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Deutsche Flugzeuge für Bulgarien

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Im Zweiten Weltkrieg kämpfte das Königreich Bulgarien an der Seite der Achsenmächte. Moderne Militärtechnik erhielten die bulgarischen Streitkräfte aus Deutschland. So begann das Reich 1940 mit der Lieferung von Bf 109 E und der Ausbildung von Piloten – die nach dem Einmarsch der Roten Armee im September 1944 zu erbitterten Gegnern mutierten.

Deutsche Flugzeuge für Bulgarien

Die Niederlage im Ersten Weltkrieg brachte für Bulgarien nicht nur Gebietsverluste, Reparationszahlungen und eine deutliche Verkleinerung der Armee mit sich. Der Friedensvertrag von Neuilly-sur-Seine verbot auch jegliche Militärluftfahrt. Diesen Vertrag brach das Königreich Mitte der 1930er  Jahre und begann mit dem Aufbau neuer Luftstreitkräfte. Die ersten Militärflugzeuge – zwölf Jagdflugzeuge Heinkel He 51 und zwölf Aufklärer Heinkel He 45 – wurden Ende 1936 in Deutschland gekauft. Mitte 1937 kamen ebenso viele Jagdflugzeuge Arado Ar 65 und Bomber Dornier Do 11 hinzu sowie Jagdflugzeuge PZL P.24 und leichte Bomber PZL P.43 aus Polen.

Dem neuen Hoheitszeichen der Königlich Bulgarischen Luftstreitkräfte lag das bulgarische Tapferkeitskreuz zugrunde, zudem war auf den Seitenrudern waagrecht die bulgarische Trikolore angebracht. Die aus dem Budget von König Boris III. bezahlten Ar 65 und Do 11 führten zusätzlich das Königswappen – ein goldenes kyrillisches B mit Krone auf rotem Schild. Am 27. Juni 1937 weihte Boris III. die Fahnen der neuen Einheiten, bezeichnet als „Seiner Majestäts Luftstreitkräfte“.

Nach der deutschen Besetzung der Tschechoslowakei im März 1939 kaufte Bulgarien 176 gebrauchte Flugzeuge der Hersteller Avia und Letov. Zur Ausbildung des fliegerischen Personals wurden zudem zahlreiche Trainer beschafft. Auch kamen bulgarische Piloten in den Genuss einer fliegerischen Ausbildung im Deutschen Reich und in Polen. Bis Mitte 1939 verfügten die Luftstreitkräfte über 144 Piloten. Im August 1939 wurden, quasi in letzter Minute, von Polen noch 22 Kampfflugzeuge PZL P.43 geliefert.

Nach dem deutschen Einmarsch in Polen und dem Beginn des Zweiten Weltkrieges beschloss Bulgarien Anfang 1940 den Kauf von zehn Messerschmitt Bf 109 E-3 für 2 072 000 Reichsmark. Im Juni 1940 kamen die in Wiener Neustadt hergestellten Jagdflugzeuge in zerlegtem Zustand per Eisenbahn in Bulgarien an. Ihre Montage erfolgte in einem Hangar neben dem Flugplatz Boschuriste bei Sofia, unter der Leitung von Messerschmitt-Werkmonteuren. Die Bf 109, Codename „Strela“ (Pfeil), hieß in Bulgarien einfach nur „Messer“.

Ende 1940 wurde als Hoheitszeichen auf Rumpf und Tragflächen ein schwarzes Andreaskreuz auf weißem Quadrat eingeführt. Die nationalen Farben auf dem Seitenruder blieben bis 1943. Sie wurden dann zur Anpassung an die Kennzeichnung der deutschen Luftwaffeneinheiten auf dem Balkan mit dem üblichen Tarnanstrich überdeckt. Das Rumpfband und die Flügelenden waren gelb lackiert.

Nachdem das Königreich am 1. März 1941 seinen Beitritt zum Dreimächtepakt (Deutsches Reich, Italien, Japan) erklärt hatte, erfolgte der Kauf weiterer Bf 109 E-3. Als Trainer dienten unter anderem Focke-Wulf Fw 44, Heinkel He 72, Bücker Bü 131 und Arado Ar 96. Die Stäbe wurden mit Fieseler Fi 156 Storch und Messerschmitt Bf 108 Taifun bedient. Jedoch verweigerte das Reich die Lieferung von Junkers Ju 88 und Heinkel He 111. Lediglich eine He 111 diente in der Passagierversion als Regierungsflugzeug. 1943 erhielt Bulgarien noch zwölf Bomber Do 17 M, 18 Aufklärer Focke-Wulf Fw 189 Uhu und zwölf Sturzkampfbomber Junkers Ju 87 R-2. Weitere 40 Ju 87 D-5 folgten 1944.

