Offene Doppeldecker-Konstruktionen sowie abgestrebte Hoch- und Schulterdecker dominierten in der ersten Hälfte der 1930er-Jahre in den Jagdverbänden rund um den Globus. Während diese Bauarten in der Regel eine gute Manövrierfähigkeit und Steigleistung gewährleisteten, setzten sie bei der für einen Jäger so wichtigen Höchstgeschwindigkeit klare Grenzen. Im Deutschen Reich sah die Sache nicht anders aus: Zwar aufgrund des Versailler Friedensvertrages nach wie vor verboten und daher im Geheimen operierend, setzten auch die wiedererstarkenden deutschen Luftstreitkräfte 1934 mit Heinkels He 51 und Arados Ar 65 auf Exemplare dieser Zunft. Und mit dem Anderthalbdecker Ar 68 befand sich sogar ein weiterer Vertreter alter Bauart in den Startlöchern. Ein moderner Jäger aber sah inzwischen anders aus, so die Meinung vieler Konstrukteure. Sie stellten sich einen schnittigen Tiefdecker vor, wie ihn Junkers mit seiner J 9 im Grunde bereits 1918 fronttauglich gebaut hatte.

Mit dem Jäger Bf 109 gelang den BFW und Messerschmitt nach der Bf 108 ein weiterer ganz großer Wurf.
Auftrag für einen neuer Jäger
Im 1933 gegründeten Reichsluftfahrtministerium (RLM) hatte man sich inzwischen ebenfalls Gedanken zur nächsten Jägergeneration gemacht und schrieb im Februar 1934 offiziell einen neuen Verfolgungs-Jagdeinsitzer (VJ) aus. Die Firmen Heinkel, Arado sowie die Bayerische Flugzeugwerke AG (BFW) erhielten den Auftrag, entsprechende Entwürfe auszuarbeiten. Etwa sechs Monate später holte man auch Focke-Wulf mit ins Boot. Schon geraume Zeit vor der offiziellen Ausschreibung waren die etablierten und im Jagdflugzeugbau erfahrenen Hersteller Heinkel und Arado über die Sache informiert worden. Willy Messerschmitt, Technischer Direktor und Vorstandsmitglied der BFW, hatte von der Jägerausschreibung durch ein Schreiben von Hermann Göring an den BFW-Aufsichtsratsvorsitzenden Theo Croneiß erfahren. Darin war von einem kommenden "blitzschnellen Kurierflugzeug, das nur einsitzig zu sein braucht" die Rede. Gemeint war de facto ein neuer Jäger. Dem bei BFW seit September 1933 in der Entwicklung befindlichen Wettbewerbs- und Reiseflugzeug Bf 108 schenkte man daher umso mehr Aufmerksamkeit. Denn praktisch erprobte die Messerschmitt-Entwicklungsmannschaft hier bereits die Konstruktionsgrundlagen, die bald auch bei der künftigen Bf 109 zur Anwendung kommen sollten.

Die Bf 108 zeigte bereits viele der Konstruktionsmerkmale, die später auch in der Bf 109 umgesetzt wurden.
Rüstungsflugzeug IV
Zu den vom Technischen Amt im RLM genannten Vorgaben für die leichte Jagdmaschine, amtlich das Rüstungsflugzeug IV, gehörte unter anderem eine Höchstgeschwindigkeit von mindestens 400 km/h, die in 6000 Metern Flughöhe zwanzig Minuten lang mehrfach zu halten war und in sieben Minuten erreicht werden sollte. Die geforderte Gesamtflugdauer lag bei 1,5 Stunden, die Dienstgipfelhöhe bei 9000 Metern. Der Jäger sollte zudem von einem 400 auf 400 Meter großen Rollfeld aus operieren können. Oberste Priorität hatte die Höchstgeschwindigkeit, gefolgt von der Steigleistung und Wendigkeit des Jägers. Als Bewaffnung sah man entweder eine 20-mm-Maschinenkanone mit 200 Schuss oder zwei 7,92-mm-Maschinengewehre mit je 1000 Schuss Munition vor. Gegenüber den renommierten Konkurrenzfirmen Heinkel und Arado galten die BFW im Jägerfach als Außenseiter, weshalb man den in Haunstetten bei Augsburg ansässigen Flugzeugbauern in Fachkreisen nur geringe Chancen einräumte, die Ausschreibung zu gewinnen.

