Schutz vor deutschen Bombern: Hawker Sea Hurricane als Katapultjäger auf hoher See

Hawker Sea Hurricane
Britischer Katapultjäger auf hoher See

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ArtikeldatumVeröffentlicht am 27.09.2025
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Großbritanniens Überleben hing 1940 entscheidend von der ausreichenden Versorgung auf dem Seeweg ab, vor allem aus den USA und Kanada. Als größter Feind der alliierten Frachter galten die deutschen U-Boote, in steigendem Maße aber auch Kampfflugzeuge. Denn nach der Niederlage Frankreichs bezog die deutsche Luftwaffe ab Mitte 1940 Einsatzplätze an der französischen Westküste, um von dort aus gegen den Nachschub aus Übersee aufzusteigen. Insbesondere mit den von Bordeaux-Mérignac aus operierenden bewaffneten Langstrecken-Fernaufklärern Focke-Wulf Fw 200 Condor des Kampfgeschwader 40 war es nun möglich, die feindlichen Frachtschiffe auch weit draußen im Atlantik anzugreifen. Die schwer beladenen, langsamen Frachter waren den deutschen Kampfflugzeugen beinahe hilflos ausgeliefert. So versenkten allein die Condor-Maschinen zwischen Juni 1940 und Februar 1941 rund 365 000 Tonnen alliierten Schiffsraum. Außerdem wurden ihre Konvoi-Sichtungen an die zu dieser Zeit noch hocheffektiven deutschen U-Boote weitergeleitet. Großbritanniens Premierminister Winston Churchill bezeichnete die Fw 200 aufgrund ihrer Einsatzerfolge als "Geißel des Atlantiks". Es musste sich daher dringend etwas ändern. Die Verstärkung an Flugabwehrwaffen allein vermochte das Condor-Problem nicht zu lösen. Die einzig wirklich schlagkräftige Gegenmaßnahme wäre der Einsatz von Flugzeugträgern gewesen, doch standen zu diesem Zeitpunkt viel zu wenige im Dienst.

Eine Sea Hurricane wird auf dem Übungskatapult startbereit gemacht
Sammlung Ringlstetter / RAF

Nur ein Start

Die missliche Lage führte Ende 1940 zu der Idee, einzelne Handelsschiffe quasi zu Miniatur-Flugzeugträgern umzurüsten, indem man auf dem Vorderdeck ein Katapult installierte. War eine feindliche Maschine ausgemacht, sollte ein Jagdflugzeug möglichst rasch starten, das Feindflugzeug abwehren und bestenfalls vom Himmel holen. Die Rückkehr des Jägers war nicht geplant. Für den Fall, dass der Pilot keinen geeigneten Landeplatz würde erreichen können, sollte er mit dem Fallschirm abspringen oder bei ruhiger See den Jäger auf das Wasser setzen. Die beiden letzteren Methoden der Einsatzbeendigung machten aus der Jagdmaschine de facto einen Einwegjäger. Der Pilot sollte möglichst schnell und unversehrt von einem Geleitschiff aus dem kalten und mitunter sehr rauen Atlantik an Bord geholt werden. Ein geeigneter Jäger fand sich in der zweisitzigen Fairey Fulmar, vor allem aber in Hawkers Hurricane Mk I. Zwar brillierte der Jäger nicht mit den besten Flugleistungen, doch sollten diese für den Einsatzzweck völlig ausreichen. Schließlich galt es schwerfällige und wesentlich langsamere Kampfflugzeuge in Form von Junkers Ju 88, Heinkel He 111, He 115, Blohm & Voss BV 138 und eben der Fw 200 zu bekämpfen. Mit einmotorigen deutschen Jägern war weit draußen über dem Meer nicht zu rechnen. Die für den Spezialeinsatz bestimmten Jäger rüstete man zu Sea Hurricane Mk IA um und versah sie mit Beschlägen für den Katapultstart. Die verwendete Schleuderanlage beschleunigte ein maximal 4500 Kilogramm schweres Flugzeug auf etwa 110 km/h. Den 1030 PS des Rolls-Royce-Merlin-Motors standen am Katapultwagen montierte 13 Raketen zur Seite, die brachiale Schubkraft erzeugten. Eine vollgetankte und aufmunitionierte Katapult-Hurricane brachte es auf eine Abflugmasse von rund 3000 Kilogramm und blieb damit noch gut unterhalb der für den Jäger höchst zulässigen 3400 Kilogramm.

