Legendärer Flugmotor der Messerschmitt Bf 109 - Das Leichtbauwunder Daimler-Benz DB 605

Leichtbau-Kraftpaket für die Messerschmitt
Daimler-Benz DB 605 - Der Erfolgsmotor der Bf 109

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Veröffentlicht am 25.01.2025

Warum sind Fans weltweit mehr denn je so fasziniert von der 109, dem eindeutig bekanntesten deutschen Klassiker überhaupt? Das liegt neben Dingen wie Technik und Renommee sicherlich auch an der ganz speziellen Geräuschkulisse, die das kernige V12-Triebwerk produziert: ein wunderbar saftig und vollmundig klingender Gänsehaut-Sound, der jedermann mit wenigstens einem Tropfen Benzin im Blut wohlig die Nackenhärchen aufstellt. Dank Internet kann man sich davon sogar Eindrücke verschaffen, ohne diese Maschine jemals live gesehen zu haben – was aber jeder Flugbegeisterte unbedingt mal erlebt haben sollte.

Messerschmitt Bf 109 G-4 mit Daimler-Benz DB 605
UWE GLASER

Anfänge der Daimler-Benz V12-Motoren

Die Geschichte der Kraftpakete von Daimler-Benz begann 1931 mit dem Typ F4. Der flüssigkeitsgekühlte V12-Motor mit hängenden Zylinderbänken wies schon den typischen – da am besten geeigneten – Winkel von 60 Grad auf. Primär bei kleineren Flugzeugmustern hatte sich durch diese Bauweise eine Reihe von Vorteilen wie gute Sichtverhältnisse und bessere Wartungszugänglichkeit ergeben. Außerdem konnte durch die höhere Lage der Propellerwelle der Durchmesser des Propellers größer beziehungsweise das Fahrwerk kurzbeiniger ausfallen. Letztlich erleichterte dies beim einmotorigen Jäger die Platzierung von Bordwaffen im Rumpf und ermöglichte eine großkalibrige, durch die hohle Luftschraubenwelle feuernde "Motorwaffe"; Voraussetzung dazu war dann aber ein seitlich angebrachter Lader.

 Bf 109 G-6 in Manching mit geöffneter Motorhaube
Brian Silcox

Weiterentwicklung DB 605

Der DB 605 als Weiterentwicklung der Vorläufermodelle 600 und 601 ging im Jahre 1941 in Serie. Gegenüber dem 601 erhielt er vier Millimeter mehr Bohrung bei unverändertem Hub. Bohrung mal Hub betragen 154 mal 160 Millimeter, ergibt 35,7 Liter Hubraum. Im Verein mit einem vollständig gleitgelagerten Kurbeltrieb (beim 601 waren die sechs gegabelten Pleuel noch rollengelagert), dem vergrößerten Ladergebläse, einer gesteigerten Maximaldrehzahl, der angehobenen Verdichtung und modifizierten Steuerzeiten realisierte man das geforderte Plus an Leistungsausbeute. Die Ventilüberschneidung – also der Bereich, wo Einlass- und Auslassventile gleichzeitig offen sind – beträgt stramme 106 Grad. Für einen mächtigen "Stationärmotor" mit zwangsweise moderater Literleistung (wie es im Grunde jedes Flugzeugtriebwerk per se ist) darf dies beinahe schon als Rennsportcharakteristik bezeichnet werden! Der Effekt dahinter: Abgas übt auf einströmendes Frischgas eine zusätzliche Saugwirkung aus, was der Zylinderfüllung bei höheren Drehzahlen zugute kommt. Im Leerlauf- und Teillastbereich kann es dafür zu unerwünschtem Rückströmen von zuviel Abgas in den Ansaugtrakt kommen (Spülverluste). Was sich die Ingenieure diesbezüglich zur Abhilfe einfallen ließen, dazu später noch mehr.

