VFW 614 bei der Luftwaffe - VIP-Flieger für die Kurzstrecke

VFW 614 bei der Luftwaffe
VIP-Flugzeug für Kanzler und Co.

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Veröffentlicht am 07.06.2020

Ohne die Luftwaffe wäre das deutsche Verkehrsflugzeug mit den markanten Triebwerken auf den Tragflächen viel früher vom Himmel verschwunden. Nach der Einstellung des VFW-614-Programms suchte VFW-Fokker nach einer neuen Heimat für das Projekt. Die erhoffte Aufnahme einer Lizenzproduktion in den USA seitens Gulfstream kam jedoch nicht zustande. Eine Fortführung der Produktunterstützung schien sich aufgrund der geringen Stückzahlen nicht zu lohnen, so dass VFW-Fokker die noch im zivilen Einsatz befindlichen Flugzeuge zurückkaufte und schließlich im Jahr 1980 verschrottete. Mit der Luftwaffe traf man eine Vereinbarung, die drei Maschinen 20 Jahre im Einsatz zu halten.

Nur knapp fünf Jahre zuvor hatte die Situation der VFW 614 noch nicht so düster angemutet. Im Dezember 1975 beschloss das Bundeskabinett die Beschaffung der drei Jets, welche die Convair Metropolitan bei der Flugbereitschaft ersetzen sollten. Sie füllten die Lücke zwischen der Lockheed JetStar und der Boeing 707. Im Unterschied zu den zivilen Varianten der VFW 614 besaßen sie eine militärische Avionik wie eine Trägheitsnavigationsanlage von Litton, einen IFF-Transponder, TACAN- und UHF-Geräte sowie einen HF-Sender mit einer Leistung von 400 Watt.

Die Kabine ließ sich in relativ kurzer Zeit den entsprechenden Anforderungen anpassen: entweder für 40 Passagiere mit einem Sitzabstand von 79 bis 81 Zentimetern oder für VIP-Einsätze mit 18 Sitzen. Ein entsprechender Änderungssatz umfasste Doppelsitze, Klapptische, versetzbare Trennwände und Einzelsitze, die auf den Schienen auf dem Boden an die entsprechende Position geschoben werden konnten. Die Varianten waren auch kombinierbar, etwa zwei Abteile für je sechs Personen sowie ein Abteil für maximal 24 Fluggäste.

Sicherer Transport für hohe Politiker

Schon bald nach der Indienststellung im Mai 1977 konnte sich Bundeskanzler Helmut Schmidt ein Bild von der Bequemlichkeit an Bord machen. Er flog erstmals am 29. Juni von Hamburg-Fuhlsbüttel zu einem Treffen der Staats- und Regierungschefs der Europäischen Gemeinschaft. Ganze 21 Jahre später, am 30. September 1998, ging die Ära der VFW 614 bei der Flugbereitschaft schließlich zu Ende: Die Maschine mit der Kennung 17+03 führte in Köln-Wahn den letzten Flug des Musters in Diensten der Luftwaffe durch. Insgesamt hatten die drei Jets 39000 Starts und Landungen, 31500 Flugstunden sowie eine Gesamtflugstrecke von 25 Millionen Kilometern absolviert. Das Ende kam nicht zuletzt aufgrund der hohen Betriebskosten des Exoten in der Flotte der Regierungsflieger.

Die Maschinen dienten zu Flügen für das Lufttransportkommando, insbesondere für Verlegungen, Personalaustausch von Bundeswehrkontingenten, der Rettung von verletzten Personen oder als Kurier. "Vorrangig wurde die VFW 614 jedoch für Sonderflüge hochgestellter Persönlichkeiten des In- und Auslandes eingesetzt. Dazu gehörten Bundespräsidenten, Bundesrats- und Bundestagspräsidenten, Bundeskanzler, Minister und Staatssekretäre ebenso wie Könige und Staatsoberhäupter anderer Nationen sowie Generalsekretäre der Vereinten Nationen", sagte der damalige Kommandeur der Flugbereitschaft, Oberst Joachim Mörsdorf, anlässlich der Außerdienststellung der VFW 614. "Ebenso zahlreich wie die Fluggäste war die Zahl der angeflogenen Länder. Der Einsatzraum umfasste Flugziele wie das Nordkap, Moskau, Tel Aviv, Teheran, Sanaa, Windhoek, Dakar, Lajes auf den Azoren bis hin zu den Kapverdischen Inseln."