Mit dem Beitritt zum Dreimächtepakt wurde Bulgarien zum Aufmarschgebiet deutscher Truppen für den Balkanfeldzug, aus dem es sich territorialen Zugewinn und einen Zugang zum Mittelmeer versprach. Im Rahmen dieses Feldzuges erbeuteten bulgarische Truppen etliche Flugzeuge, da­runter die jugoslawische Lizenzausführung der Do 17, die Do 17 Ka. Gegenüber der Sowjetunion wahrte das traditionell prorussische Land aber auch nach dem Beginn des Unternehmens „Barbarossa“ seine Neutralität. Jedoch beteiligte sich Bulgarien am 13. Dezember 1941 an der Kriegserklärung der Achsenmächte  an Großbritannien und die USA.

Im  Juni 1941 wurden 15 bulgarische Aufklärer (Do 17 und Avia B-71) nach Kawala an der ägäischen Küste verlegt und führten im Verbund mit den 27 bei Athen stationierten deutschen Heinkel He 60 Aufklärungsflüge über der Ägäis durch. Zudem begleiteten sie deutsche und italienische Schiffsverbände nach Kreta und Nordafrika. Auch über dem Schwarzen Meer patrouillierten bulgarische Heinkel He 42 und He 60 sowie Arado Ar 196 A-3 gemeinsam mit der deutschen Seeaufklärungsgruppe 131. Ihr Standort war die Seeflugstation „Tschaika“ bei Warna.

Ausbildung und Einsatz der bulgarischen Piloten wurden von der Dienststelle des deutschen Luftattachés in Sofia begleitet. Fliegerischer Ausbilder war Major Gerhard Homuth und nach dessen Versetzung Major Johannes Seifert. Das bulgarische Luftverteidigungs- und Warnsystem stand unter dem Kommando von Major Helmut Kühle.

Im März 1943 genehmigte die deutsche Kommission für den Waffenstillstand die Lieferung von 96 Dewoitine D.520, deren Produktion unter dem Vichy-Regime weiterlief. Sie wurden im Herbst 1943 von französischen und deutschen Piloten überführt. Dabei gelang es sieben Franzosen, sich in die neutrale Schweiz abzusetzen.

Nachdem die „Heeresgruppe Afrika“ im Mai 1943 kapituliert hatte, standen den Alliierten die nordafrikanischen Flugplätze und wenige Monate später auch die auf Sizilien zur Verfügung. Am 1. August 1943 führten sie das Unternehmen „Tidal Wave“ (Flutwelle) durch, die Bombardierung der rumänischen Erdölfelder bei Ploesti. Vom Flugplatz Berka nahe der nordafrikanischen Hafenstadt Bengasi starteten 164 B-24D Liberator der 9. US-Luftflotte zu einer vierzehnstündigen Mission, die sich als verlust­reicher Fehlschlag entpuppen sollte. Die Bomber flogen ohne Begleitschutz, wurden frühzeitig aufgeklärt und vor Ploesti von deutschen und rumänischen Jagdflugzeugen angegriffen. Der Rückflug führte die übrig gebliebenen Liberator über bulgarisches Territorium – der erste Kampfeinsatz für die dortigen Jagdflieger. Einigen Bf-109-Piloten gelang es am Nachmittag, vier US-Bomber abzuschießen. Am 1. November 1943 wurde auf italienischem Boden die 15. US-Luftflotte für den Einsatz gegen Südeuropa und den Balkan aufgestellt.

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Bf 109 war bei bulgarischen Piloten beliebt

Der erste Luftangriff traf Sofia am 14. November 1943. Der Eindruck, den die anfliegenden Bomber am wolkenlosen Himmel hinterließen, war für die Bevölkerung äußerst beklemmend. Neben  15 bulgarischen Bf 109 beteiligte sich auch die 7. Staffel  des deutschen Jagdgeschwaders 27 an der wenig erfolgreichen Luftverteidigung. Gegen 12.30 Uhr fielen mehr als 600 Sprengbomben auf die Stadt.

Im Dezember 1943 wurden 30 deutsche Bf 109 G-2 und G-6 der I./JG 5 „Eismeer“ auf dem Flugplatz Wraschdebna bei Sofia stationiert. Im serbischen Nisch waren zudem Gruppen des JG 51 stationiert, die sich ebenfalls aktiv an den Kämpfen über Bulgarien beteiligten. Im Januar und März 1944 erhielt das Königreich, parallel zum Abzug deutscher Staffeln aus Nisch und Sofia, nochmals neue Bf 109 G-6. Insgesamt lieferte das Deutsche Reich 164 Bf 109, hauptsächlich der Version G-6, an die bulgarischen Luftstreitkräfte.

Bulgarische Piloten wie das  Fliegerass Stojan Stojanov schätzten die Bf 109 sehr. Leutnant Stefan Marinopolski, der davor auf einer D.520 geflogen war, berichtete: „Als ich mich zum ersten Mal in die Kabine der 109 G-6 setzte, fühlte ich, dass dies ein Flugzeug einer ganz anderen Klasse ist – alles war übersichtlich und leicht zu bedienen. Die Kabine war verhältnismäßig eng, aber ich hatte das Gefühl, ein Teil der Maschine zu sein. Beim Anlassen des Motors bekam ich ein Gefühl für Kraft und Sicherheit. Die Waffen waren sehr gelungen angeordnet.“ Im Sommer 1944 wurden sogar noch einige bulgarische Offiziere in Deutschland auf der Me 262 ausgebildet.

