Luftbetankung mit dem Airbus A400M: An Bord der fliegenden Tankstelle

An Bord der fliegenden Tankstelle
So läuft die Luftbetankung mit dem Airbus A400M

Veröffentlicht am 20.12.2024

Es ist 6 Uhr morgens in Wunstorf. An der Zufahrt des Luftwaffenstützpunktes herrscht reger Fahrzeugverkehr. Dienstbeginn für viele der Soldatinnen und Soldaten. Auch Hauptmann Patrick und Sebastian sind unter ihnen. Sie sind Angehörige des Lufttransportgeschwaders 62 und die Piloten der heutigen Luftbetankungsmission mit dem Airbus A400M.

Als erstes trifft man sich zum gemeinsamen Briefing. Dort empfangen die Piloten die geplante Flugroute sowie die notwendigen Unterlagen und Laptops, die für die Flugmission notwendig sind. Anschließend erfolgt das Preflight-Briefing. Hier bespricht man die Details: Flugroute, technischer Zustand der Maschine, sonstige wichtige Aspekte für den Flug. Beim Wetterbriefing gibt es heute nicht viel zu sagen. Kaum Wind, keine Wolken und beste Sicht. Wichtig ist auch festzulegen, bei welcher Spritmenge der sogenannte Autostop gesetzt wird. Denn die A400M gibt den Sprit aus den gleichen Tanks ab, die sie selbst benutzt. Um noch genügend Kerosin für den Rückflug plus Sicherheitsreserve zu haben, begrenzt der Autostop die abzugebende Spritmenge. Heute liegt das Limit für den Restsprit bei zehn Tonnen. Insgesamt wurden von den "Receivern", also den zu betankenden Jets, 22 Tonnen Bedarf angemeldet. Maximal könnte die A400M 50 Tonnen mitführen.

Luftbetankung mit dem Airbus A400M der Luftwaffe.
Christian Preinl

47 A400M auf dem Hof

Um 7:30 Uhr geht es mit dem Kleinbus aufs Vorfeld. Mit dabei sind auch Pilot Hauptmann Marc und der Ladungsmeister Stabsfeldwebel Erk, die sich die Luftbetankung mit der A400M zum ersten Mal selbst ansehen möchten. Unterwegs zum Vorfeld fällt eine große Baustelle im Nordwesten des Stützpunktes auf. Hier entsteht gerade ein Wartungszentrum von Airbus mit zwei Hallenplätzen für A400M. Das soll mehr Kapazität für die großen A- und C-Checks bringen, die sonst in Manching, Sevillia und Madrid erfolgen. 2027 soll das neue Zentrum fertig sein.

Auf dem Vorfeld beeindruckt die große Anzahl an A400M. 47 sind es bis jetzt, die die Luftwaffe erhalten hat und die alle hier in Wunstorf stationiert sind. Bis Ende 2026 soll die Auslieferung von 53 bestellten A400M abgeschlossen sein. Klarstand und Zuverlässigkeit des Musters haben sich in den vergangenen Jahren stetig gebessert. Pro Tag sind um die zehn A400M einsatzklar. Der Rest verteilt sich auf Wartung und Reparaturen.

Als Tanker lassen sich momentan zehn Maschinen verwenden. In der Standardausführung des Transporters sind bereits viele Systeme und Software installiert, die für die Luftbetankung notwendig sind. So kann jede A400M innerhalb kurzer Zeit durch die Installation von zwei AAR-Pods (Air-to-Air Refueling) unter den Tragflächen zu einem Tanker umgerüstet werden. Zehn solcher Ausrüstungssätze besitzt das LTG 62.

A400M betankt A400M

Der Bus bringt die Crew zum Flugzeug mit der Kennung 54+45. Diese erst im März 2024 ausgelieferte A400M ist ein ganz besonderes Exemplar, denn sie besitzt zwei im Frachtraum fest verbaute "Cargo Hold Tanks" (CHT). Jeder dieser zusätzlich montierten Tanks hat ein Fassungsvermögen von 7200 Litern und erhöht die abzugebende Spritmenge deutlich. Zusätzlich verfügt sie über eine sogenannte "Hose Drum Unit" (HDU), eine Schlauchvorrichtung im Bereich der hinteren Laderampe, als zusätzliche "Zapfsäule", besonders für größere Flugzeuge. 2019 schloss Airbus erfolgreich die Zertifizierungstests hierfür ab.

