Flugzeugkonstrukteur Alexander Jakowlew

Stalins Liebling
Ohne Jakowlew kein Sieg

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Zuletzt aktualisiert am 09.08.2018

Wir vertrauen Ihnen, wenn Sie auch noch jung sind. Sie verstehen sich auf Ihre Sache, sind nicht in den Irrtümern der Vergangenheit befangen und können deshalb objektiver sein als alte Spezialisten... Die haben uns aber im Hinblick auf unsere Luftflotte in die Sackgasse geführt.“ Als Stalin diese Worte sprach, war Jakowlew gerade einmal 33 Jahre alt, hatte ein paar Aufsehen erregende Schulflugzeuge und seinen ersten Jäger, die Jak-1, in die Praxis überführt. Da machte ihn der Diktator zum stellvertretenden Volkskommissar (Minister für Flugzeugindustrie mit der Verantwortung für den experimentellen Flugzeugbau und die Luftfahrtforschung.

Jakowlew bewährte sich tatsächlich in dieser Funktion, vor allem wohl, als er maßgeblich an der Verlagerung der Konstruktionsbüros und Herstellerwerke vor den heranrückenden deutschen Truppen nach Sibirien beteiligt war. Dabei wollte der am 1. April 1906 in Moskau Geborene doch immer nur eines: Flugzeuge bauen!

Er besuchte ein Gymnasium und lernte nach eigener Aussage sehr gern. In der Freizeit beschäftigte er sich mit dem Modellbau und besuchte auch einen Zirkel für Segelfliegen, doch hatte er nie den Ehrgeiz, selbst Pilot zu sein. Ihm gelang es nach dem Schulabschluss, Gehilfe beim Bau eines Segelflugzeuges zu werden, wo er auch Sergej Iljuschin kennenlernte, der ihm erste theoretische Grundlagen vermittelte.

An der Akademie der Luftflotte durfte er nicht studieren, weil er nicht in der Roten Armee gedient hatte. Also begann er dort im März 1924 eine Ausbildung in den Lehrwerkstätten, und dieser Einblick in die Praxis war ihm wertvoll bis ins hohe Alter. Auf einem Flugplatz fand er eine Halde voller Flugzeugwracks aus dem ersten Weltkrieg, die er gründlich studierte. 1925 baute er schließlich sein erstes zweisitziges Leichtflugzeug, das auf Anhieb zwei Weltrekorde erflog und ihm endlich die Tore zur Akademie öffnete.

Nach dem Studium bewarb er sich wieder als Praktiker, und zwar als Produktionsingenieur beim Zentralen Konstruktionsbüro, wo er in der Freizeit weitere Projekte verfolgte und 1936 erstmals Stalin vorgestellt wurde. Der machte ihn zum Generalingenieur (Generalmajor der technischen Truppen), verlieh ihm für den Schnellbomber BB den ersten Leninorden und holte sich häufig bei ihm Rat, wenn es um Probleme der Konstruktion oder Produktion ging.

Mehrfach war Jakowlew Mitglied von Regierungsdelegationen bei Reisen ins Ausland, so auch nach Deutschland, wo er neben Hitler und Goebbels auch Udet, Messerschmitt, Tank und Heinkel kennenlernte, deren Werke er besichtigen durfte. In Deutschland kaufte er vom Fleck weg fünf Bf 109, eine He 100 sowie je zwei Ju 88 und Do 215, die auf Stalins Weisung gründlich von sowjetischen Experten geprüft werden sollten.

Gegenüber dem Generalissimus äußerte „(ich) die feste Überzeugung, dass die deutschen Faschisten, durch die ersten Erfolge bei der Eroberung Europas geblendet, nicht im Entferntesten daran dachten, die Russen könnten es mit ihnen aufnehmen. Sie waren sich ihrer militärischen und technischen Überlegenheit dermaßen sicher, dass sie uns die Geheimnisse ihres Flugzeugbaus zeigten, um uns noch stärker zu beeindrucken, uns in Staunen zu versetzen und einzuschüchtern.“ So schrieb er später in seinen Memoiren, die 1976 unter dem Titel „Ziel des Lebens“ in Moskau erschienen.

Obwohl Jakowlew seine Stellung im Ministerium nie ausnutzte und seine Konstrukteurskollegen mit allen Mitteln unterstützte, waren diese ihm gegenüber stets misstrauisch. Immerhin war der junge Mann der einzige unter all den berühmten Schöpfern der russischen Luftflotte, der nicht unter den zahlreichen Säuberungsaktionen des KGB-Chefs Berija leiden musste oder sogar ins Gulag wanderte.

Ungeachtet seiner Aufgaben zur Organisation der Flugzeugproduktion während des Krieges arbeitete er auch weiter an der Verbesserung seiner eigenen Maschinen. Rund 36 000 Jaks der verschiedensten Versionen wurden während des Krieges an die Truppe geliefert; Jakowlew selbst zweimal als Held der sozialistischen Arbeit, siebenmal mit dem Leninorden und fünfmal mit dem Stalinpreis ausgezeichnet. Die Preisgelder spendete er für den Ankauf von Flugzeugen für die Front.

1946 sprach er sich noch gegen den Nachbau der Me 262 und für Eigenentwicklungen sowjetischer Strahlflugzeuge aus, dann ließ er sich vom Ministeramt entbinden. Er baute weiter Flugzeuge aller Klassen und Größen und schrieb die oben erwähnte Autobiografie. Als er am 22. August 1989 starb, war er bereits eine Legende.

Klassiker der Luftfahrt Ausgabe 08/2012