktpalette bestand allerdings ausschließlich aus Doppeldeckern. Ab August 1941 baute sie keine zivilen Flugzeuge mehr, sondern konzentrierte sämtliche Kapazitäten auf militärische Aufträge. WACO entwarf ab Sommer 1941 gleich zwei Lastensegler: Die kleinere CG-3A für bis zu neun Insassen und die CG-4A, die im Laufe des Zweiten Weltkriegs der meistgebaute amerikanische Lastensegler werden sollte. Die CG-4A war einfach konstruiert. Ein Stahlrohrrahmen bildete das konstruktive Grundgerüst des 14,80 m langen Flugzeugs. Die Bespannung bestand aus Spezialgewebe, das mit Spannlack in Form gebracht wurde. Den Boden des Cockpits und der Kabine bildete eine verstärkte Sperrholzplatte, die einerseits relativ leicht war, aber gleichzeitig die geforderten Lasten aufnehmen konnte. Insgesamt bestand die CG-4A aus 70 000 Einzelteilen.
Das Fahrwerk des Lastenseglers bestand aus zwei großen Hauptfahrwerksrädern und einem kleinen, begrenzt steuerbaren Spornrad. Zwei Kufen unter dem Cockpit sollten die Struktur bei Landungen in unebenem Gelände schützen. Um ein schnelles Be- und Entladen des Flugzeugs zu ermöglichen, hatten die Konstrukteure bei der CG- 4A ein hochklappbares Cockpit vorgesehen. In den Laderaum des Lastenseglers passten 13 voll ausgerüstete Luftlande-Soldaten oder ein Willy's Jeep mit vier Soldaten oder ein 75-mm-Howitzer-Geschütz nebst 18 Schuss Munition. Damit konnte die CG-4 ihr Eigengewicht als Zuladung transportieren. Es spricht für die geringe Bedeutung, die diesem Programm beigemessen wurde, dass der genaue Erstflugtag des Prototyps der CG-4A nicht überliefert ist. Allerdings gehen Historiker davon aus, dass es im August 1942 gewesen sein muss. Die Erprobung führte zu einer Reihe von Änderungen, die schnell in die Konstruktion eingearbeitet wurden.
Noch vor dem Erstflug und dem Auftrag für die Serienfertigung begann die US Army Air Force im Sommer 1942 mit der Ausbildung von Lastenseglerpiloten. Die Rekrutierung von qualifizierten Piloten gestaltete sich als schwierig, denn 1942 gab es in den gesamten Vereinigten Staaten von Amerika nur 160 lizenzierte Segelflugzeugpiloten, von denen nur 25 so erfahren waren, dass sie auch als Segelfluglehrer eingesetzt werden konnten.
Die US Army meldete im September 1942 einen großen Bedarf an Lastenseglern des Typs CG-4A an. Da die Kapazitäten der WACO Aircraft Company bei weitem nicht ausreichten, um diesen zu decken, wurden 15 weitere Firmen mit der Serienfertigung des Musters beauftragt. WACO baute bis Ende 1945 insgesamt 999 CG-4A. Die Ford Motor Company produzierte in ihrem Werk in Kingston, Michigan, 4190 Exemplare und war damit der größte Hersteller dieses Typs. Um auf diese Zahl zu kommen, wurden die Lastensegler im Dreischichtbetrieb gebaut.
Einfliegen, demontieren und für die Verschiffung verpacken
Nach der Fertigstellung wurde jedes Flugzeug kurz eingeflogen und anschließend in einem Holzcontainer für die Verschiffung nach Übersee verpackt. Die große Zahl von Fertigungsbetrieben führte zu einer Vielzahl von individuellen Modifikationen bei den Herstellern. Da die Lastensegler zum Teil als Verbrauchsmaterial angesehen wurden, griff die Beschaffungsbehörde jedoch nicht ein und akzptierte die Abweichungen vom Baustandard.
