Dornier Do 28
Die Do 27 hat ihren festen Platz in der Geschichte als das erste Flugzeug, das nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland in Serie gebaut wurde. Die später entstandene Do 28 D „Skyservant“ ist bis in unsere Zeit populär als vielseitiges Transportflugzeug der Bundeswehr und vieler anderer militärischer und ziviler Nutzer. Die erste zweimotorige Weiterentwicklung der erfolgreichen Do 27 dagegen, die Do 28 A/B, ist weit entfernt von dem Bekanntheitsgrad der beiden anderen Dornier-Produkte.
Dornier hatte 1956 mit dem Serienbau der Do 27 begonnen und innerhalb weniger Jahre eine große Stückzahl erreicht. Dieser Erfolg veranlasste die Unternehmensleitung, über ein zweimotoriges Modell auf der Grundlage der Do 27 nachzudenken. Die Entwicklung dieses als Do 28 bezeichneten Modells war zunächst nur auf den zivilen Markt ausgerichtet. Dornier hatte den aufblühenden Geschäfts-, Reise- und Werksverkehr im Auge, dem man ein einfach zu fliegendes und robustes Flugzeug anbieten wollte. Es sollte – wie die Do 27 – mit herausragenden Langsamflug- und Kurzstarteigenschaften überzeugen.
Dornier dachte auch an den Einsatz in der Luftbildfotografie, im Rettungswesen und als Kleinfrachttransporter. In dieser Ausführung konnte die kleine Zweimot 500 Kilogramm Fracht über 700 Kilometer transportieren. Wenn die Sitzbänke in der Kabine herausgenommen wurden, entstand ein Frachtraum von etwa 2,5 Kubikmeter.
Ein wichtiges Verkaufsargument war die höhere Einsatzzuverlässigkeit, die sich aus der Zweimotorigkeit und der IFR-Ausrüstung ergab. Dornier glaubte, mit der Do 28 auch gute Chancen im Zubringerdienst zu den großen Flughäfen und im Lufttaxidienst zu haben.
Auf der Luftfahrtmesse in Hannover des Jahres 1960 zeigte Dornier das neue Flugzeug der Öffentlichkeit. Viersitzig sollte es 196 000 Mark kosten – ein stolzer Preis. Zwei Jahre später verlangte Dornier für eine verbesserte sechssitzige Ausführung einen Grundpreis von 251 500 Mark. Die Do 28 war zu ihrer Zeit alles andere als ein billiges Flugzeug.
Dornier wählte für die Konstruktion des neuen Modells einen Weg, der geringes Risiko versprach, indem die Zelle und zahlreiche Komponenten der Do 27 übernommen wurden. Etwa 80 Prozent der Bauteile aus der Einmot-Serie waren auch für die Do-28-Fertigung verwendbar.
Die auffälligsten Veränderungen gegenüber der Do 27 waren der geschlossene Bug und die Unterflügel als Triebwerks- und Fahrwerksträger.
Die ungewöhnliche Auslegung mit den Unterflügeln oder Flügelstummeln war für Dornier eine naheliegende Lösung. Sie erlaubte es, die massive Bauweise des Do-27-Rumpfs zu nutzen, ohne tief in die Konstruktion einzugreifen. Zudem hatte Dornier schon bei seinen Flugbooten mit ähnlichen Unterflügeln gute Erfahrungen gemacht.
Bei der Do 28 bestand der Flügelstummel im Wesentlichen aus einem widerstandsvermindernd verkleideten Hauptholm mit rechteckigem Querschnitt, der an die Hauptspanten der Rumpfunterschale angeschlossen war und abgenommen werden konnte. Außen am Holm war ein Spant angebracht, an dem der Motorträger befestigt wurde. Die Spannweite betrug vier Meter, die Tiefe 1,35 Meter.
Das fest angebaute Hauptfahrwerk bestand aus zwei freitragenden Luft/Öl-Federbeinen, die strömungsgünstig verkleidet waren. Das Rad war in einer Gabel gelagert und ebenfalls verkleidet, die Bremsen wurden über Seitensteuerpedale hydraulisch betätigt.
Sehr gelobt wurde die breite Spur der Do 28, die wesentlich zu dem unproblematischen Landeverhalten beitrug und auch sehr günstig für den Anbau von Skiern war.
