ZR-1 USS "Shenandoah": Das erste US-Starrluftschiff

ZR-1 USS „Shenandoah“
ZR-1 USS: Das erste US-Starrluftschiff

Inhalt von
Veröffentlicht am 17.12.2023

Bereits im Ersten Weltkrieg experimentierte die US Navy mit (nicht starren) Luftschiffen, welche die eigene Flotte vor feindlichen U-Booten oder Minen warnen sollten. Die Versuche vor der amerikanischen Ostküste und in europäischen Gewässern, weit weg von Luftabwehrstellungen und Jägern, wurden als Erfolg gewertet. Im Naval Appropriations Act vom Juli 1919 war jedenfalls die eigene Konstruktion eines Starrluftschiffs sowie der Kauf eines solchen im Ausland aufgelistet. Im Dezember 1919 unterzeichnete die Navy dann einen Vertrag für das britische Luftschiff R-38 als ZR-2. Seine erste Fahrt datiert vom 23. Juni 1921, doch schon am 23. August brach es bei der vierten Fahrt in zwei Teile und stürzte bei Hull in den Fluss Humber, wobei 44 Personen, darunter viele Amerikaner, ums Leben kamen.

Naval History and Heritage

Baubeginn

Derweil wurde der Bau des ersten Starrluftschiffs in den USA ab September 1919 vorangetrieben. Anfang 1920 erhielt die Naval Aircraft Factory in Philadelphia die ersten Materialien für das Gerippe. Der Absturz der R-38 führte dann zu weiteren Untersuchungen, doch letztlich wurde die Endmontage in einer Halle auf der Naval Air Station Lakehurst am 11. Februar 1922 begonnen. Das ZR-1, entworfen von den Konstrukteuren Jerome C. Hunsacker und Ralph D. Weyerbacher, basierte auf dem deutschen Marine-Zeppelin L 49 (LZ 94), der bei einem Angriff auf England aufgrund eines Sturms nach Frankreich abgetrieben wurde und am 20. Oktober 1917 fast unbeschädigt in die Hände der Alliierten fiel. Was diese wohl nicht wussten oder nicht genügend beachteten, war die Tatsache, dass der L 39 zum Typ U der hoch fliegenden Zeppeline gehörte, bei denen man die Struktur ganz auf Leichtbau getrimmt hatte, um in größeren Höhen den Luftabwehrkanonen und Jägern zu entgehen. In den USA jedenfalls ging die Fertigung der ZR-1 zügig voran. Das Gerippe aus dem neuen Duralumin von Alcoa war in 20, je etwa zehn Meter lange Sektionen aufgeteilt, in denen jeweils eine Gaszelle untergebracht war. Diese bestanden aus der sehr dünnen und flexiblen sogenannten Goldschlägerhaut, die aus der äußersten Hautschicht von Rinderdärmen hergestellt wird. Das nominale Volumen betrug 59465 Kubikmeter (bei 95 Prozent Füllung). Die Kommandogondel wurde vorn unter der 207 Meter langen Hülle aufgehängt. Dazu kamen fünf Gondeln für die je 300 PS starken Packard-Achtzylindermotoren. Ein sechster Packard war in der Kommandogondel eingebaut, wurde aber später entfernt. Die Besatzung bestand aus etwa 25 Mann.

Archiv FLUG REVUE

Füllung mit Helium

Als Füllgas war zunächst wie üblich Wasserstoff vorgesehen, doch nach dem Unglück mit dem aus Italien beschafften Luftschiff "Roma" 1921 beschloss das Bureau of Aeronautics einen Wechsel zu Helium. Problem: Das Edelgas war mit vier Dollar pro Kubikmeter etwa 40-mal teurer als Wasserstoff und zudem nur in ganz geringen Mengen verfügbar. Eine einzige Füllung kostete somit 240 000 Dollar (umgerechnet 4,3 Millionen Dollar heute), und man konnte die Höhe nicht einfach durch Ablassen des teuren Gases regulieren. Die Füllung begann im August 1923, und am 20. August schwebte die ZR-1 erstmals in der Halle. Am 4. September 1923 wurde das Luftschiff dann ins Freie gezogen, wofür etwa 420 Soldaten und Zivilisten rekrutiert werden mussten. Rund 15 000 Zuschauer waren zugegen, als die ZR-1 um 17:20 Uhr mit 29 Personen an Bord zur Jungfernfahrt abhob, die etwa eine Stunde dauerte und rund 30 Kilometer von der Basis wegführte. Kapitän war F. R. McCrary, der Luftschifferfahrung aus dem Ersten Weltkrieg hatte. Mit dabei waren aber auch R. D. Weyerbacher als Bauverantwortlicher und Kapitän Anton Heinen, ein früherer Zeppelin-Testpilot aus Deutschland.