Gutes Flugverhalten

Dabei hat sich, laut Mörsdorf, das Muster in den zahlreichen Einsätzen außerordentlich bewährt. "Das technische Konzept vereint die hohe Geschwindigkeit der Strahlflugzeuge mit den guten Start- und Landeeigenschaften der Propellerflugzeuge. Daher konnten viele Flugplätze mit kurzen Start- und Landebahnen angeflogen werden. Beispielhaft seien hier Bern, Florenz, Lugano und Kiel genannt. Aufgrund ihrer ausgezeichneten Flugleistungen, ihrer flexiblen Einsatzmöglichkeiten, ihrer Zuverlässigkeit und besonderen Umweltfreundlichkeit fügte sich die VFW 614 ausgezeichnet ein in das bestehende Konzept der Flugbereitschaft BMVg am Ende der 70er Jahre."

Allerdings hatte der Jet auch mit einigen Schwierigkeiten zu kämpfen. So erwies sich die automatische Regelung der Kabinentemperatur immer wieder als Problem. Anfangs kam es auch zum Eindringen von Öldämpfen über die Klimaanlage in die Kabine, bis eine Modifikation des Triebwerks Abhilfe schuf. "Unabhängig von den erwähnten kleineren Tücken wird jedoch in Unterhaltungen mit den Besatzungen das gutmütige Flugverhalten der VFW 614 stets hervorgehoben. Es war ein Flugzeug, mit dem das Fliegen Spaß machte und das den Besatzungen gleichzeitig ein sicheres Gefühl verlieh. Bei den  Flugzeugmechanikern der Technischen Gruppe war von jeher eine hohe Identifikation mit dem Flugzeug gegeben."

Die Luftwaffen-Techniker waren hier aufgrund der eingeschränkten Herstellerunterstützung mehr gefordert als bei anderen Mustern. Die Teileversorgung erfolgte unter anderem aus den in Bremen ausgeschlachteten und verschrotteten Exemplaren. "Die Möglichkeit, neben den Vorfluginspektionen auch komplizierte Störbehebungen sowie die umfangreiche Vierjahreskontrolle selbstständig durchführen zu können, war auch ein beitragender Faktor für die hohe Motivation. Für die Techniker war die VFW 614 ein robustes Flugzeug, das im Gegensatz zu heutigen modernen Flugzeugen noch nicht so sehr von Computertechnik abhängig war und noch weitgehend mit Handarbeit flottgemacht werden konnte", meinte der damalige Kommandeur der Flugbereitschaft.

Außerdienststellung aufgrund hoher Kosten

Die Außerdienststellung der VFW 614 sorgte zunächst allerdings für eine Einschränkung der Flexibilität und der Bedarfsdeckung, da nur noch die sieben Canadair CL-601 Challenger zur Verfügung standen. Ihre Ausmusterung stand wenig später an, die Nachfolger sind Airbus A319 und Bombardier Global 5000. Die VFW 614 blieben damals bis zur Versteigerung durch die Verwertungsgesellschaft des Bundes (VEBEG) in Köln eingelagert. Sie wurden Ende 1998 im Auftrag eines neuen Eigentümers nach Lidköping in Schweden überführt. Sie sollten für die dänische Regionalfluglinie Muk Air fliegen, doch aufgrund von Modifikationen der Cockpitausrüstung waren die Maschinen erst im Herbst 2001 einsatzbereit. Die Luftverkehrskrise nach den Anschlägen vom 11. September 2001 schien die Pläne allerdings zunichte zu machen, und die ehemaligen Regierungsflugzeuge standen wieder zum Verkauf. Glücklicherweise existieren sie noch bis heute: die 17+01 in Berlin (eingelagert vom Deutschen Technikmuseum), die 17+02 in Nordholz (Aeronautikum) und die 17+03 in St. Athan (Wales; zur Technikerausbildung).