Eine startbereite Sea Hurricane der Merchant Ship Fighter Unit (MSFU) auf einem CAM Ship im Herbst 1941
Sammlung Ringlstetter / RAF

Erprobung und Ausbildung

Nachdem in der frühen Testphase eine Hurricane beim Katapultstart verunglückte und der Pilot dabei ums Leben kam, zeigte sich die Idee im weiteren Erprobungsverlauf als durchaus praktikable Lösung. Am 5. Mai 1941 folgte die Aufstellung der Merchant Ship Fighter Unit (Handelsschiff-Jagdeinheit) in RAF Speke bei Liverpool unter Wing Commander Moulton-Barrett. Die Ausbildung der Katapult-Piloten übernahm Louis Strange, ein sehr erfahrener 49jähriger Flieger. Geübt wurde mittels landgestütztem Katapult, das die Sea Hurricane auf den bis zu 4,5 Kilometer breiten Fluss Mersey hinausbeschleunigte. Gehörten die ersten vier Schiffe noch zur Royal Navy (Fleet Air Arm), wo man sie als Fighter Catapult Ships bezeichnete, waren die weiteren Katapult-Schiffe als Catapult Armed Merchantman (CAM) Teil der Royal Air Force. Die ursprüngliche Planung sah vor, 50 Frachter mit Katapulten auszurüsten, doch baute man letztlich nur 35 um. Neben dem Flugzeugführer und Ersatzpiloten befand sich eine vierköpfige Bodenmannschaft an Bord, bei Navy-Schiffen kam weiteres Personal hinzu. Vier Basen standen den CAM Ships zur Verfügung: Belfast, Bristol sowie an den Flüssen Clyde in Schottland und Mersey im Nordwesten Englands. Das erste Frachter-Schutzschiff, die SS "Michael", lief Ende Mai 1941 aus, sank jedoch nach einem Torpedotreffer, ohne ihren auch "Hurricat" oder "Catafighter" genannten Jäger in die Luft gebracht zu haben – ein aus "Katapult" resultierendes Wortspiel. Am 3. August 1941 befand sich der Konvoi SL 81 auf der Route von Sierra Leone nach Großbritannien, als eine Fw 200 gemeldet wurde. Bereits sechs Minuten danach stieg der 40-jährige Pilot der NavyReserve, Lieutenant Everett mit der Sea Hurricane (W9277) vom CAM Ship HMS Maplin auf. Neun Minuten später nahm Everett die Viermotorige ins Visier, deren Besatzung sicherlich sehr überrascht war, so weit draußen über See auf einen einmotorigen Jäger zu treffen. In mehreren Fünf-Sekunden-Salven verschoss Everett seine gesamte Munition auf die Fw 200 C-3 (DE+OO) deren Bordschützen den Angreifer ihrerseits beharkten. Teile flogen von der Fw 200, die schließlich notwassern musste – es war der erste Luftsieg mit einer "Hurricat".

Hawker Sea Hurricane Mk.I auf dem Katapult eines CAM-Schiffs
Sammlung Ringlstetter / RAF

Erster Abwehrerfolg

Everett setzte den Jäger anschließend neben dem Zerstörer HMS "Wanderer" auf das Wasser, jedoch sank die Maschine unerwartet schnell. Erst in etwa neun Metern Tiefe gelang es Everett, sich aus der Kabine zu lösen. Ab August 1941 konnte der Catafighter durch den Einsatz von verbesserten Katapulten auch mit Zusatztanks starten, was seine Flugdauer erheblich steigerte. Arge Probleme bereitete der Wintereinsatz, weshalb von Ende 1941 bis einschließlich Februar 1942 keine CAM-Schiffe ausliefen. Im April 1942 begleitete ein CAM-Ship erstmals einen Konvoi Richtung Sowjetunion, wobei der Abschuss einer Ju 88 gelang und eine BV 138 abgedrängt werden konnte. Nachdem ausreichend viele Begleitflugzeugträger verfügbar waren, gingen Katapultschiffe ab August 1942 nur mehr vereinzelt bis weit in das Jahr 1943 hinein auf Begleitfahrt. Insgesamt starteten während der Haupteinsatzzeit der CAM Ships von Juni 1941 bis Herbst 1942 offiziell nur acht "Hurricat", deren Piloten der Abschuss von vier Fw 200, vier He 111 und einer Ju 88 gelang. Ein paar Angreifer wurden abgedrängt. Ein "Catafighter" wurde abgeschossen, sein Pilot verwundet gerettet. Für einen "Hurricat"-Piloten endete der Einsatz tödlich, nachdem er sich beim Aussteigen verletzt hatte. Zwölf Katapult-Schiffe gingen verloren.