Die wichtigsten Entwurfsmerkmale samt Innenleben einer Bf 109 Dora.
Konstruktionsmerkmale
Zwar unter der Leitung von Professor Willy Messerschmitt, war es besonders Projektleiter Robert Lusser, der, wie bereits bei der Bf 108, maßgeblich für den Entwurf des Jagdeinsitzers verantwortlich war. Die konstruktive Ausarbeitung des Jägers übernahm federführend Dipl. Ingenieur Richard Bauer, der die Konstruktionsabteilung leitete. Es entstand ein aerodynamisch und technisch ausgefeilter Ganzmetall-Tiefdecker in für Messerschmitt typischer Leichtbauweise, der vom RLM die Typnummer 109 erhielt. Die Verwandtschaft zur Bf 108, von der zahlreiche Konstruktionsmerkmale einflossen, war und ist nicht zu übersehen. Doch hieß es für den Jäger: Den stärksten zur Verfügung stehenden Motor in die kleinstmögliche Zelle einzubauen, und dies unter Einsatz der leichtesten Werkstoffe und mit möglichst geringem Materialaufwand. Zu Messerschmitts Konstruktionsprinzip gehörte es auch, Bauteilen, wenn möglich, mehrere Funktionen zu geben. So nahm der Fahrwerksbock sowohl den Einziehmechanismus, den Kopf des Fahrwerkbeins, den vorderen der drei Flügelanschlüsse sowie die untere Befestigung des Motorgerüsts auf. Der Hinterrumpf, Rumpftüte genannt, bestand aus zwei selbsttragenden mit Längsprofilen versteiften Halbschalen aus Dural-Glattblech, verbunden durch Versenk-Nieten. Die geschlossene Kabine fiel zwar relativ eng, für durchschnittlich gebaute Piloten aber ausreichend geräumig aus. Die Höhenflossen aus Leichtmetall erhielten einfache Streben, die Ruder waren mit Stoff bespannt. Die ebenfalls aus Leichtmetall konstruierten einholmigen Tragflächen erhielten zur Verbesserung der Langsamflugeigenschaften an den Flügelvorderkanten Handley-Page-Vorflügel, die zunächst mit den Landeklappen gekoppelt waren, später aber eigenständig je nach Anströmdruck automatisch ein- und ausfuhren. Zwischen den Querrudern und dem Rumpf erstreckten sich lange Landeklappen. Der Anschluss des nach außen hin einziehbaren Hauptfahrwerks am Rumpf ermöglichte die Demontage der Flügel, ohne die Maschine aufbocken zu müssen. Die Spurweite von nur zwei Metern war zudem maßgeschneidert für den Transport per Eisenbahnwaggon. Im Flugbetrieb bei der Truppe führten die relativ eng stehenden Räder, verbunden mit der Neigung des Messerschmitt-Jägers, während Start und Landung die linke Fläche hängen zu lassen, immer wieder zu Unfällen.

Die Bf 109 V1, W.Nr. 758, beim Probelauf des Rolls-Royce-V12-Motors mit stehenden Zylinderreihen.
Mit britischem Motor
Da die in die engeren Wahl genommenen V12-Zylindermotoren BMW 116 und Jumo 210 noch nicht zur Verfügung standen, griff man für das erste Versuchsflugzeug auf einen Rolls-Royce Kestrel V zurück, der bis zu 742 PS bei 2900 U/min leistete. BFW-Pilot Hans Dietrich Knoetzsch startete mit der Bf 109 V1 am 28. Mai 1935 in Haunstetten zum Erstflug. Negativ fiel dabei die unzureichende Längsstabilität auf, die man später durch eine um gut 3 Grad stärkere V-Stellung der Tragflächen verbesserte. Als Flugkapitän Knoetzsch die Bf 109 V1, D-IABI, am 15. Oktober 1935 bei der Luftwaffen-Erprobungsstelle in Rechlin vorführte, missglückte ihm die Landung. Er setzte viel zu hart auf, wodurch die V1 stark beschädigt wurde – Knoetzsch kostete das Missgeschick angeblich seine Stellung. Die am 12. Dezember 1935 erstmals geflogene Bf 109 V2, D-IILU verfügte über einen Jumo 210 der Junkers Motorenbau GmbH, der bis zur Baureihe Dora Standardantrieb der 109 blieb.

