Segelflugzeug Bölkow Phoebus im Test

Standardklasse
Bölkow Phoebus - Flugzeugtest

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Zuletzt aktualisiert am 26.01.2018

Bölkow Phoebus - Flugzeugtest

Elegant wirken ja fast alle Segelflugzeuge, jedoch fiel bei diesem Flugzeug, das ganz in Kunststoff-Balsaholz-Bauweise hergestellt ist, sofort die hervorragende Oberflächengüte auf. Ich habe seinerzeit kein Hehl daraus gemacht, daß nach meiner Ansicht dieses Flugzeug bei der Vergabe des OSTIV-Preises für das beste Standardsegelflugzeug Favorit sein müßte. Obwohl ich diesen Segler noch nicht geflogen war, konnte ich mir doch von seinen Leistungen etwa ein Bild machen, da ich bei den Deutschen Segelflugmeisterschaften gegen ihn schon konkurriert hatte.
         

Ein außergewöhnliches Flugzeug

Nun, wir wissen längst, daß ein anderes Flugzeug mit diesem Preis bedacht wurde. Ich stand jedoch mit meiner Meinung nicht allein, und so möchte ich aus den vielen Bemerkungen, die sich auf die Beurteilung von Typen beziehen, eine zitieren, die den Phoebus betrifft. Nach dem Vergleichsfliegen, das immer im Anschluß an die schweren Titelkämpfe bei den Segelflugweltmeisterschaften durchgeführt wird, entstieg Weltmeister Makula dem Phoebus, der ihn offenbar sehr interessiert hatte. Sein Kommentar: „Wenn ich gewußt hätte, daß der Vogel so gut ist, hätte ich doch etwas mehr Angst gehabt!" Dem ist nichts mehr hinzuzufügen. Ein dreiviertel Jahr später hatte ich nun endlich einen Phoebus zur Verfügung. Um es vorwegzunehmen: Ich fand mich in meinen Erwartungen nicht getäuscht. Zweifellos hat hier ein Team von drei erfahrenen Männern ein außergewöhnliches Flugzeug geschaffen.

Hochleistungsflugzeug für die Standardklasse

Auf den Erfahrungen im Bau und Einsatz des bekannten Phoenix aufbauend, wurde Hochsommer 1963 ein Hochleistungsflugzeug für die Standardklasse entworfen. Hierbei übernahm Prof. Dr. Eppler die aerodynamische Bearbeitung, sowie das Gebiet Flugmechanik und Programmrechnungen. Dipl.-Ing. Nägele zeichnete für Konstruktion und Statik verantwortlich. Rudi Lindner hatte die Bauleitung und die fliegerische Betreuung; außerdem baute er den Prototyp.

Bei den deutschen Segelflugmeisterschaften in Roth erregte Lindner mit diesem Prototyp beträchtliches Aufsehen und erflog auf Anhieb den zweiten Platz in der Standardklasse, obwohl er erst einige Tage vorher im Training die ersten Flüge damit ausführte. Inzwischen wurden einige unwesentliche Änderungen vorgenommen und die üblichen Kinderkrankheiten ausgemerzt.
        

Phoebus im Test

Nun brannte ich natürlich darauf, ihn endlich zu fliegen. Herrliche Cumuli lockten. Leider war es schon spät am Nachmittag, als wir in schneller Montage einen Phoebus startklar machten. Es werden hierbei die beiden Flügelstummelbeschläge in den Rumpf eingeschoben. Einer in Form einer Gabel, das Gegenstück mit einer Zunge, die genau hineinpaßt. Gleichzeitig wird die Verbindung mit den Rumpfbeschlägen hergestellt. Mit einem nur 12 mm starken Stift wird die Verbindung abgesichert. Vor dem Zusammenschieben der beiden Flügelhälften werden die Kugelschnellverschlüsse für Querruder und Bremsklappen gekuppelt. Die Antriebe erfolgen für alle Ruder und Klappen durch Stoßstangen. Nur der Seitenruderantrieb hat von den Pedalen bis zum Radkasten Seile, von dort erfolgt die Kraftübertragung ebenfalls mit Stangen. Alle Stoßstangen lassen sich aus den wartungsfreien Lagern herausziehen, beim Rumpf nach hinten, bei den Flügeln aus der Wurzelrippe. Zur Kontrolle der Anschlüsse und des Radkastens sowie der zusätzlichen Ausrüstung, wie Batterie, Barograph, Sauerstoffanlage, Thermosflaschen und eventuell Einziehfahrwerk, ist der Raum unter und hinter dem Sitz jederzeit gut zugänglich. Der ganze Sitz ist mit 4, der Kofferraum mit 1 Schnellverschlußschraube befestigt und in wenigen Sekunden abnehmbar.

