Die letzte große Offensive hatte die deutsche Luftwaffe am 1. Januar 1945 gestartet, als im Rahmen der "Operation Bodenplatte" rund 850* Jagdmaschinen alliierte Einsatzplätze angriffen. Zwar zerstörten und beschädigten sie dabei etwa 470* Flugzeuge, zahlten jedoch selbst einen sehr hohen Preis: 336* deutsche Maschinen gingen verloren. Eine schiere Katastrophe und faktisch der Todesstoß für die Jagdwaffe bedeutete der Verlust von 223* getöteten oder in Gefangenschaft geratenen Piloten. Die Unterredung am 19. Januar 1945 zwischen Luftwaffenchef Hermann Göring und hochrangigen Offizieren, darunter General der Jagdflieger Adolf Galland, Günther Lützow, Johannes Steinhoff sowie Heinz Bär, endete mit dem Zerwürfnis zwischen Göring und den meuternden Jagdfliegern, deren führende Köpfe er auf zweitrangige Posten verbannte. Galland war schon länger uneins mit Göring, was am 23. Januar 1945 zu seiner Absetzung führte. Seinen Platz nahm Gordon Gollob ein.

Mit abgerissenem Heck geht diese B-24 in die Tiefe. Jeder vor dem Bombenwurf abgeschossene Bomber bedeutete weniger Tote am Zielort.
Aussichtslose Lage
Obwohl aussichtslos, setzte die deutsche Führung weiterhin darauf, bis zum letzten Mann Widerstand zu leisten. Die propagierten Wunderwaffen waren bis dahin ausgeblieben. Die noch vorhandenen Piloten, viele von ihnen schlecht ausgebildet und unerfahren, kämpften pflichtbewusst unter zunehmend erschwerten Einsatzbedingungen bei akutem Spritmangel weiter, während der Feind ringsum stetig näher rückte. Praktisch verschlechterte sich die Lage täglich, gar stündlich. Schon lange besaßen die Fliegerkräfte der Alliierten die absolute Luftherrschaft über dem Reichsgebiet, weshalb auf den deutschen Einsatzplätzen ständig mit Luftangriffen zu rechnen war. Besondere Aufmerksamkeit "genossen" die Einsatzplätze des Düsenjägers Me 262, der den alliierten Maschinen weit überlegen war, bei Start und Landung jedoch zum hilflosen Opfer mutierte. Kampfflieger "schulte" man zu Jagdfliegern um, die mit ihren Me-262-Blitzbombern auf Bomberjagd gehen sollten – hinsichtlich der 262 unproblematisch, für die Piloten jedoch keineswegs.

Unteroffizier Willi Maximowitz in seiner Fw 190 A-8. Nach zwei Rammangriffen auf Viermotorige hielt er einen Vortrag vor den Piloten des Sonderkommandos Elbe.
Sonderkommando Elbe
Auf eine äußerst gewagte Mission bereiteten sich die Freiwilligen des vom Kommandeur der 9. Fliegerdivision, Oberst Herrmann, initiierten Sonderkommando Elbe vor. Die jungen Jagdflieger sollten mit ihren Jägern in einem groß angelegten Einsatz von 1000 Jägern Bomber rammen und zum Absturz bringen. Anschließend sollte der Pilot abspringen – falls möglich. Die Rammjäger sollen abgespeckt gewesen sein und die Bewaffnung war zumeist auf ein MG mit nur 60 Schuss reduziert. Zum einzigen Einsatz des Sonderkommandos stiegen am 7. April 1945 lediglich 120 Bf 109 auf. Ihr Ziel war ein über Norddeutschland einfliegender Großverband aus 1300 US-Bombern, begleitet von etwa 750 Jägern, zumeist P-51. Zudem beteiligten sich an dem Angriff normale Fw 190 der JG 300 und JG 301 sowie Me 262 des JG 7 und KG(J) 54. Während sich die Rammjäger sammelten und auf 10 000 bis 11 000 Meter stiegen, hörten sie im Funkempfänger (der Sender war deaktiviert) neben Kursanweisungen Marschmusik sowie das Deutschlandlied, dazwischen eine prägnante Frauenstimme: "Der Führer und Deutschland sehen zu euch auf. Denkt an die gemordeten Frauen und Kinder in den Trümmern von Dresden, rettet das Vaterland!" Cirka 50 "Elbe-Jäger" kamen gar nicht erst an die Bomber heran, fielen wegen technischer Defekte aus oder wurden von P-51 abgeschossen. Rund 70 Bf 109 stießen zu den B-17- und B-24-Bombern durch, etwa 30 bis 40 rammten. Nur vier Piloten überlebten die selbstmörderische Attacke. Zu ihnen gehörte Werner Zell, der eine B-17 am Leitwerk beschädigte und verwundet aus seiner Bf 109 K-4 herauskam. Obergefreiter Heinrich Rosner jagte seine 109 in den Bug der B-24 "Palace of Dallas", die ausscherte und eine zweite B-24 der 389th Bomb Group mit in die Tiefe riss. Rosner überlebte, es war sein erster Einsatz. Die Amerikaner verloren durch Rammen 16 oder 17 Bomber, weitere wurden teils schwer beschädigt. Zudem schossen die Sonderkommando-Piloten drei P-51 ab.