Als direkter Konkurrent der Bf 109 war die Heinkel He 112 nicht nur deutlich schwerer, sondern auch wesentlich komplizierter aufgebaut.
Bf 109 gegen He 112
Heinkels ebenfalls in moderner Ganzmetallbauweise gefertigte He 112 V1 war im September 1935 erstmals geflogen, die He 112 V2 im November. Heinkels Optimismus, den Serienauftrag zu erhalten, erfuhr während des Vergleichsfliegens bei der E-Stelle in Travemünde am 15. April 1936 einen jähen Dämpfer: Einflieger Nitschke brachte die ansonsten gut zu fliegende He 112 V2 nicht mehr aus dem gefürchteten Flachtrudeln heraus und rettete sich mit dem Fallschirm. Die gleiche Prozedur war mit der Bf 109 V2 problemlos verlaufen. Auch zeigte sie etwas bessere Flugleistungen. Aufgrund ihrer einfacheren Auslegung war die 109 zudem sehr wahrscheinlich schneller und günstiger zu produzieren. Für die schwerere He 112 sprach, dass sie sich – besonders von einem Durchschnittspiloten – leichter fliegen ließ, speziell die Landung gestaltete sich mit dem Heinkel-Jäger deutlich einfacher. Zwar legte Heinkel mit einer verbesserten He 112 nach, doch fiel die Wahl letztlich auf die Bf 109. Neben Ernst Udet, dem Chef des Technischen Amtes im RLM, sprachen sich auch Ritter von Greim sowie die E-Stellen-Piloten Conrad und Francke für die Bf 109 aus. Arados Tiefdecker Ar 80 mit festem Fahrwerk und Focke-Wulfs Hochdecker Fw 159 zeigten sich der Konkurrenz von Heinkel und den BFW deutlich unterlegen und kamen daher nicht infrage.

Ein Jumo 210 in einer frühen Bf 109.
Vorserienfertigung und Bewaffnung
Im Auftrag des RLM fertigten die BFW zwischen Dezember 1936 und Februar 1937 zunächst etwa 20 Vorserienmaschinen Bf 109 Anton mit Jumo 210 B oder 210 D und starrer Holzluftschraube. Allerdings führen die meisten RLM-Dokumente diese Maschinen bereits als Bf 109 B wie Berta. Der Ölkühler, den man bei den ersten V-Mustern noch in den Kinnkühlereinlass integriert hatte, wanderte in der Serie unter die linke Tragfläche. Hinsichtlich der Bewaffnung, die man mit der Bf 109 V3, D-IOQY, erprobte, entschied man sich für zwei oberhalb des Motors positionierte, gesteuerte 7,92-mm-MG-17, deren Munitionsvorrat sich auf je 500 Schuss belief. Die ursprünglich geplante, durch die hohle Luftschraubenwelle feuernde 20-mm-Motorwaffe MG C/30 L wurde nicht verbaut. Als Zieleinrichtung diente in frühen Bf 109 ein oberhalb des Gerätebretts montiertes, teilweise in die Frontscheibe integriertes sowie außen gelegenes Reflexvisier Revi 3 b, anschließend ein C/12 A. Unmittelbar hinter der Kabine früher 109-Exemplare befand sich ein elektrisch betriebenes Vertikalmagazin zur Aufnahme von fünf 10-kg-Bomben. Das Fahrwerk bekam in der Serie schmalere Reifen, wodurch die Ausbuchtungen auf den Flügeloberseiten entfielen. Den Sprechfunk zwischen den Piloten sowie zur Bodenstelle ermöglichte ein Funkgerät FuG VII von Telefunken. Den A-Flugzeugen schloss sich nahtlos die Bf 109 B-1 Berta an, die überwiegend auf der am 23. September 1936 erstmals geflogenen Bf 109 V4, D-IALY, basierte.

Auf Erprobungsflug nahe Augsburg: Die Bf 109 V3 nutzte man unter anderem zur Waffenerprobung.
Weiterentwicklung
Den Antrieb übernahm ein Jumo 210 D mit 680 PS Startleistung. Der Ölkühler saß nun weiter vorn unter der linken Fläche. Da VDM den eingeplanten Zweiblatt-Verstellpropeller noch nicht liefern konnte, griff man wieder auf eine feste Holzluftschraube zurück, die später während der laufenden Produktion durch einen Zweiblatt-VDM-Verstellpropeller aus Metall ersetzt wurde. Ältere B-1 rüstete man nach, die Typbezeichnung änderte sich dadurch nicht. Die oft in der Literatur zu findende Benennung B-2 für Maschinen mit Verstellluftschraube taucht in keinem offiziellen Dokument auf. Womöglich unterschied man aber in den Einheiten die beiden Propversionen. Außerdem erhielt die Bf 109 B-1 im Laufe der Fertigung ein weiteres MG 17 mit 600 Schuss als Motorwaffe. Praktisch bereitete das durch die hohle Luftschraubenwelle feuernde MG aber fortwährend Probleme. Selbstzünder durch Überhitzung und Ladehemmungen gaben immer wieder Anlass zu heftiger Kritik, was die Waffe nahezu unbrauchbar machte. Das Bombenmagazin entfiel ab der B-Serie und die Vorflügel fielen kürzer aus.