Ihren letzten Luftkampf auf der Seite der Achsenmächte hatten die bulgarischen Jagdpiloten am 26. August 1944 gegen 40 aus Rumänien zurückfliegende US-Flugzeuge. Bis dahin hatten die Bulgaren etwa 110 Einsätze geflogen und 53 gegnerische Flugzeuge abgeschossen.

Nach der Zerschlagung der deutschen „Heeresgruppe Südukraine“ in Rumänien erreichte die Rote Armee Anfang September die bulgarische Grenze. Am 5. September erklärte die Sowjetunion Bulgarien den Krieg, woraufhin Bulgarien die diplomatischen Beziehungen zum Großdeutschen Reich abbrach. Im Morgengrauen des 6. September verließen die deutschen Luftwaffeneinheiten Sofia. Zwei Tage später marschierten sowjetische Truppen in Nordost-Bulgarien ein. Daraufhin erklärte Bulgarien dem Großdeutschen Reich den Krieg. Eine kommunistische Regierung putschte sich an die Macht und begann mit einer politischen Säuberungswelle. Die bulgarische Armee wurde dem Oberbefehlshaber der sowjetischen 3. Ukrainischen Front unterstellt. Sie sollte die Rückzugswege der  über 300 000 Soldaten umfassenden deutschen „Heeresgruppe E“ aus Griechenland und dem Balkanraum unterbrechen. Wegen des Fehlens von Ersatzteilen und Treibstoff  endeten praktisch alle Offensivflüge der deutschen Luftwaffe im Balkanraum und die Luftwaffeneinheiten wurden als 11. Luftwaffenfelddivision reorganisiert.

Für den Kampf gegen die bisherigen Verbündeten wurde ein bulgarisches Geschwader  mit einem hohen Anteil deutscher Maschinen aufgestellt. Sie wurden mit einem breiten weißen Rumpfband und weißen Flügelenden anstelle der bisherigen gelben markiert. Das schwarze Andreaskreuz auf weißem Grund blieb bis zum Kriegsende erhalten. Der erste Einsatz gegen die Wehrmacht erfolgte noch am Nachmittag des 9. September 1944, als vier bulgarische Bf 109 G-6 den Feldflugplatz bei Nisch angriffen und sechs ihrer deutschen Pendants am Boden zerstörten. Hauptziel der Bulgaren waren fortan die Marschkolonnen der Wehrmacht, die auf Landstraßen durch die waldreiche Berglandschaft Mazedoniens und Südserbiens nach Norden zogen. Trotz geringer Verluste nahm die Zahl der einsatzbereiten Flugzeuge beständig ab. Später kam den bulgarischen Luftstreitkräften zugute, dass die Rote Armee beim Einmarsch in Österreich zahlreiche unbeschädigte Jagdflugzeuge erbeuten konnte. Nach dem Krieg musste Bulgarien jedoch 100 Bf 109 und alle Do 17 Ka an die Volksrepublik Jugoslawien abgeben.

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Zwei bulgarische Bf 109 haben überlebt

Im kommunistisch regierten Bulgarien der Nachkriegszeit wurden die verbliebenen Bf 109 als Jagdtrainer genutzt, bis der Ersatzteilmangel und einige schwere Unfälle zu ihrer Außerdienststellung führten. Die letzten dieser nunmehr als „faschistisch“ bezeichneten Flugzeuge wurden 1951 verschrottet. Lediglich zwei bulgarische Bf 109 haben überlebt. Die eine, 1942 in Wiener Neustadt gebaut (Werk-Nr. 14792) und 1949 an die jugoslawische Luftwaffe übergeben, steht im serbischen Luftfahrtmuseum am Flughafen von Belgrad. Die andere, 1943 in Regensburg produziert (Werk-Nr. 610937) und im Juni 1945 aus Österreich nach Bulgarien überführt, wurde 1948 der jugoslawischen Luftwaffe überlassen. Nach ihrer Ausmusterung im Jahr 1953 diente sie der Technischen Hochschule in Belgrad als Anschauungsobjekt in Sachen Maschinenbau. Sie wurde an den englischen Sammler Doug Arnold verkauft und 1989 vom Evergreen Aviation & Space Museum in McMinnville im US-Staat Oregon erworben (Museumsvorstellung im Klassiker der Luftfahrt 1/2012). Dort ist sie, flugfähig restauriert, in den Farben der Bf 109 des deutschen Fliegerasses Erich Hartmann ausgestellt. Ein Exponat mit Seltenheitswert ist Bulgarien jedoch geblieben: Das Luftfahrtmuseum in Krumowo bei Plowdiw beherbergt eine originalgetreu restaurierte, 1942 gelieferte Arado Ar 196 A-3 (Werk-Nr. 0219).

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