Der erste Prototyp rollte am 29. April 1959 erstmals an den Start. Er war aus einer modifizierten Do-27-Zelle entstanden und besaß nicht die verlängerten Tragflächen der Serienflugzeuge. Ausgerüstet war er mit zwei 180 PS starken Lycoming-Vierzylindern des Typs O-360-A1A. Dieser Motor wurde für den zweiten Prototyp und die Serie nicht beibehalten.
Umfangreiche Überarbeitungen
Der zweite Prototyp, der am 20. März des Folgejahres seinen Erstflug absolvierte, war deutlich überarbeitet. So besaß er zwei stärkere Motoren des Typs O-540-A1D mit sechs Zylindern und 255 PS (154 kW) Startleistung. Außerdem war die Spannweite dank eines neuen, 1,80 Meter langen Mittelstücks auf nun 13,80 Meter gewachsen. Das Mittelstück konnte abgeschraubt werden, so wie auch die daran befestigten Außenflügel. Bis auf dieses Mittelstück war der freitragende Rechteckflügel mit demjenigen der Do 27 nahezu identisch. Er hatte feste Vorflügel und ein über die gesamte Spannweite gleichbleibendes Profil. Die größere Spannweite nutzte Dornier für die Vergrößerung der stoffbespannten Landeklappen. Sie konnten in mehreren Stufen mit einem Hebel bis auf 45 Grad ausgefahren werden. Die spätere B-Version verfügte über elektrisch arbeitende Klappen, die mittels eines Schalters am linken Steuerhorn betätigt wurden. Die ebenfalls stoffbespannten Querruder wurden von der Do 27 übernommen.
Anders als die Ruder bestanden die Seiten- und die Höhenflosse ganz aus Metall. Die Höhenflosse konnte im Flug verstellt werden. Für den Einmotorenflug gab es eine Seitenrudertrimmung.
Für den Rumpf griff Dornier kurzerhand auf die bewährte, solide Leichtmetallkonstruktion der Do 27 zurück. Während das Rumpfhinterteil eine geschlossene Schale bildete, setzte sich das Vorderteil wegen der großen Türen aus einem Rahmen und der Bodenwanne zusammen. Die beiden verglasten Türen zum Cockpit klappten nach oben auf. Sie konnten im Notfall abgeworfen werden, die Hebel dafür befanden sich am Cockpitdach, gleich neben dem Hebelpaar für die Tankwahl. Jedes Hebelpaar hatte seine eigene Farbe, um die Verwechslungsgefahr zu verringern.
Die beiden großen, sich gegenüber liegenden Türen zur Kabine wurden ebenfalls nach oben geöffnet und mit Stützstangen gesichert. Auch sie waren großzügig verglast. Auf der linken Seite gab es eine weitere kleine Tür zu einem 0,25 Kubikmeter großen Gepäckraum. Ihr kleines Gepäck konnten die Passagiere außerdem in einer Ablage über dem Gepäckraum deponieren, die nur von der Kabine aus zugänglich war.
Die B-Version der Do 28 unterschied sich äußerlich kaum von der ersten Serienausführung, aber dank einer anderen Motorisierung deutlich in den Flugleistungen. Dornier bot die B1-Version mit dem 290 PS starken Lycoming-IO-540 mit Einspritzung an und die B2 mit dem Turbolader-Motor TIO-540. Der Zugewinn an Motorleistung erlaubte eine höhere Zuladung, mehr Reichweite und eine größere Dienstgipfelhöhe. Bei der Reisegeschwindigkeit legte die B-Version etwa 30 km/h zu. Bei den Startleistungen machten sich die zusätzlichen PS sehr bemerkbar, die Gesamtstartstrecke verkürzte sich um 20 bis 35 Meter.
Eine weitere Modifikation, die Dornier vorgenommen hatte, war die leicht veränderte Form des Bugs, die eine bessere Sicht aus dem Cockpit ermöglichen sollte. Das vergrößerte Höhenleitwerk sollte die Längsstabilität bei extremen Schwerpunktlagen verbessern. Dornier gab der B-Version auch ein neu gestaltetes Instrumentenbrett, elektrische Klappen, eine verbesserte Kabinenheizung, einen anderen Auspuff und einen Dreiblattpropeller mit kleinerem Durchmesser mit auf den Weg. Von der geänderten Auspuffführung und dem Propeller versprach sich Dornier eine Verminderung des nicht unerheblichen Lärmpegels.
