Das Kürzel MiG (Mikojan-Gurewitsch) steht auch heute noch für erstklassige Jagdflugzeuge. Nach dem ersten gemeinsam entwickelten Jagdflugzeug, der MiG-3, bauten die beiden russischen Konstrukteure Artjom I. Mikojan und Michail I. Gurewitsch nach dem Krieg weiterhin Jagdflugzeuge für die Rote Armee. 1946 flog mit der MiG-9 erstmals ein strahlgetriebenes Flugzeug aus der Moskauer Fabrik, noch mit Kopien deutscher Triebwerke. Den Auftrag dafür hatten sie lange vorher direkt von Stalin bekommen, denn den russischen Truppen waren in Deutschland viele Forschungsergebnisse in die Hände gefallen. Besondere Aufmerksamkeit galt dabei den nach hinten gepfeilten Flügeln. Für die späteren Entwurfsarbeiten wurden viele deutsche in Gefangenschaft genommene Wissenschaftler eingespannt. Einige Firmen, wie das Team von V. P. Taybin, beschäftigten sich mit nach vorne gepfeilten Flügeln, doch bei MiG arbeitete man weiter am Konzept, welches schon bei der Me 262 erfolgreich war. Die nach hinten ausgerichteten Flächen kamen dann bei der MiG-15 zum Einsatz.

Auch bei der Erforschung der neuen Strahltriebwerke bediente man sich des Know-hows der Deutschen. So wurden eigene Antriebe entwickelt, bei denen man sich das Jumo 004 und das BMW 003 als Vorbild nahm, allerdings nur mit mäßigem Erfolg. Im Werk Nr. 117 in Leningrad wurde unter der Leitung von Wladimir J. Klimow an einem Nachbau des britischen Rolls-Royce-Nene-Triebwerks geforscht. Die Arbeiten gingen jedoch nur sehr langsam voran, da als Vorlage lediglich Fotografien aus Luftfahrtmagazinen vorlagen. Zur großen Überraschung der russischen Regierung fanden sich in einer Lieferung im Rahmen eines Handelsabkommens zwischen Großbritannien und Russland plötzlich 25 neue Nene-Triebwerke. Klimow erhielt davon umgehend ein Exemplar, um dies nachzubauen. Den Technikern bei MiG wurde ebenfalls einer der ansonsten noch streng geheimen Antriebe zur Verfügung gestellt.
Die MiG-15, intern noch als Projekt „S“ geführt, flog erstmals am 30. Dezember 1947. Am Steuer saß Wiktor Nikolajewitsch Juganow. Vorher soll bereits ein weiterer Prototyp geflogen sein, der jedoch schon während der ersten Testreihen abgestürzt sei. Ob es sich dabei bereits um eine Version der späteren MiG gehandelt hat, kann man heute nicht mehr nachvollziehen. Der Antrieb und auch die Bauweise sollen sich aber deutlich unterschieden haben.
Juganow war nach den ersten Flügen sehr beeindruckt von dem neuen Muster und stellte nur beste Noten aus. Das Flugverhalten soll hervorragend gewesen sein. Lediglich bei Geschwindigkeiten von über Mach 0.86 wurde eine Instabilität um die Hochachse (Gieren) festgestellt. Dadurch wurden zwar die Flugeigenschaften nicht besonders beeinflusst, doch das Zielen mit der Bordkanone gestaltete sich schwierig. Dieses Problem war für die Techniker die größte Herausforderung, konnte jedoch letztlich gelöst werden.

Die MiG überzeugte schließlich, und so erteilte die Regierung einen Auftrag für die Serienfertigung des Jägers. Nach der offiziellen Erprobung durch das wissenschaftliche Forschungsinstitut, für das hauptsächlich Juri A. Antipow zuständig war, begannen zwei große Werke mit der Produktion der nun MiG-15 genannten Maschine. Das kopierte Nene-Triebwerk, welches kaum geändert worden war – lediglich die Umstellung auf das metrische System war erfolgt – wurde im Werk 45 in Moskau gebaut. Die Bezeichnung für das Triebwerk lautete RD-45.
Die MiG-15 (Codename „Fagot“) überzeugte vor allem durch ihre Einfachheit. Wenn man sie oberflächlich mit früheren deutschen Projekten verglich, fand man einige Gemeinsamkeiten. Doch bei genauerer Betrachtung wurde klar, dass sie eine vollkommen neue Konstruktion war. Die Tragflächen verliefen in einem Stück durch die Mitte des runden Rumpfs. Das Cockpit saß weit vorne, und der Lufteinlass verlief von der offenen Nase an den Seiten des Rumpfs und dann ober- und unterhalb entlang der Tragflächen zum Triebwerk. Der gesamte hintere Bereich konnte demontiert werden, um Arbeiten am Triebwerk, wie dessen Wechsel, vorzunehmen.

Der neuen, funktionell überzeugenden Flügel hatten eine negative V-Stellung von zwei Grad. Auf der Oberfläche waren zwei große Grenzschichtzäune montiert worden, um die Axialströmung aufrechtzuerhalten. Die Querruder arbeiteten hydraulisch, und die Fowler-Landeklappen vergrößerten mit dem Ausfahren die Flügelfläche. Das Fahrwerk war, wie bei vielen Mustern des Hauses Mikojan, einfach gestaltet. Die großen Räder – an einer stabilen Hebelaufhängung – boten auch beim Einsatz von unbefestigten Pisten aus viel Bodenfreiheit und Sicherheit. Die Bewaffnung sah ursprünglich eine N-37- und zwei NS-23-Bordkanonen vor. Anfangs wurden jedoch nur die zwei 23-mm-Kanonen eingebaut. Ab 1949 wurde die N-37 mit eingesetzt. An den Flächen konnten bei Bedarf sowohl Zusatztanks als auch zwei 250-Kilogramm-Bomben mitgeführt werden.
Ihr Einsatzdebüt hatte die MiG-15 im Koreakrieg 1950, wo sie in den ersten Kämpfen den amerikanischen Mustern noch deutlich überlegen war. Erst mit dem Eintreffen verbesserter F-86-Sabre-Versionen war das Kräfteverhältnis wieder ausgeglichen. Einschließlich der in Polen, der Tschechoslowakei und China in Lizenz gebauten Versionen wurden über 18 000 MiG-15 gebaut. Heute fliegen noch einige MiG-15 in privaten Händen in Europa und den USA.
Klassiker der Luftfahrt Ausgabe 02/2017