Der Start

Dann waren wir so weit. Ein Bölkow-Junior zog mich von der Startbahn auf 1100 m Höhe. Die überdurchschnittliche Empfindlichkeit der Ruder macht sich schon beim Start bemerkbar. Vielleicht müssen sich weniger erfahrene Piloten etwas umstellen, denn auch der Schlepp erfordert mehr Aufmerksamkeit als sonst. Ich freute mich jedenfalls schon auf den freien Flug, denn alles, was ich bis jetzt feststellen konnte, versprach eine fliegerische Delikatesse.
         

Das Cockpit

So ist die Sicht aus der großen, weit heruntergezogenen Haube von Mecaplex-Grenchen ausgezeichnet. Die Ruder sind leichtgängig und es genügt, mit den Fingerspitzen zu arbeiten. An der rechten Bordwand befindet sich eine Torsionsfedertrimmung, die recht gut wirkt und in mehreren Rasten arretiert werden kann. In der bequemen Sitzlage ist nicht unbedingt eine Kopfstütze notwendig, jedoch ist eine solche mit vielen Verstellrasten vorhanden. Auch für gute Belüftung der Haube ist gesorgt. Die Frischluft wird am Bug entnommen und durch ein in der Bugschale eingegossenes Rohr über zwei Düsen in die Haube geblasen. Ein großes Schiebefenster in günstiger Position ist gut schließbar.

Phoebus in der Luft

Bald war die vereinbarte Höhe erreicht, und ich klinkte aus. Leider waren nur noch zwei flache Cumuli in erreichbarer Nähe. In bemerkenswert flacher Bahn schoß ich mit 160 km/h zur ersten. Ein Bart mit 1 m/sec wartete auf mich und trug mich auf 1400 m. Auch beim Kreisen genügen Ausschläge mit den Fingerspitzen, um zu verlagern und zu zentrieren.

Ein Gegenstützen ist nicht erforderlich. Das Flugzeug liegt wie ein Brett. Ich muß allerdings erwähnen, daß die Thermik ruhig, jedoch nicht großflächig war. Beim Kreisen mit 30° Schräglage sind etwa 80 km/h erforderlich, mit 45° Schräglage etwa 90 km/h. Ich kann mir vorstellen, daß bei der günstigen Halbliegestellung des Piloten mit Kopfstütze und der auffallend leichtgängigen und sensiblen Steuerung bei gleichzeitig ausgezeichneter Ruderabstimmung ein Flug von 8-10 Stunden Dauer kaum Ermüdungserscheinungen zeitigt. Logischerweise wird dadurch auch die Flugsicherheit erhöht.
        

Geschwindigkeiten bis 200 km/h

Besonders erfreulich ist es aber, daß durch die über dem Durchschnitt liegende Festigkeit der Zelle nun endlich auch bei böigen Wetterlagen, also bei guter Thermik, Geschwindigkeiten bis 200 km/h geflogen werden können, die ja gerade nur bei diesen guten Aufwindverhältnissen überhaupt in der Praxis vorkommen. Welchen Segelflieger interessiert schon die Höchstgeschwindigkeit bei ruhigem Wetter? Bei diesem Wetter können wir ja gar nicht segeln! Erst wenn es bockig wird, interessiert uns der Himmel. Und dann dürfen wir mit fast allen Leistungssegelflugzeugen nur noch höchstens 140 km/h schnell sein. Welche Überlegenheit ein so festes, daher also schnelles Flugzeug wie der Phoebus dann hat, ist wohl kaum zu verkennen. Also drückte ich entlang der Wolken auf 200 km/h. Ich hatte vorher die Gurte noch einmal gezurrt und schaute vom Fahrtmesser zu den Flügeln: Sie zeigten kaum Durchbiegung oder erkennbare Schwingungen.
          

