US Army-Kampfhubschrauber
Im Sommer 1972 begann das Spiel erneut: Die US Army suchte wieder einen leistungsfähigen Kampfhubschrauber als Ersatz der als Zwischenlösung gedachten Bell AH-1 Cobra. Zu diesem Zeitpunkt hatte das Militär nämlich das Programm Lockheed AH-56 Cheyenne eingestellt, den damals wohl modernsten, aber auch teuersten Kampfhubschrauber der Welt. Nun stand im AAH-Programm (Advanced Attack Helicopter) für einen etwas kleineren Helikopter vor allem die Forderung nach einer Allwetterfähigkeit im Vordergrund. Außerdem sollte das neue Muster eine Reisegeschwindigkeit von 270 km/h und eine Einsatzdauer von 1 Stunde und 50 Minuten aufweisen. Fünf Firmen reichten daraufhin entsprechende Entwürfe ein: Bell, Boeing-Vertol, Hughes, Lockheed und Sikorsky. Vorgesehen war die Beschaffung von 536 Hubschraubern, die ab 1979 in Dienst gehen sollten.
Im Juni 1973 wählte die US Army zwei Kandidaten aus und bestellte jeweils zwei fliegende Prototypen. Die Bell YAH-63 (Modell 409) und die Hughes YAH-64 (Modell 77) sollten anschließend in einem Vergleichsfliegen gegeneinander antreten. Der Wert des Bell-Auftrags betrug 44,7 Millionen Dollar. Die Konstrukteure entschieden sich bei der YAH-63 für ein Tandemcockpit mit flachen Seitenscheiben, um Reflektionen zu reduzieren und so die Entdeckung durch feindliche Truppen zu erschweren. Im Gegensatz zum Konkurrenten von Hughes saß der Pilot für eine bessere Bodensicht beim Geländeverfolgungsflug im vorderen Cockpit, und der Schütze nahm den hinteren Platz ein. Ein weiterer Unterschied bestand im Dreibeinfahrwerk, denn Bell setzte auf ein Bugfahrwerk, während die YAH-64 ein Heckrad aufwies. Als Antrieb diente bei beiden Kandidaten das neue T700-Wellentriebwerk von General Electric.
Außerdem forderte die US Army, dass alle kritischen Systeme nach dem Treffer eines 12,7-mm-Geschosses noch 30 Minuten sicher zu funktionieren hatten. Bei Bell wollten die Ingenieure dies ohne zusätzliche Panzerung schaffen und legten etwa den Rotormast und den Rotorkopf sowie die Taumelscheibe derartig aus, dass die Geschosse teilweise abgelenkt wurden, was sie in ballistischen Versuchen überprüften. Außerdem ordneten sie wichtige redundante Systeme wie Hydraulik, Generatoren und Triebwerke mit jeweils maximal möglichem Abstand zueinander an. Das Getriebe fiel flach aus mit seitlich verschobenen Pfeilzahnrädern, dem damals sogenannten „Flat Pack“.
Eine Besonderheit der YAH-63 war ihr zweiblättriger Hauptrotor, dessen Blätter eine große Tiefe aufwiesen. Die beiden Holme waren recht weit voneinander entfernt, um die Forderung des Überlebens bei einem Treffer selbst eines 23-mm-Geschosses zu erfüllen. Der Rotormast ließ sich zur Verladung in ein Transportflugzeug absenken.
Am Ende des Auslegers waren der zweiblättrige Heckrotor und zwei starre Stabilisierungsflossen angeordnet, wobei die obere Flosse in Form eines T-Leitwerks ausgeführt war. Die Bewaffnung bestand aus einer dreiläufigen 30-mm-Kanone XM-188 mit bis zu 1200 Schuss unter dem Bug sowie aus Tow-Flugkörpern (später durch Hellfire ersetzt) oder ungelenkten 7-cm-Raketen an vier Außenlaststationen unter den seitlich montierten Stummelflügeln. Im Notfall ließ sich der Munitionsbehälter der Bordkanone abwerfen. Das Visier einschließlich FLIR-Sensor für Nachteinsätze fand in einem Kinnturm Platz.
