Vom Winde verweht
Convair R3Y Tradewind – Das erste Turboprop-Flugboot

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Als erstes Flugboot der Welt verfügte die nach dem Passatwind benannte Convair „Tradewind“ über einen Turbopropantrieb. Trotzdem blieb der Gigant durch zahlreiche Triebwerksprobleme nur knapp zwei Jahre im Einsatz bei der US Navy.

Convair R3Y Tradewind – Das erste Turboprop-Flugboot

Riskante Weitsicht: Als Antrieb für ihr neues Patrouillenflugboot wählte die US Navy Mitte der 40er Jahre die Leistung und Wirtschaftlichkeit versprechenden Turboproptriebwerke. Zu diesem Zeitpunkt war in den USA jedoch noch kein entsprechendes Aggregat geflogen. Das Luftfahrtbüro der US Navy erstellte am 27. Dezember 1945 eine Spezifikation für ein viermotoriges Patrouillenflugboot, das sowohl die neue Rumpfform als auch Turboprops bekommen sollte. Im anschließenden Wettbewerb setzte sich Convair mit seinem Model 117 gegen die Konkurrenz von Martin und Hughes durch. Der Erfolg kam nicht von ungefähr. Schließlich hatte Consolidated Vultee (ab 1943 Convair) während des Krieges auf eigene Rechnung entsprechende Forschungen durchgeführt, die durch in Deutschland nach Kriegsende erbeutete Daten ergänzt wurden. Es entstand eine neue, schlankere Rumpfform mit einem hohen Längen-Kiel-Verhältnis (10:1 bei der P5Y), die auch den Luftwiderstand reduzierte.

Am 27. Mai 1946 bestellte die US Navy zwei Prototypen. Die endgültige Gestaltung des Rumpfs bestimmten die Konstrukteure, nachdem sie ein Modell im Maßstab 1:10 im Schwimmkanal der Luftfahrtforschungsbehörde NACA (National Advisory Committee for Aeronautics) erprobt und sogar ferngesteuerte Flugmodelle eingesetzt hatten. Insgesamt untersuchten sie 27 verschiedene Konfigurationen. Im Dezember 1946 segnete das Bureau of Aeronautics schließlich ein Modell in Originalgröße der ab August desselben Jahres als XP5Y-1 bezeichneten Maschine ab.

Ursprünglich sollte der in San Diego gebaute Schulterdecker mit vier Westinghouse XT30 ausgestattet werden. Da das Triebwerksprogramm zeitlich erheblich in Verzug geriet, wandte sich die US-Marine an Allison, deren T40 früher lieferbar erschien. Das Aggregat bestand aus zwei gekoppelten T38, die zwei gegenläufige Propeller mit einem Durchmesser von 4,57 m antrieben. Die Defensivbewaffnung des Flugboots sollte aus fünf MG-Positionen bestehen (je 12,7 mm).

Bereits Ende 1948 konnte Convair den ersten Prototypen fertig stellen. Aber Allison kämpfte mit Verzögerungen des XT40, so dass die P5Y-1 mehr als ein Jahr im Freien abgestellt auf die Triebwerke warten musste. Im Oktober 1948 lief ein T40 in Indianapolis erstmals für insgesamt eine Stunde mit voller Leistung auf dem Prüfstand und zeigte viel versprechende Ergebnisse. Allerdings führte Allison keinen Dauerbetriebstest durch und konnte den neuen Antrieb nicht in der Luft testen, da hierzu eine Boeing B-29 nötig gewesen wäre.

Im August 1949 kam das erste T40 in Kalifornien an. Zu Bodentests wurden vier Aggregate an den ersten Prototypen montiert. Der Albtraum für die Techniker begann. Insbesondere die fast 2,7 Meter langen Antriebswellen mit bis zu 14300 Umdrehungen pro Minute bereiteten viele Probleme. Langsam gingen den Ingenieuren die Triebwerke aus, da Allison nicht mit der Überholung nachkam. Die Laufzeit des XT40-A-4 bis zur nächsten Überholung betrug nur 50 Stunden, und selbst diese Dauer wurde selten erreicht.

Trotzdem startete die P5Y-1 am 18. April 1950 zu ihrem nur 29 Minuten dauernden Erstflug. Trotz der Schwierigkeiten mit dem komplexen Antriebssystem erwies sich der Riese als fast doppelt so schnell wie seine Vorgänger und zeigte eine Steigleistung, die annähernd der eines Jagdflugzeugs aus dem Zweiten Weltkrieg glich. Mittlerweile sah die Navy jedoch keine Notwendigkeit mehr für ein bewaffnetes Flugboot und beendete das Programm.