Ausgezeichnete Wendigkeit

Ich zog hoch zum Langsamflug: Bei 60 km/h kaum merkliches Schütteln und der Vogel tauchte weich über die Nase. Er nimmt sehr schnell Fahrt auf, und man hat ihn ständig voll in der Hand. 85 km/h Fahrt, Linkskurve - Rechtskurve - Stoppuhr. Ich wiederholte dreimal das Ergebnis: zwischen 3 und 3,5 Sekunden von 45° zu 45° Schräglage. Eine ausgezeichnete Wendigkeit. Das Flugzeug reizt einen ehemaligen Jagdflieger wie in alten Zeiten eine Focke-Wulf, nur ohne die 2000 PS: Loopings und Turns aus dem Handgelenk.

Hochziehen und aushungern, voll Seitenruder, das Flugzeug geht gut ins Trudeln, Ruder normal und augenblicklich ist das Trudeln beendet. Nur bei vollem Seitenruder und leichtem Halten des Höhenruders trudelt es weiter mit schneller Drehung. Herausnehmen ist eine Augenblickssache. Ausgezeichnete Eigenschaften. Dasselbe gilt bei Steilkreisen. Ich überzog absichtlich hart, schlagartig ging der Vogel weg, aber sofort hatte ich ihn wieder abgefangen. Das ist ein Flugzeug mit Eigenschaften wie ein Jagdflugzeug, aber Leistungen wie kaum ein anderer Standardsegler! Ja, sie reichen weit hinein in die Werte, die Flugzeuge der Offenen Klasse erzielen. Eine herrliche Kombination!

Rundflug

Zwischendurch konnte ich mich nochmals hochkurbeln und mit einem langen Rundflug über die Donauwiesen die Landschaft genießen. Ein Fahrtgeräusch war kaum wahrnehmbar. Leider mahnte der Höhenmesser zur Landung: Nun ein kalifornischer Riesenslip, aber der Vogel zeigte nicht die geringste Neigung wegzugehen. Eine hervorragende Seitenruderwirksamkeit, die man der Größe des Seitenruders schon beinahe ansieht. Es wirkt für den schlanken Rumpf optisch etwas groß. Aber darauf kann man getrost pfeifen. Im geraden Landeanflug fuhr ich die Bremsklappen aus und registrierte ein deutliches Schütteln im Knüppel. Wahrscheinlich wird das Pendelhöhenruder durch die Wirbelschleppe der Bremsklappen beaufschlagt, denn bei höherer Geschwindigkeit, also steilerem Gleitwinkel, läßt es etwas nach. Auch brauchte ich nun einige Kraft, um die Klappenstellung zu regulieren. Die Wirkung ist jedenfalls gut, so daß in Verbindung mit den ausgezeichneten Slipeigenschaften Landungen auf kleinsten Außen-landefeldern leicht möglich sind. Zudem besorgt eine Innenbackenbremse im Laufrad das übrige. Die Betätigung erfolgt wie üblich am hinteren Anschlag bei voll ausgefahrenen Bremsklappen. Auch hier ist ein kräftiger Arm erforderlich. Dicht neben der Startbahn von Laupheim setzte sich der Vogel behutsam aufs Gras.

Fazit

Das Fazit: Der Phoebus ist mit seinen überzeugenden Schnellflugleistungen und hohen Festigkeit unbedingt in die Spitzengruppe der Standardsegelflugzeuge einzureihen. Seine vorbildliche Wendigkeit - bei guter Ruderabstimmung - ermöglicht die Ausnützung auch engster Aufwindfelder. So ist das Flugzeug gleichermaßen geeignet für den Einsatz bei schwierigen europäischen Wetterbedingungen wie auch bei stärksten tropischen Rekordwetterlagen. Rudi Lindner, der ja zum Entwicklungsteam gehört, bewies dies durch seinen Gesamtsieg mit dem Phoebus bei den internationalen Segelflugmeisterschaften in Südafrika. Für ein Flugzeug dieser Leistungsklasse ist der Kaufpreis von 17.400 DM als angemessen zu bezeichnen.

Dieter Schmitt (07/1966)