Hohe Überlebensfähigkeit steht im Vordergrund

Am 1. Oktober 1975, einen Tag nach dem Erstflug der YAH-64 und der von der Army vorgegebenen Frist, hob die erste YAH-63 (Kennung 73-22246) mit Gene Colvin und Ronald Erhart an Bord in Arlington, Texas, zu ihrem Erstflug ab. Allerdings dauerte der Flug nur wenige Minuten, da vermutlich aufgrund des nicht korrekt ausbalancierten Rotors seitlich Vibrationen auftraten. Dem Erstflug vorausgegangen waren umfangreiche Tests mit einer für Bodenläufe vorgesehenen Zelle. Von den absolvierten 50 Stunden lief das Antriebssystem ohne größere Probleme fünf Stunden bei einer Überdrehzahl von 110 Prozent. Bell gab sich optimistisch: „Die YAH-63 ist der Hubschrauber mit der größten Überlebensfähigkeit überhaupt. Wir haben unsere Kampfhubschrauber-Erfahrung optimal genutzt“, sagte der Programmchef Clifford Kalista damals. „Bell ist der einzige Hersteller in der freien Welt, der für die Rolle als Gunship vorgesehene Hubschrauber in Serie produziert.“
Bis zum 10. Oktober 1975 hatte die Maschine nach knapp sechs Flugstunden die ersten Testziele mit einer Geschwindigkeit von 213 km/h, einer Flughöhe von 600 Metern und einer Startmasse von 6070 Kilogramm erreicht. Auch einige Autorotationen wurden durchgeführt. Der zweite Prototyp (73-22247) folgte zwei Monate später. Allerdings musste das Programm einen kleinen Rückschlag in Kauf nehmen, als die erste Maschine am 4. Juni 1976 bei einer Notlandung beschädigt wurde. Beim Hovern in rund sechs Metern Höhe löste sich ein Teil; der Helikopter drehte sich nach rechts und berührte den Boden, wobei der Hauptrotor den Heckausleger durchtrennte. Bell konnte den Hubschrauber für die Summe von sechs Millionen Dollar jedoch wieder reparieren und etwas verspätet zum Vergleichsfliegen der Army Engineering Flight Activity (AEFA) zur Edwards Air Force Base schicken, das dort von Juni bis September 1976 stattfand.
Am 10. Dezember 1976 wählte die Armee schließlich den Hughes-Entwurf aus. Unter anderem hatten der weniger Lärm und höhere Robustheit versprechende Vierblattrotor und das als stabiler angesehene Fahrwerk der YAH-64 den Ausschlag gegeben. Die später „Apache“ genannte Maschine wurde mit bisher 1191 gebauten Exemplaren zu einem der erfolgreichsten Kampfhubschrauber der Welt. Die Flugversuche mit der YAH-63 wurden nach der Entscheidung eingestellt. Das zweite Exemplar befindet sich heute in der Sammlung des US Army Aviation Museum in Fort Rucker, Alabama, während der erste Drehflügler dieses Musters im Jahr 1981 bei einem Crashtest der NASA in Langley zerstört wurde.
Technische Daten





Bell YAH-63
Hersteller: Bell Helicopter Company, Fort Worth, USA
Verwendung: Kampfhubschrauber
Besatzung: 2 (Pilot, Schütze)
Antrieb: 2 General Electric YT700-GE-700
Leistung: je 1119 kW
Gesamtlänge: 21,24 m
Höhe: 3,72 m
Hauptrotordurchmesser: 15,7 m
Rotorfläche: 193,5 m²
Rüstmasse: 6795 kg
max. Startmasse: 8722 kg
Höchstgeschwindigkeit: 322 km/h in 1220 m Höhe
Reichweite: 483 km
Bewaffnung: 30-mm-Kanone XM-118 unter dem Bug, bis zu 16 Hellfire- oder 76 FFAR-Raketen (7 cm) an vier Außenstationen unter den Stummelflügeln
FLUG REVUE Ausgabe 01/2012