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Die zwei Zündkerzen pro Zylinder lagen, statt wie früher nebeneinander im Bereich der Auslassventile, jetzt seitlich einander gegenüber an der Brennraumwand – deutlich günstiger für eine rasche Ausbreitung der Flammfront. Die Energie liefert ein Bosch-Zwillingszündmagnet ZM 12 CR8, die Zündzeitpunktverstellung erfolgt mechanisch in Abhängigkeit von der Leistungshebelstellung. Auf längeres Laufenlassen im Stand reagiert das Triebwerk in einer Bf 109 wegen Überhitzungsgefahr sehr empfindlich: Falls es mal unvermeidbar war, musste der Pilot bei Bedarf manuell kurz auf Spätzündung verstellen und so die Zündkerzen von Rußablagerungen reinigen. Diese Prozedur empfahl sich auch bei längerem Drosselflug. Die Schmierung arbeitet im Trockensumpfsystem, das heißt mit Rückförderung vom tiefsten Punkt des Triebwerks aus in einen externen Öltank – in diesem Fall durch ein in den Ventildeckeln angebrachtes Absaugrohr. Insgesamt drei Zahnrad-Ölpumpen, davon eine für die Druckseite und pro Zylinderbank je eine von der Nockenwelle angetriebene Rückförderpumpe steuern den Ölkreislauf. Der Öldruck beträgt in Abhängigkeit der Leistungsstufe 2,5 bis maximal 8 bar. Die Ölversorgung für die sieben Hauptlager der gesenkgeschmiedeten Kurbelwelle erfolgt per radialer Zuführung von außen nach innen über Nute in den Lagerböcken, Kanäle in Kurbelwelle und Hubzapfen leiten den Schmierstoff an die Pleuellager weiter.

Zeichnung Aufbau des Daimler-Benz DB 605
Archiv Hafner

Zylinder und Brennräume sind ein gemeinsames Gussteil

Konträr zu den ebenfalls in hängender Bauweise konzipierten Pendants von Jumo glänzt die gesamte DB-60x-Baureihe bis hin zum Hubraumriesen DB 603 mit einigen konstruktiven Besonderheiten. In den beiden aus Leichtmetall gegossenen Zylinderbänken sind je sechs "trockene" Stahl-Laufbuchsen eingeschrumpft beziehungsweise eingeschraubt. Trocken bedeutet, dass die Buchsen nicht direkt mit der Kühlflüssigkeit (ein unter Druck stehendes 50 : 50 Wasser-Glykol-Gemisch mit Schutzölbeimischung) Kontakt haben. Das ist der kniffligste Prozess während der gesamten Revision, da hierzu die Bank auf über 200 Grad erhitzt sein muss. Falls ein Erneuern der stählernen Ventilsitzringe nötig ist, werden diese bei 160 bis 180 Grad eingeschraubt. Mangels detaillierter Dokumentation in den alten Unterlagen mussten sich die heutigen Experten wie Siegfried Knoll vom Flugmuseum Messerschmitt und Hilmar Lang das Know-how in aufwendigen Selbstversuchen erst wieder aneignen. Probleme mit Füllungsungleichheiten im teils unsymmetrisch aufgebauten Ladeluftrohrsystem lösten die Techniker ab dem Typ 601 E durch leicht unterschiedliche Verdichtungen der beiden Zylinderbänke. Beim 605 A beträgt diese links 7,3 : 1, rechts 7,5 : 1. Übrigens ganz clever gelöst via minimal unterschiedlichen Einschraubtiefen der Laufbuchsen.

Die Königswellen zum Antrieb der Nockenwellen besitzen deshalb einen Längenausgleich. Die geschmiedeten Leichtmetall-Vollschaftkolben – bestückt mit je drei Kompressions- sowie zwei Ölabstreifringen – und die Brennräume sind also links und rechts identisch. Die Laufbuchsen tragen am überstehenden Bund ein weiteres Gewinde, damit wird die Bank nach dem Abkühlen mittels sogenannter Schraubringe von innen her ans Kurbelgehäuse festgezogen. Zylinder und Brennräume bilden ein gemeinsames Gussteil, auf herkömmliche Stehbolzen nebst nötiger Dichtung wie bei getrenntem Zylinderkopf kann verzichtet werden – hohe Betriebssicherheit, geringerer Bauteileaufwand und somit weniger Masse stehen auf der Vorteilsliste. Nicht umsonst bringen die DB-Aggregate für V12-Motoren ihrer Hubraumgröße am wenigsten Gewicht auf die Waage. Der Ventiltrieb ist so gestaltet, dass die vier Ventile pro Zylinder von nur zwei Nocken gesteuert werden. Jeder Nocken öffnet via Schwinghebel zuerst sein zugehöriges Einlass-, danach das Auslassventil. Um Verschleiß zu minimieren, laufen die Nocken über reibungsarme Gleitrollen ab. Das Ventilschaftende wird vom Schwinghebel per Kugelpfannen-Einstellschraube mit planer Auflagefläche ohne Gefahr von Pittingbildung betätigt. Zur besseren Wärmeableitung sind die hartverchromten Auslassventile mit einer Natriumfüllung versehen.

