„Triumphal schnell, leise und ruhig.“ So warb die British Overseas Airways Corporation (BOAC) im November 1963 in einer Sonderbeilage der „Times“ für ihre neueste Errungenschaft: die VC10, damals Europas größtes Verkehrsflugzeug. Dabei galt der Vorzeigejet bei der britischen Staatsfluglinie anfangs eher als unbeliebt. Ursprünglich ging der Entwurf auf ein Militärprojekt zurück. Anfang der 50er Jahre besaßen die Briten in Übersee noch ein großes Empire mit viel Militärpräsenz, die versorgt werden musste. Aus diesem Grund entstand der Transporter Vickers V1000 für 120 Passagiere, von dem es auch eine zivile Ableitung geben sollte. Der Rumpf ähnelte etwas dem der de Havilland Comet, während das Design der Tragflächen an das der Vickers Valiant angelehnt schien. Der Prototyp war zu 90 Prozent fertig, als die Regierung das Programm aus Spargründen strich.
Nonstop interkontinental
Der zivile Ableger dürfte bei BOAC jedoch sowieso keine Chance gehabt haben, da die Fluggesellschaft die Boeing 707 favorisierte. Mitte der 50er Jahre konzipierte Vickers dann die VC10 für bis zu 150 Fluggäste – vielleicht auch im Hinblick darauf, dass die BOAC die 707 nur beschaffen durfte, wenn sie gleichzeitig ein britisches Produkt orderte. Die Airline stellte erhebliche Anforderungen: Das neue Flugzeug sollte eine Nutzlast von fast 16 Tonnen nonstop über eine Strecke von 4000 Kilometern befördern, und das unter „Hot-and-High“-Bedingungen. Daher musste die Tragfläche bei Start und Landung viel Auftriebsfläche bieten, aber gleichzeitig hohe Reisegeschwindigkeiten erlauben. Die Triebwerke ordneten die Ingenieure am Heck an, um einen aerodynamisch möglichst sauberen Flügel zu erzielen und das Ansaugen von Fremdkörpern zu vermeiden. Außerdem verringerte sich so der Lärm in der Kabine. Diese Konfiguration machte allerdings ein T-Leitwerk notwendig. Ursprünglich hatten die Konstrukteure als Antrieb drei Rolls-Royce-Conway vorgesehen, die sie ähnlich wie bei der Boeing 727 anbrachten. BOAC forderte aber für Atlantiküberquerungen vier Triebwerke. So wurde die VC10 zum ersten und neben der sehr ähnlichen Iljuschin IL-62 zum einzigen Linienflugzeug mit vier Aggregaten am Heck.
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BOAC bestellt die VC10
Im Frühjahr 1958 bestellte BOAC schließlich 35 VC10, darunter neben der Standardversion auch um 3,96 Meter gestreckte Exemplare der „Super VC10“ für bis zu 180 Passagiere. Aus Kostengründen hatte die Fluggesellschaft nämlich mehr Sitzkapazität gefordert. In der Folgezeit kam es zu so vielen Änderungen der Order, dass der Vertrag 1960 neu aufgesetzt werden musste. Im Endeffekt blieb es dann bei nur zwölf VC10 und 17 Super VC10. Das Vickers-Muster musste im eigenen Land viel Kritik über sich ergehen lassen, da man seine Chancen gegen die anscheinend übermächtige Konkurrenz aus den USA als gering einschätzte.
Stabil, sicher – und schwer
Die Struktur der VC10 erwies sich als sehr robust und geeignet, hohen Sicherheitsanforderungen zu entsprechen. Knapp 55 Prozent der Struktur waren aus Vollmetall gefräst, um so wenig Niete wie möglich verwenden zu können. Dies galt besonders für die Fensterrahmen. Die Ingenieure wollten Desaster wie bei der Comet vermeiden. Dadurch brachte der in Weybridge endmontierte Jet etwas mehr Gewicht auf die Waage als die Boeing 707 oder Douglas DC-8.

Bei Piloten beliebt, am Markt eher nicht
Der Erstflug des Prototyps mit der Zulassung G-ARTA fand am 29. Juni 1962 statt. Die erste Serienmaschine für BOAC folgte bereits im November 1962. Nur eine Woche nach der Zulassung nahm die G-ARVJ am 29. April 1964 den Liniendienst von London-Heathrow nach Lagos auf. Obwohl die VC10 in der Folgezeit bei Piloten und Passagieren sehr beliebt war, setzte sie sich auf dem Markt nicht durch. Auch die am 7. Mai 1964 erstmals geflogene Super VC10 konnte mögliche Kunden nicht überzeugen. Das „Superb“-Modell mit zwei Decks für insgesamt 265 Fluggäste blieb für immer auf den Reißbrettern.
Der Jumbo besorgt den Todesstoß
Nach der Umwandlung der BOAC in British Airways und der Einführung des Jumbo Jets kam für die eleganten Vierstrahler das Ende. Der letzte Linienflug für BA erfolgte am 29. März 1981. Im Jahr 1976 hatte Boeing bereits im Tausch gegen die 747 drei VC10 übernommen, die entgegen der üblichen Praxis in Heathrow quasi vor den Augen der Passagiere verschrottet wurden. Vielleicht wäre der Airliner erfolgreich gewesen, hätte BOAC statt der 707 nur die VC10 angeschafft. So flog der ehemalige Stolz der britischen Luftfahrtindustrie noch bei der Royal Air Force als Tankflugzeug. Die RAF hatte bereits 1961 zunächst fünf Maschinen als C Mk 1 bestellt. Später folgten weitere gebrauchte Exemplare, die entsprechend umgerüstet wurden. 2013 fand der letzte Flug einer VC10 bei der RAF statt.
Technische Daten

Vickers VC10
Hersteller: Vickers Armstrong Ltd., Weybridge
Typ: Mittel-/ Langstrecken-Verkehrsflugzeug
Passagiere: 151
Triebwerke: 4 Rolls-Royce Conway Mk 540
Leistung: je 90,66 kN
Länge: 48,36 m
Höhe: 12,04 m
max. Kabinenbreite: 3,50 m
Spannweite: 44,55 m
Flügelfläche: 264,9 m²
Leermasse: 86 668 kg
max. Nutzlast: 18 039 kg
max. Startmasse: 141 520 kg
Reisegeschwindigkeit: 885 km/h in 11600 m Höhe
Höchstgeschwindigkeit: Mach 0.86
Reichweite: 8115 km mit maximaler Nutzlast