Die O.W. Timm Aircraft Corporation aus Van Nuys in Kalifornien gehörte ebenfalls zu den Firmen, die die CG-4A in Serie fertigten. Sie erhielt zudem den Auftrag, mit der XCG- 4B eine Variante zu bauen, bei der anstelle des kriegswichtigen Stahls Holz als tragendes Element verwendet wurde. Die Produktion dieses Flugzeugs erwies sich jedoch als zu aufwendig und zu teuer, so dass nur ein einziges Exemplar gebaut wurde.
Die CG-4A war in der Lage, vollbeladen auf einem nur 180 Meter langen unpräparierten Feld zu landen. Diese Strecke sollte jedoch noch weiter verkürzt werden, um den Luftlandetruppen mehr Optionen bei der Auswahl ihrer Landeplätze zu bieten. Mit Piloten der US Army ein Bremsfallschirm-System, das die Landerollstrecke deutlich reduzierte. Geübte Piloten brachten das Flugzeug mit dem Bremsfallschirm nach rund 100 Metern zum Stehen. Da die Serienfertigung der CG-4A zu diesem Zeitpunkt schon auf vollen Touren lief, wurde ein Nachrüstsatz entwickelt und an die Truppe geliefert, damit die Fallschirme in den Feldwerkstätten nachträglich eingebaut werden konnten.
In der Nacht auf den 9. Juli 1943 erfuhren die CG-4A der US Army Air Force ihre Feuertaufe. Die Flugzeuge nahmen als Vorhut an der alliierten Invasion Siziliens teil. 150 CG-4A waren in Tunesien zusammengesetzt worden und flogen, geschleppt von C-47 Dakota, über das Mittelmeer nach Sizilien. Ein unerwartet starker Wind sowie die Unerfahrenheit der Besatzungen ließen die Luftlandung im Rahmen der Operation Husky beinahe in einem Desaster enden. 147 Schleppzüge starteten, von denen 69 ins Meer stürzten. Lediglich zwölf Gleiter landeten wo sie landen sollten und brachten die britischen Kommandosoldaten an Bord in eine optimale Position. Ein großes Problem war beispielsweise die Kommunikation zwischen dem Schleppflugzeug und dem Lastensegler. Statt eines Funkgeräts verwendete man ein Telefon mit einer Kabelverbindung, die um das Schleppseil herumgewickelt war. Was bei Übungen funktioniert hatte, zeigte sich im Einsatz als untauglich: Viele Kabelverbindungen waren beim Start in Nordafrika bereits gerissen, so dass die Piloten des Schleppzugs untereinander nicht kommunizieren konnten. Bei der kleinsten Schwierigkeit klinkten die C-47-Besatzungen die Segler aus und überließen sie ihrem Schicksal. Bei allen weiteren Einsätzen verständigten sich die Besatzungen per Funkgerät.
Operationen Husky und Varsity
Trotz der hohen Verluste beim Anflug über das Mittelmeer wurde der Einsatz der Lastensegler positiv beurteilt, denn sie waren für den Feind überraschend aufgetaucht und konnten ihre gesetzten Ziele erreichen.
Die Lehren aus der Operation Husky zahlten sich elf Monate später aus, bei der Operation Overlord, der alliierten Landung in der Normandie. 2100 CG-4A hatten die Amerikaner bis zum Februar 1944 in Holzcontainern nach Südengland verschifft und dort von ungelernten britischen Arbeitern zusammenbauen lassen. Bei Trainingsflügen stellte sich heraus, dass dies ein Fehler war, denn mehrere Lastensegler stürzten durch eine mangelhafte Montage ab. Die Soldaten nannten sie bald „fliegende Särge“. Daraufhin wurden ausgebildete Soldaten mit der Montage der restlichen CG-4 beauftragt und schafften es, rechtzeitig zu Beginn der Invasion eine ausreichende Anzahl von Lastenseglern zu montieren. Nach Änderungen im Operationsplan beschloss der alliierte Generalstab, zwei Luftlandemissionen in der Nacht vor der Landung in der Normandie durchzuführen und am Tag die Masse der Luftlandetruppen in zwei Wellen nachzuführen.