Zeichnung Lader Daimler-Benz DB 605
Archiv Hafner

Schwäbisches Kraftpaket

Eine fortschrittliche Gemischaufbereitung geriet bei der deutschen Flugmotorenindustrie schon früh in den Fokus. Zulieferer Bosch war auf dem Sektor Diesel-Einspritztechnik bereits federführend innovativ tätig. Darauf aufbauend beschlossen zu Beginn der 30er Jahre sowohl Daimler-Benz als auch Junkers und BMW, zugunsten der Benzindirekteinspritzung die Weiterentwicklung des Vergasers einzustellen. Gegenüber selbigem trumpfte jene mit allerhand Vorzügen auf: weniger Verbrauch durch feinere Kraftstoffzerstäubung, leistungsfördernde Steuerzeiten möglich ohne unnötige Kraftstoffverluste, keine Probleme mit Vergaservereisung und bei allen Flugmanövern gewährleistete Spritversorgung. Beim Ottomotor sind prinzipiell keine so hohen Einspritzdrücke wie beim Diesel notwendig, die Bosch-Einspritzpumpe des 605 A arbeitet mit rund 90 bar. Technisch bedingt generiert dies aber stärkere Rußemissionen als etwa mit Vergaser – ein seinerzeit natürlich kaum ins Gewicht fallender Nachteil.

Bei heutigen Automotoren mit Direkteinspritzung nähert man sich mit ständig verfeinerten Konstruktionen den 300 bar an und setzt zudem noch auf Partikelfilter. Ein weiteres technisches Schmankerl der schwäbischen Kraftpakete zeigt sich am getriebelosen Lader, wobei die Drehzahl des Laderlaufrades stufenlos über eine hydraulische Kupplung reguliert wird. Dadurch vermeidet man den kurzen Einbruch an Ladedruck beziehungsweise Leistung, wenn bei einem Schaltlader die Motorsteuerung bei einer bestimmten Flughöhe vom "Boden-" auf "Höhen"-Gang umschalten muss. Das Drucköl für die Kupplung liefert eine barometrisch gesteuerte Zuteilpumpe, die beginnend vom Boden bis zur Volldruckhöhe den Schlupf von anfänglich rund 30 Prozent kontinuierlich reduziert. Ab der Volldruckhöhe von 5800 Metern aufwärts beträgt dieser nur noch zwei bis drei Prozent, sprich: die Kupplung arbeitet nahezu "starr". Das Laderlaufrad dreht sich dann mit seiner von der Winkeltriebübersetzung her vorgegebenen Höchstdrehzahl in Abhängigkeit zur momentanen Kurbelwellendrehzahl. Beispiel: 2800/min der Kurbelwelle entsprechen rund 24 000/min des Laderlaufrades. Unterhalb von 1900/min ist beim 605 A nicht zuletzt wegen der scharfen Steuerzeiten der Druck im Ansaugtrakt niedriger als der Abgasdruck, sodass bei einer typischen einzelnen großen Drosselklappe ein Rückströmen von Abgasen auftreten und die vorderen Zylinder im ringförmigen Ladeluftrohrsystem überfetten würden. Unterbunden wird dies durch eine im Durchmesser stark verkleinerte, klappengesteuerte Nebenluftleitung, welche man sich wie einen Bypass vorstellen darf und die den Zylindern eine ideal angepasste Luftmenge zur Verfügung stellt. Die Hauptdrosselklappe ("Leistungsklappe") kommt erst weiter oben ins Spiel, bei Start- und Notleistung sind dann alle Klappen voll offen.