Der charakteristische Kinnkühler prägte das „Gesicht“ der frühen 109 – hier eine Bf 109 B-1 mit Jumo 210 und Verstellpropeller auf einem Fotoflug.
Cäsar mit vier MG
Ab März 1937 erprobte man in der Bf 109 V11, D-IFMO, neue Waffenflügel mit zwei MG 17, die mit der strukturell verbesserten Bf 109 C-1 Ende 1937 in Serie gingen. Verändert präsentierte sich auch der vordere Teil des Windschutzaufbaus mit Revi C/12 B oder C und einer steiler angestellten Frontscheibe, die bereits während der B-Serie Einzug hielt. Die Version C-3 besaß anstatt der MG 17 20-mm-MG-FF in den Tragflächen, doch wurden nur wenige Exemplare derart bewaffnet ausgeliefert. Herzstück der Cäsar war ein Jumo 210 G mit Kraftstoff-Direkteinspritzung und 700 PS Startleistung sowie einem veränderten Lader für eine größere Volldruckhöhe. Neu waren auch die augenfällig aus der Motorverkleidung ragenden, leicht nach hinten gebogenen Abgasrohre. Diese brachten eine deutliche Verringerung der thermischen Belastung der Verkleidungsbleche mit sich und sorgten überdies für etwas zusätzlichen Schub. Der im Rumpf untergebrachte, selbstdichtende Kraftstofftank fasste nun 337 Liter Sprit anstatt der bisherigen 235 Liter. Da der Einbau des Jumo 210 G ursprünglich für einen weit früheren Zeitpunkt geplant war und man inzwischen bereits die neuerliche Umstellung auf einen 1000 PS starken Daimler-Benz DB 601 andachte, endete die Cäsar-Produktion, die ausschließlich bei den BFW stattfand, nach nur 58 Exemplaren.

Eine Bf 109 D-1 der Jagdgruppe 102, ausgestattet mit MG 17 in den Tragflächen. Im Gegensatz zur Berta standen die Abgasrohre bei den Versionen C und D deutlich weiter hervor.
D wie Dora
Weitere Verzögerungen führten jedoch dazu, dass die Bf 109 Dora ebenfalls den bewährten Vergasermotor Jumo 210 D erhielt und Messerschmitt den Wechsel zum DB 601 erst mit der kommenden Emil vollzog. Allerdings gibt es unterschiedliche Auffassungen darüber, warum man nochmals auf den Jumo 210 D bei der Dora setzte und eventuell auch Lieferschwierigkeiten beim 210 G eine Rolle spielten. Aufgrund ihres leistungsfähigeren Einspritzmotors mit verbessertem Höhenlader brillierte die Bf 109 C mit den besten Flugleistungen unter den Jumo-109, gefolgt von der leichteren Berta. Besonders auffällig zeigte sich dies in der Steigleistung und Höchstgeschwindigkeit in größeren Höhen. So erreichte die Bf 109 D in der Volldruckhöhe des Jumo 210 D von 3300 Metern 450 km/h. Die Bf 109 C lag hier etwa gleichauf, setzte sich darüber aber mit einem Fahrtvorsprung von 15 bis 20 km/h deutlich ab. In der Dienstgipfelhöhe blieb die Dora um rund 900 Meter unter der Cäsar. Zudem erlaubte die Einspritzanlage des Jumo 210 G auch Flugmanöver mit negativen g-Kräften, ohne Motoraussetzer befürchten zu müssen. Heinkel gelang es zwar 1937 mit einer völlig überarbeiteten He 112, die Bf 109 teils zu übertrumpfen, doch waren die Weichen im RLM bereits zugunsten der 109 gestellt. Insgesamt fertigten die BFW Augsburg sowie in Lizenz die Erla Maschinenfabrik und die Gerhard-Fieseler-Werke 341 Bf 109 der Ausführung Berta und BFW 58 Bf 109 Cäsar. An den 647 Dora-Exemplaren beteiligten sich zudem die AGO Flugzeugwerke, Arado und die Messerschmitt AG in Regensburg.