Am 5. Juni 1944 starteten je 52 WACO CG-4A, geschleppt von C-47 Dakota, um Soldaten der 82nd und der 101st Airborne Division ins Hinterland der französischen Küste zu bringen. Die Überraschung gelang auch hier, obwohl die Wetterbedingungen alles andere als ideal waren für eine Nachtmission. Nach Sonnenaufgang landeten 140 weitere CG-4A im Südosten der Halbinsel Cotentin im Rücken der deutschen Truppen. Diese Einsätze waren ein großer Erfolg.
Obwohl die Lastensegler von vielen als Verbrauchsmaterial angesehen wurden, waren sie relativ robust. Im Durchschnitt lagen die Totalverluste bei 30 Prozent der eingesetzten Flugzeuge. Deswegen wurden nach dem Ende einer Operation die unzerstörten Segelflugzeuge an Sammelstellen zusammengezogen und nach einer gründlichen Inspektion zurückgeflogen. Dabei wurden bis zu drei Lastensegler von einer C-47 gezogen. Beteiligte Piloten beschreiben diese Dreifachschlepps als haarsträubende Erfahrung. Die Lastensegler-Piloten begleiteten übrigens die von ihnen abgesetzten Truppen nicht bei ihren Einsätzen, da ihnen die entsprechende Kommando-Ausbildung fehlte. Sie mussten in der Nähe der Landestellen ausharren bis das Gebiet gesichert war oder sich allein oder in kleinen Gruppen durchschlagen. Die US Army Air Forces bildeten während des Zweiten Weltkriegs nur 6000 Lastenseglerpiloten aus.
Der berühmteste Einsatz von Lastenseglern war jedoch die Operation Market Garden im September 1944 in Holland. Rund 2200 Lastensegler der Typen WACO CG-4A und Airspeed Horsa brachten 14 589 Soldaten und ihre Ausrüstung ins Kampfgebiet. Für diese Operation verfügte die USAAF nicht über genügend Piloten, so dass ein Teil der Gleiter nur von einem Piloten geflogen wurde. Die Verluste bei der Landung der Gleiter waren gering, allerdings war die gesamte Operation aufgrund zu ehrgeizig gesteckter Ziele ein Fehlschlag. Eine weitere große Luftlandung fand wenige Monate später in Wesel am Niederrhein statt.
Operation Varsity war der größte Luftlandeeinsatz an einem Tag in der Geschichte. 1350 Lastensegler, darunter 900 WACO CG- 4A, brachten amerikanische, britische und kanadische Luftlandetruppen von Stützpunkten in Frankreich und England über den Rhein, wo sie zusammen mit Fallschirmjägern einen Brückenkopf bildeten. Der Einsatzplan hatte die Luftlandung einer weiteren Division vorgesehen, doch standen nicht genügend Flugzeuge zur Verfügung, so dass diese Division nicht zum Einsatz kam. In Indien und Burma nutzten die Alliierten die CG-4A zur Versorgung von amerikanischen und chinesischen Truppen.
Auch die Royal Air Force hatte die CG-4A erhalten und nannte sie in ihren Diensten CG-4A Hadrian. Sie rüstete sechs Squadrons mit diesem Muster aus. Einige wenige Exemplare der CG-4A waren auch bei den kanadischen und tschechoslowakischen Luftstreitkräften im Einsatz.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurden die Lastensegler der US Army Air Forces bis auf wenige Exemplare verkauft. Der letzte dokumentierte Einsatz mit CG- 4A war eine Mission zur Unterstützung einer amerikanischen Arktisexpedition im Jahr 1953. Dazu erhielten die Flugzeuge Ski anstelle eines Radfahrwerks.
Obwohl über 13 900 CG-4 gebaut wurden, sind nur rund 20 Exemplare dieses Musters erhalten. Von diesen stehen nur zwei in Europa: Eines im Musée Airborne in St. Mère-Eglise in Frankreich und eines im Bevreijende Vleugels in Best in den Niederlanden.
Klassiker der Luftfahrt Ausgabe 02/2014