DB 605-Zylinderbank, hier mit geöffneter Ansaugseite und freiligendem Ventiltrieb zu sehen
Dorst

2000 PS Maximalleistung Mit C3-Kraftstoff und MW 50

Der vom Lader erzeugte Überdruck wird via separater automatischer Reglerklappe in allen Drehzahlbereichen so abgedrosselt, dass im Ansaugtrakt vor den Ventilen immer nur der zur jeweiligen Leistungsstufe gehörige Ladedruck herrscht – beim 605 A sind das 1,42 ata bei Start- und Notleistung. Unter den Einhebelbedienungen der deutschen Motorenhersteller war das von Daimler-Benz entwickelte System gegenüber den hochkomplexen Block-Geräten von BMW und Junkers etwas einfacher aufgebaut. Allen Systemen gemeinsam ist, den Piloten durch eine automatisierte Triebwerksbedienung zu entlasten: Er muss nur mit dem Gashebel ("Leistungshebel") die gewünschte Power einstellen; alle anderen abhängigen Parameter wie Drehzahl (reguliert durch die sich stufenlos verstellende Steigung der Propellerblätter), Kraftstoffdosierung und Zündung passen sich selbsttätig an. Ladedrucksteigerungen gehen immer mit weiter anwachsender, das Triebwerk belastender Wärmeentwicklung einher. Die alliierten Jäger hatten dank ihrer Flächenbewaffnung weniger Platzprobleme in der Zelle, und deshalb waren bei ihnen meist spezielle Ladeluft- beziehungsweise Gemischkühler zu finden. Auf deutscher Seite gab es wegen der Rumpfbewaffnung und der seitlichen Lader eh schon knappe Verhältnisse. Daher erhielt die platzsparende Zusatzeinspritzung den Vorzug, und man verzichtete weitgehend auf Ladeluftkühler. Beim DB 605 war diese zeitlich beschränkt benutzbare "Sondernotleistung" ab dem Typ AM vorgesehen. Bei Volllast wurde eine leistungssteigernde Mischung aus Wasser und Methanol im Verhältnis 50 : 50 (MW 50) direkt ins Laderauge gespritzt – das senkt die Temperaturen im Ansaugsystem, verbessert so die Füllung und erhöht den Wärmeumsatz bei der Verbrennung.

Per Außerfunktionsetzung des Ladedruckreglers drückte das Gebläse sozusagen alles, was es konnte, beim AM waren das dann um die 1,7 ata. Bei den späten 605-Typen mit weiter verbessertem Lader war der Ladedruckregler wieder aktiv und begrenzte auf maximal 1,98 ata; mehr hatte man zu Kriegszeiten nicht freigegeben. Auf den Werksprüfständen liefen die Motoren aber auch bereits mit über 2 ata Ladedruck. Wirksam ist MW 50 allerdings nur bis zur Volldruckhöhe, da darüber selbst der maximal fördernde Lader wegen des stetig weiter abnehmenden Drucks in der Atmosphäre nicht mehr die optimale Füllung liefern kann. Für eine Leistungssteigerung über der Volldruckhöhe wurde schon Anfang 1940 das GM-1-Verfahren entwickelt, die Einspritzung von Stickoxydul (Lachgas) als zusätzlichem Sauerstoffträger. Ab 1944 geriet dank der gestiegenen Volldruckhöhen der Motoren dieses System zugunsten von MW 50 jedoch in den Hintergrund. Zu was der in einer stolzen Anzahl von insgesamt 42400 Exemplaren gebaute Motor in seiner stärksten Ausbaustufe als Typ ASC mit C3-Kraftstoff (der kriegsbedingt bestenfalls 98 Oktan hatte) und 1,98 ata fähig gewesen wäre, zeigt sich eindrucksvoll an der Performance einer dergestalt bestückten Bf 109 K-4: Steigrate in Bodennähe: phänomenale 24,5 m/s, Höchstgeschwindigkeit: 728 km/h in 6000 Meter – nur knapp unter den 732 km/h einer Spitfire Mk 21, aber in 1800 Meter niedrigerer Höhe!