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Unrühmliches Ende für das Patrouillenflugboot

Der Prototyp der P5Y ging durch einen Absturz verloren. Die zweite Maschine wurde nicht geflogen, sondern direkt verschrottet. Foto und Copyright: KL-Dokumentation

Die erste P5Y diente nur noch zur Triebwerkserprobung. Der zweite Prototyp erhob sich nie in die Luft und wurde 1957 verschrottet. Auf spektakulärere Weise endete die Karriere der ersten XP5Y-1 am 15. Juli 1953. Bei einem Testflug brach die Höhenrudersteuerung. Die Maschine begann eine Serie von abrupten Steig- und Sinkflügen, bis die Besatzung das unkontrollierbar gewordene Flugboot verließ. Der Prototyp stürzte in einem 90-Grad-Winkel ins Meer.

Die Rettung für das Programm war indes schon drei Jahre früher gekommen. Während des Koreakriegs hatte die US Navy ihre Lufttransportkapazitäten gesteigert und begann sich für eine Transportvariante der P5Y zu interessieren. Das Bureau of Aeronautics bestellte daraufhin am 16. August 1950 sechs R3Y-1, die über vier T40-A-10 mit kürzerer Antriebswelle verfügten. Der Transporter besaß einen verstärkten Flügel, ein geändertes Leitwerk und modifizierte Triebwerksgondeln. Die druckbelüftete Kabine des um 3,71 m längeren Rumpfs bot Platz für 80 Soldaten. Am 17. Dezember 1953, dem 50. Jahrestag des Wright-Flugs, taufte die Schauspielerin Esther Williams die erste Maschine auf den Namen „Tradewind“. Der Jungfernflug erfolgte am 25. Februar 1954. Zunächst sahen die Marine-Strategen die R3Y für das nie realisierte Mobile-Base-Concept vor. Hier sollte das Flugboot mobile Basen auf der Hochsee für Martin P6M Sea Master als Bomber und F2Y-1 Sea Dart als Jäger versorgen.

Die letzte Version der Tradewind war die R3Y-2 als so genannter „Bowloader“, von der die Navy im Februar 1953 fünf Exemplare bestellte (Erstflug am 22. Oktober 1954). Die Maschine besaß ein erhöhtes Cockpit, und die Nase war nach oben klappbar, um Fahrzeuge und Truppen quasi als fliegendes Landungsboot be- und entladen zu können. Sämtliche R3Y flogen schließlich ab dem 31. März 1956 bei der Fleet Logistic Support Squadron VR-2 in Alameda. Neben Versorgungseinsätzen nach Hawaii dienten einige entsprechend umgerüstete Maschinen zur Luftbetankung. Die Missionen waren jedoch stets von Triebwerksproblemen gekennzeichnet. Nach einer Unfallserie, die mit dem Unglück der „Indian Ocean Tradewind“ am 24. Januar 1958 endete - hierbei hatte sich das Getriebe samt Propeller eines Aggregats gelöst -, war das Maß voll. Die Marine erteilte Startverbot und beendete im März 1958 das R3Y-Programm, dessen Entwicklung den Staat mehr als 262 Millionen Dollar gekostet hatte. Bis 1960 wurden alle Tradewinds verschrottet, lediglich eines der katastrophalen T40-Triebwerke ist im San Diego Aerospace Museum erhalten geblieben.

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Produktion Convair Tradewind

XP5Y-1  121455    abgestürzt am 15.7.1953 (102 Flugstunden)
XP5Y-1  121456    nicht geflogen, 1957 verschrottet
R3Y-1    128445    verschrottet 1959 (268 Flugstunden)
R3Y-1    128446    „Indian Ocean Tradewind“, am 24.1.1958 verunglückt (716 Flugstunden)
R3Y-1    128447    1959 verschrottet (126 Flugstunden)
R3Y-1    128448    „Coral Sea Tradewind“, am 10.5.1957 verunglückt (423 Flugstunden)
R3Y-1    128449    „China Sea Tradewind, verschrottet 1959 (329 Flugstunden)
R3Y-2    128450    „South Atlantic Tradewind“, verschrottet 1959 (205 Flugstunden)
R3Y-2    131720    verschrottet (172 Flugstunden)
R3Y-2    131721    flog als Tanker, verschrottet (40 Flugstunden)
R3Y-2    131722    „Arabian Sea Tradewind“, Tanker verschrottet (421 Flugstunden)
R3Y-2    131723    „Caribbean Sea Tradewind“, Unfall 1957, verschrottet (316 Flugstunden)
R3Y-2    131724    „South Pacific Tradewind“, verschrottet 1959 (276 Flugstunden)

Technische Daten

Die R3Y-2 konnte schweres Gerät wie diese 155-mm-Haubitze der Marines bei einer Übung vor San Diego anlanden. Foto und Copyright: KL-Dokumentation

R3Y-2 Tradewind

Hersteller: Convair
Typ: Langstrecken-Transportflugboot
Besatzung: 5
Triebwerke: 4 x Allison T40-A-10
Leistung: je 4362 kW
Länge: 42,57 m
Höhe: 13,67 m
Spannweite: 44,42 m
Flügelfläche: 195 m²
Leermasse: 36390 kg
Nutzlast: 21770 kg
max. Startmasse: 79380 kg
max. Reichweite: 6437 km
Höchstgeschwindigkeit: 579 km/h
Reisegeschwindigkeit: 480 km/h

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