Der kommerzielle Erfolg wollte sich indes nicht so recht einstellen, Dornier baute nur jeweils 60 Do 28 A1 und B1 und nur eine B2 mit dem Turbomotor. Der vergleichsweise hohe Preis hatte sicherlich einen großen Anteil daran. Zwar war das zweimotorige Flugzeug schneller und sicherer, aber die von der Do 27 übernommene Kabine bot hinsichtlich des Komforts und der Kapazität keinen Mehrwert – bei höheren Betriebskosten. Das letzte Flugzeug wurde 1967 an die französische Zollverwaltung ausgeliefert.
Die Unzulänglichkeiten der Do 28 A/B bahnten den Weg für ein erkennbar verwandtes, aber in weiten Teilen neu konstruiertes Modell, das die Bezeichnung Do 28 behielt: die Do 28 D Skyservant. Wäre Dornier bei seiner gewohnten Vorgehensweise geblieben, so hätte das neue Muster die Bezeichnung Do 33 erhalten müssen. Der Grund für die Beibehaltung der Bezeichnung ist wohl hauptsächlich in der Finanzierung des Projekts zu finden. Der Kunstgriff erlaubte es Dornier, einen Teil der Entwicklungskosten für die auf eigene Rechnung entwickelte Do 28 A/B in die Finanzierung des neuen Musters zu übertragen und somit letztendlich dem Staat aufzubürden.
Der Prototyp absolvierte am 23. Februar 1966 auf dem Werksflugplatz Oberpfaffenhofen seinen Erstflug. Anders als die erste Do 28 wurde dieses Muster zu einem wichtigen Arbeitspferd der Luftwaffe.
Die Do 28 A1 bei der Luftwaffe

Die Bundesregierung schaffte 1961 eine Do 28 A1 mit der Werknummer 3015 für die Flugbereitschaft an, die dort mit dem Kennzeichen CA+041 und den Hoheitszeichen der Luftwaffe flog. Später flog sie beim Luftwaffengruppenkommando Süd. Nach zwei weiteren Kennzeichenwechseln wurde das Flugzeug am 14. August 1969 ausgemustert. Danach war es zeitweise in Island registriert. Nach weiteren Besitzwechseln gelangte es schließlich mit seinem letzten zivilen Kennzeichen D-ILPB nach Damme in Niedersachsen.
Durch ein Verkaufsangebot wurde Silvius Dornier auf das Flugzeug aufmerksam und veranlasste 2006 den Ankauf und die Restaurierung. In zweijähriger Arbeit versetzte die Firma Flugzeugreparatur Damme die Zweimot in einen originalgetreuen, flugfähigen Zustand. Im Juli 2009 wurde sie, pünktlich zur Eröffnung des Dornier-Museums, von Helmut Erdmann und Alfred Feseck von Damme nach Friedrichshafen geflogen. Dort ist es heute eines der Glanzstücke des Museums.
Die CA+041 war zeitweise das Dienstflugzeug des Verteidigungsministers Franz Josef Strauß. 1968 erwarb der an der Luftfahrt sehr interessierte Strauß die Privatpilotenlizenz und in den Folgejahren weitere Berechtigungen und Lizenzen. Der langjährige bayerische Ministerpräsident musste sich Zeit seines Lebens gegen den Vorwurf wehren, ein zwar leidenschaftlicher, aber chaotischer Pilot zu sein.
Nur wenige andere Nationen schafften die Do 28 A/B für ihre Streitkräfte an, darunter Spanien, Nigeria, die Türkei und Israel. Größte Abnehmerin war die israelische Luftwaffe, dort wurde das Flugzeug als „Agur“ (Kranich) bezeichnet.
Technische Daten
Dornier Do 28 A1
Verwendung: Reise- und Geschäftsflugzeug
Antrieb: 2 x Lycoming O-540-A1D mit Zweiblatt-Prop Hartzell HC-A2XK-2
Startleistung: 2 x 255 PS (188 kW)
Spannweite: 13,8 m
Länge: 9,18 m
Höhe: 2,8 m
Flügelfläche ohne Unterflügel: 22,4 m2
Leermasse: 1670 kg
max. Flugmasse: 2450 kg
Treibstoff: 2 x 160 l, 2 x 72 l
Flächenbelastung: 109,0 kg/m2
Höchstgeschwindigkeit: 280 km/h
Reisegeschwindigkeit: 252 km/h
Steigleistung: 400 m/min (1312 ft/min)
Dienstgipfelhöhe: 5900 m
Reichweite: 1220 km
Klassiker der Luftfahrt Ausgabe 01/2013