Adolf Galland (li.) und Günther Lützow beim Jagdverband 44 im Frühjahr 1945.
Noch einmal überlegen
Adolf Galland durfte nach seiner Absetzung eine eigenständig agierende Me-262-Einheit aufstellen, die er Jagdverband 44 nannte. Dafür holte er sich auch etliche Experten (Asse) von anderen Einheiten. Von Ende März an führte der JV 44, obwohl immer nur mit wenigen einsatzklaren Maschinen, beeindruckend vor, was mit der 262 möglich war. Aber auch die Jagdflieger des JV 44 wussten, dass die Niederlage kurz bevorstand und sie mit ihren Erfolgen dem Feind nicht mehr als Nadelstiche zufügten. Doch gab ihnen die Me 262, genau wie den Piloten bereits bestehender 262-Einheiten, ein letztes Mal das Gefühl der Überlegenheit. Am 26. April führte Galland einen Verband von sechs Me 262 gegen etwa 60 zweimotorige Martin B-26 Marauder mit dem Einsatzziel Schrobenhausen. Kaum kamen die US-Bomber im Raum Neuburg in Sicht, als Galland bereits eine Maschine ins Visier nahm. Zwar vergaß er, die R4M-Raketen unter den Flächen zu entsichern, doch die vier 30-mm-MK-108 reichten völlig aus – die Einschläge fegten den Bomber förmlich vom Himmel. Schon beschoss Galland eine zweite B-26 und beschädigte sie schwer. Er kurvte steil nach links, um sich die Trefferwirkung an der Marauder anzusehen. Über ihm verfolgte P-47-Pilot James J. Finnegan von der 10th Fighter Squadron das Treiben und sah seine Chance, den Jet zu erwischen: Entschlossen drehte er seine Thunderbolt auf den Rücken, zog kräftig am Knüppel und brachte sich in Schussposition. Zwei kurze Schussgarben aus den acht 12,7-mm-MG prasselten in Gallands 262. Beide Turbinen erhielten Treffer, Verkleidungsbleche flogen davon. Das Instrumentenbrett wurde zerschossen, wobei ein Splitter in Gallands rechtes Knie jagte. Finnegan verlor die qualmende 262 aus den Augen, sie verschwand in den Wolken. Galland wollte zunächst aussteigen, bekam den angeschossenen Jäger jedoch mit der Trimmung wieder in den Griff und nutzte die starke Bewölkung. Wenig später war er am Einsatzplatz München-Riem. Als er bemerkte, dass P-47-Jagdbomber den Horst angriffen, war es zu spät, um noch auszuweichen. Sein Funk war hinüber, so konnte ihn die Bodenstelle nicht warnen. Galland landete seinen lädierten Düsenjäger und suchte sein Heil in einem Bombentrichter. Ein Mechaniker eilte beherzt mit einem Kettenkrad herbei und befreite ihn aus dem Schlamassel. Das Kriegsende verbrachte Galland im Lazarett am Tegernsee.

Heinz Bär (li.) begutachtet eine vom ihm 1944 heruntergeholte Boeing B-17.
Das Ende des JV 44
Den JV 44 übernahm Oberstleutnant Heinz Bär, der von der ebenfalls mit 262 ausgerüsteten, jedoch aufgelösten III./Ergänzungsjagdgeschwader 2 zum Verband gestoßen war. "Pritzl" Bär schoss seine letzten Gegner am 28. April 1945 ab: drei P-47 sowie eine Mosquito, womit er in rund 1000 Einsätzen 221 anerkannte Luftsiege errungen hatte, darunter 125 westalliierte Gegner. 16 davon erzielte Bär auf der Me 262, womit er zu den erfolgreichsten 262-Piloten gehört. Am 28. und 29. April verlegte der JV 44 auf den etwa 100 km entfernten Platz Salzburg-Maxglan, ein paar Maschinen nach Innsbruck. Als Bär auf Befehl von Dietrich Pelz, General des IX. Fliegerkorps, und Oberst Hans-Joachim Herrmann den JV 44 nach Prag-Rusin verlegen sollte, um von dort aus in den Kampf um Berlin einzugreifen, widersetzte er sich nach Absprache mit Galland – Befehle nehme er nur von Kommandeur Generalleutnant Galland entgegen. Ein gewagtes Spiel gegenüber den beiden hochrangigen Linientreuen. Die Männer des JV 44 ergaben sich am 4. Mai in Salzburg den Amerikanern. Die Triebwerke ihrer 262 hatten sie zuvor mit Handgranaten gesprengt. Johannes Steinhoff, der als Schulungsleiter des JV 44 fungiert hatte, war bereits am 18. April beim Start mit einer Me 262 verunglückt und mit schweren Verbrennungen im Lazarett gelandet. Bis vor kurzem ungeklärt blieb das Schicksal von Oberstleutnant Lützow, der am 24. April vom Feindflug in seiner Me 262 des JV 44 nicht zurückgekehrt war. Nach neuesten Meldungen fand man bei Grabungen im Kehlheimer Wald Gegenstände, die Lützow zugeordnet werden, sowie Me-262-Teile. Womöglich ist das Rätsel um sein Verschwinden nach rund 80 Jahren endlich gelöst.

