Ende der 60er Jahre suchte die US Army einen Schwerlasthubschrauber als Nachfolger der CH-54 Tarhe. Das neue Muster sollte zugleich neue Leistungsbestmarken und niedrigere Kosten bieten. Im Jahr 1971 gaben die Generäle den Zuschlag für die Entwicklung und den Bau eines Prototyps des Heavy Lift Helicopters (HLH) an Boeing-Vertol. Dort entschieden sich die Ingenieure für eine Auslegung der XCH-62 mit zwei Tandem-Rotoren, wie schon bei der CH-46 und CH-47. Angesichts der geplanten Abflugmasse von 53 Tonnen (zum Vergleich: die maximale Startmasse der aktuellen CH-47F liegt bei rund 22,7 Tonnen) musste gleich drei Wellenleistungstriebwerke her. Die Wahl fiel auf das Allison XT701-AD-700 mit einer Leistung von 6024 Kilowatt. Mit einer maximalen Last von bis zu 35 Tonnen wäre der HLH der stärkste Serienhubschrauber der Welt geworden – die Mil Mi-10K konnte gerade einmal elf Tonnen schleppen. Bei der Flugsteuerung war erstmals in diesem Bereich der Einsatz eines Fly-by-Wire-Systems vorgesehen.

Nur ein Prototyp der XCH-62 wurde gebaut - und nie ganz fertig gestellt.
US Army verkürzt Zeitplan
Der Bau des Prototyps (Kennung 73-22012) begann im Juli 1974 im Werk in Ridley Park bei Philadelphia. Inzwischen hatte der Auftraggeber das Datum des Erstflugs um zwei Jahre auf 1975 vorgezogen. Daher konzentrierten sich die Konstrukteure zunächst auf die Elektrik und das Antriebssystem mit Rotoren und Getriebe. Auf einem separaten Prüfstand in New Jersey lief bereits ein von einem T701 angetriebener Rotor. Allerdings traten Probleme mit dem Getriebe auf, das die hohe Leistung nur schwer umsetzen konnte. Die Schwierigkeiten sorgten für Verspätungen und Kostensteigerungen, die wiederholt den US-Rechnungshof auf den Plan riefen.

Boeing sah eine Vielzahl von Anwendungsmöglichkeiten für den Giganten.
Politik dreht Geldhahn zu
Am 25. Juli 1975 zog der Kongress schließlich die Reißleine und stornierte die vorgesehenen Geldmittel. Zu diesem Zeitpunkt war der Prototyp zu rund 90 Prozent fertig. Boeing lagerte ihn zunächst in Wilmington ein. Im Jahr 1980 griff die NASA zumindest das Getriebe wieder auf und führte 100 Teststunden damit durch. Zur geplanten Fertigstellung der XCH-62 als reines Forschungsgerät kam es jedoch nicht mehr. Stattdessen entschied man sich, den Riesen im Luftfahrtmuseum der US Army in Fort Rucker, Alabama, auszustellen. Das Aus für die XCH-62 bedeutete auch das Ende für den T701-Antrieb. Allison hatte 15 Triebwerke gebaut, die insgesamt rund 2500 Stunden auf dem Prüfstand absolvierten.

Der Riese war nur einmal in der Luft - als Außenlast unter einer CH-47.
Einziger "Flug"
Die letzte Etappe der Strecke legte die XCH-62 am 6. Dezember 1987 tatsächlich in der Luft zurück – aber nur als Außenlast unter einer CH-47 Chinook. Dazu bauten die Techniker zahlreiche Systeme wieder aus, um das Gewicht zu reduzieren. Im Freigelände des Museums verschlechterte sich der Zustand zusehends, bis die Museumsführung schließlich 2005 die Verschrottung anordnete. Der damalige Kurator begründete den Schritt damit, dass es sich ja nicht um ein fertiggestelltes Fluggerät handele, sondern nur um ein Konzept. Daher habe es keinen historischen Wert. Diesen schien wenigstens das britische Hubschraubermuseum in Weston-super-Mare erkannt zu haben, denn es sicherte sich einige Komponenten wie etwa Teile des Fahrwerks.

Die XCH-62 sollte eine Fly-by-Wire-Steuerung und drei Wellenleistungstriebwerke erhalten.
Technische Daten
Antrieb: drei Allison XT701-AD-700 mit einer Leistung von je 6024 Kilowatt
Besatzung: 4 (Pilot, Copilot, Lademeister, Crew Chief) plus optional zwölf Soldaten im Frachtraum
Rumpflänge: 27,20 m
Gesamtlänge: 49,95 m
Höhe: 11,77 m
Rotordurchmesser: 28,04 m
Leermasse: 29485 kg
Max. Startmasse: 67130 kg
Max. Nutzlast: 35000 kg
Reisegeschwindigkeit: 282 km/h (mit einer Außenlast von 20412 kg)
Reichweite: 92 km (mit Last von 20412 kg)
Überführungsreichweite: 2780 km