Sturmfahrt im Januar 1924

Es folgten weitere Erprobungsflüge, am 11. September zum Beispiel bis nach New York und am 22. September bis zur Hauptstadt Washington. Am 22. Oktober wurde dann St. Louis angesteuert, wo gerade die International Air Races stattfanden. Die Taufe nahm die Frau des Secretary of the Navy Edwin Denby am 10. Oktober 1923 in der Halle in Lakehurst vor. Der Name "Shenandoah" bezieht sich auf das Shenandoah-Tal in Virginia, in dem sie einen Teil ihrer Kindheit verbrachte (wobei Shenandoah wohl "Tochter der Sterne" in der Sprache der Einheimischen bedeutet). Weitere Fahrten folgten, wobei am 16. November erstmals der neue Ankermast in Lakehurst getestet wurde. Anfang Dezember genehmigte Präsident Coolidge dann den Plan, 1924 eine Fahrt zum Nordpol durchzuführen. Das war aber viel zu ambitioniert, denn nach wie vor musste sich die Crew erst an den Betrieb mit Helium gewöhnen. Am 16. Januar kam es dann zu einem schweren Zwischenfall. Die ZR-1 war für Versuche am Mast, als ein schwerer Sturm die Ostküste heimsuchte und das Schiff am Abend gegen 18:45 Uhr bei Windgeschwindigkeiten von etwa 130 km/h losriss. Die Verdrehung des Luftschiffs bei den Böen hatte zu einer Überlastung der Struktur geführt, die brach. Durch die Beschädigung entleerten sich die beiden ersten Gaszellen. Wasserballast wurde sofort abgeworfen und die Motoren angelassen, um die Kontrolle zu gewinnen. Vor dem Sturm fuhr die "Shenandoah" bis 3:30 Uhr am nächsten Morgen, bevor sie wieder gelandet und von der Haltemannschaft in die Halle gebracht werden konnte.

Naval History and Heritage

Reparaturen und Tests

Obwohl eine Untersuchung kein Fehlverhalten feststellte, übernahm am 14. Februar Zachary Lansdowne den Kapitänsposten. Vier Monate dauerten die Reparaturen, die inklusive einer generellen Überholung mit 78 000 Dollar zu Buche schlugen. Die nächste Fahrt war dann am 22. Mai 1924, und die Vorbereitung für den Truppendienst wurde fortgesetzt. Unter anderen standen im August 1924 Tests mit dem Versorgungsschiff USS "Patoka" auf dem Programm. Dieses hatte einen 38 Meter hohen Mast und zusätzliche Unterkünfte für die Luftschiff-Crew sowie Heliumbehälter erhalten. Die ZR-1 dockte erstmals am 8. August an und blieb fast 24 Stunden verzurrt. Später im Monat folgte eine 40-Stunden-Aufklärungsfahrt mit der Flotte. Nach einer weiteren Überholung brach die "Shenandoah" am 7. Oktober zu einer Überlandfahrt an die US-Westküste auf. Es ging über Washington und Atlanta nach Fort Worth in Texas und dann entlang der Pazifikeisenbahn über die Rocky Mountains. Die Durchquerung enger Täler und Pässe war nicht ungefährlich. Bei der Ankunft auf der Basis North Island bei San Diego schlug die ZR-1 – auch bedingt durch die unerfahrene Bodenmannschaft – mit dem Heck auf dem Boden auf und musste erst in der Folge fünf Tage lang repariert werden. Danach ging es die Küste hinauf bis nach Camp Lewis bei Tacoma im Staat Washington.

Außer Dienst gestellt

Der Rückweg ab San Diego wieder über Rockies war erneut ein Problem. Die notwendige Höhe konnte teils nur durch den Abwurf von Ballast und Kraftstoff erreicht werden. Am 25. Oktober erreichte ZR-1 schließlich nach 15 000 Kilometern in 19 Tagen und 19 Stunden wieder Lakehurst – allerdings nur, um erst einmal außer Dienst gestellt zu werden. Das rare Helium wurde nämlich für das Luftschiff ZR-3 (USS "Los Angeles" – der als Reparationszahlung gelieferte Zeppelin LZ 126) benötigt. Erst als die ZR-3 für eine Überholung in der Luftschiffhalle lag, ging es im Juli 1925 für die ZR-1 weiter. Es standen erneut Versuchsfahrten mit der Flotte zur Erarbeitung von Einsatztaktiken an. Dabei wurde die "Patoka" wieder als schwimmende Basis benutzt.

Naval History and Heritage

Gewitterfahrt im September 1925

Nach einer weiteren Pause begann dann am Nachmittag des 2. September 1925 eine Werbefahrt in den Mittleren Westen der USA. Kommandant Lansdowne hatte zuvor noch Bedenken wegen der instabilen Wetterlage angemeldet. Über Philadelphia wurde dennoch Columbus in Ohio angesteuert. Am 3. September um 5:48 Uhr geriet die ZR-1 dann bei Ava nahe Zanesville im Osten Ohios in ein Gewittergebiet. Sie wurde von einem starken Aufwind erfasst und stieg rapide auf 1300 Meter, da die nur noch zehn Gasablassventile solche Steigraten nicht kompensieren konnten. Danach sank das Luftschiff innerhalb von drei Minuten wieder auf 200 Meter, um dann erneut auf 1200 Meter zu steigen. Diese Belastungen waren zu hoch. Die mittleren Gaszellen wurden beschädigt, und das ZR-1 zerbrach in der Luft. Die Kommandogondel wurde losgerissen und stürzte zu Boden, wobei acht Luftschiffer inklusive Kapitän Lansdowne ums Leben kamen. Die Bugspitze schwebte wie ein Ballon davon. Hier überlebten sieben Mann bei einer recht sanften Landung etwa 20 Kilometer entfernt. Das Heckteil brach noch einmal, wobei zwei Motorgondeln abfielen (drei weitere Tote). Die beiden Teile landeten dann relativ sanft. Es gab 14 Tote, 29 Besatzungsmitglieder überlebten. Die Erkenntnisse, die aus dem Betrieb der "Shenandoah" gewonnen wurden (59 Fahrten mit 740 Stunden in der Luft), flossen in die Konstruktion der weiteren US-Großluftschiffe USS "Akron" und USS "Macon" ein.