Endlich Ruhe: Die in Hadersleben abgestellte Ju 88 G-6 des NJG 3 der Besatzung Kleebauer.
Nach Dänemark
Auch die Nachtjäger des Nachtjagdgeschwader 3 flogen noch lange gegen die Übermacht an. Vom 31. März 1945 an bestand das NJG 3 lediglich noch aus drei Staffeln sowie dem Stab der II. Gruppe und der Stabsstaffel. Feldwebel Wilhelm Kleebauer und seine Besatzung starteten am 22. März 1945 mit ihrer Ju 88 G zur letzten Nachtjagdmission, blieben jedoch ohne Feindberührung. Sein Freund und Kamerad Unteroffizier Günter Schmidt flog am 3. April seinen letzten Einsatz, eine spezielle Mission: Mit zwei untergehängten 500-kg-Abwurfbehältern, gefüllt mit Kleinbomben, belegte er die Eisenbahnlinie Hamm–Bielefeld. Nach mehreren Verlegungen hoben die Besatzungen des NJG 3 am 19. April zu ihrem letzten Flug ab. Jede Ju 88 nahm zwei Männer des Bodenpersonals an Bord. Von Flensburg ging es um 21:50 Uhr nach Hadersleben in Dänemark. Unteroffizier Schmidt nutzte die Gelegenheit und nahm auch seine Frau Anni mit – unerlaubterweise natürlich. Er landete als Nachzügler in der Dunkelheit, so konnte Anni unbemerkt die Ju 88 verlassen. In einem nahegelegenem Gut fanden sie Quartier, während britische Einheiten immer näher rückten.

Erich Hartmann stieg am 8. Mai 1945 ein letztes Mal in seine Bf 109 G und erzielte seinen letzten Abschuss.
Letzter Luftsieg
Am Morgen des 8. Mai stiegen Erich Hartmann und sein Rottenflieger von der I./JG 52 in ihren Bf 109 G ein letztes Mal auf. Die beiden sollten erkunden, wie weit die Sowjets inzwischen vorgedrungen waren. Über Brünn sichteten sie unter sich acht Jak-9, wobei einer der Jagdflieger einen Siegeslooping über der brennenden Stadt drehte – ein folgenschwerer Fehler. Hartmann zögerte nicht, drückte nach unten und visierte den sowjetischen Jäger am Scheitelpunkt des Loopings an. Ein kurzer, sauber gezielter Feuerstoß besiegelte das Schicksal der Jak-9 und ihres unbekümmerten Piloten. Die Jak stürzte brennend ab. Offenbar blieben die Deutschen unbemerkt, da die verdutzten Jak-Piloten kurz danach auf den soeben erschienenen P-51-Verband über ihnen einschwenkten. Die Jak-9 war Hartmanns 352. sowie letzter Abschuss und womöglich auch der letzte eines deutschen Jagdfliegers. Damit war Hartmann der erfolgreichste Jagdflieger aller Zeiten und schrieb Luftkriegsgeschichte. Dass er dem Ruf Gallands zum JV 44 letztlich nicht gefolgt war, sollte er bald schon immer wieder bitter bereuen, denn "Bubi" Hartmann erwarteten mehr als zehn Jahre Kriegsgefangenschaft in der Sowjetunion. Major Julius Meimberg, seit April 1944 Gruppenkommandeur der II./JG 53, löste die Einheit am 28. April auf und verschanzte sich mit 60 Mann seiner Gruppe tief im Sachsenrieder Forst bei Kaufbeuren – für die einen Verrat am Vaterland, für die anderen eine weise Entscheidung. Die Männer der II./JG 53 überlebten und hörten im Radio vom längst überfälligen Ende des Krieges.
* Es existieren mitunter stark voneinander abweichende Zahlen.