Für die deutschen A400M ergeben sich damit neue Möglichkeiten: Im Februar 2024 fand über der englischen Nordsee ein initialer Trainingskurs für die ersten drei deutschen A400M-Piloten statt, um die Fähigkeit und die Erlaubnis zu erlangen, die A400M an einem anderen Luftfahrzeug zu betanken. Am 30. April 2024 betankte schließlich zum ersten Mal eine deutsche A400M eine ihrer Schwestermaschinen in der Luft. Diese Direktbetankung erhöht den Aktionsradius der Transportflieger erheblich und macht sie noch unabhängiger. So können die Missionsziele bei internationalen Truppen- und Materialtransporten ohne Zwischenstopp und ohne Tanker anderer Nationen erreicht werden. Die A400M hat somit ein Alleinstellungsmerkmal, denn sie ist der einzige taktische Tanker, der einen dritten Betankungsspot für große Flugzeuge hat.

Luftbetankung mit dem Airbus A400M der Luftwaffe.
Ralf Plechinger

Wie fliegt sich die A400M?

Während Marc den Außencheck an der 54+45 macht, bereiten Patrick und Sebastian den Tanker im Cockpit vor. Patrick flog von 2009 bis 2017 auf der Transall, bevor er auf die A400M wechselte. "Die A400M kann man viel genauer fliegen. Es gibt sehr viel Automatismus und die Maschine ist trotz ihrer Größe viel wendiger als die Transall. Beim Tiefflug zum Beispiel sieht man auf dem Display das näher kommende Gelände als aufsteigenden Balken. Das ist sehr präzise", schwärmt der 43-jährige Hauptmann, der auf der A400M um die 1500 Stunden im Flugbuch stehen hat. Aber auch Marc schwärmt vom europäischen Lastenesel: "Das ist der Ferrari unter den Transportern!" Auf der heutigen Mission ist Marc noch Zuschauer, bald wird er einen einwöchigen Lehrgang zur Erlangung der Zusatzqualifikation für die Luftbetankung absolvieren.

Im Cockpit der 54+45 ist es etwas enger als in anderen A400M. Denn sie ist taktisch ausgestattet. Das heißt, im Cockpit sind zwei schusssichere kniehohe Wände verbaut, die die Piloten im Fall eines Beschusses schützen sollen. Des Weiteren ist eine Selbstschutzanlage und das dazu gehörende Bedienungspanel im Cockpit installiert. Jede Woche betankt eine deutsche A400M Kampfflugzeuge der internationalen Koalition über dem Irak. Bei solchen Einsätzen gewinnt die taktische Ausstattung schnell an Bedeutung. Von den Koalitionspartnern wird Deutschlands "fliegende Tankstelle" als zuverlässiges und leistungsfähiges System außerordentlich geschätzt.

Luftbetankung mit dem Airbus A400M der Luftwaffe.
Ralf Plechinger

"Primer 9" geht auf Mission

Um 8:30 Uhr erwecken die Piloten im Cockpit die vier EPI TP400-Propellerturbinen mit jeweils 11.000 Wellen-PS zum Leben. Die Besonderheit ist, dass die beiden Propeller an einer Tragfläche in entgegengesetzte Richtung rotieren. Dadurch wird eine Abwärtsbewegung der Propeller zwischen beiden Triebwerken generiert, was den Luftstrom symmetrisch in der Flügelmitte konzentriert. Das verstärkt nicht nur Auftrieb und Seitenstabilität, auch das Propeller-Drehmoment innerhalb der Tragflächen wird neutralisiert.

15 Minuten nach dem Anlassen steht die A400M an der Pistenschwelle der Startbahn 26. Beherzt schiebt Patrick die Schubhebel auf Vollgas, der Militärtransporter beschleunigt. Bei einer Geschwindigkeit von 144 Knoten hebt die A400M ab, unter dem Callsign "Primer 9" geht es auf Nordwestkurs zur Nordseeküste. Über den Ostfriesischen Inseln befindet sich heute das Einsatzgebiet. Dafür richtete die Deutsche Flugsicherung DFS ein Luftbeschränkungsgebiet ein. Genau über den Inseln dreht die A400M in FL180 (18.000 Fuß, 2438 Meter) mit 270 Knoten in ein "Holding pattern" (eine Warteschleife) ein.

Nach etwa 30 Minuten melden sich die ersten drei deutschen Eurofighter des Taktischen Luftwaffengeschwaders (TaktLwG) 31 "Boelcke" aus Nörvenich zur Betankung an. Zunächst werden sie je nach Einsatzgebiet vom zivilen oder militärischen Fluglotsen zum Tanker gelotst oder sehen dessen Position auch selbst auf dem Radardisplay. Bis 1000 Fuß oberhalb und 1000 Fuß unterhalb des Tankers gibt es einen sogenannten Block. Die Crew des Tankers gibt den Fluglotsen vorher bekannt, ob sie die Jets im oberen oder unteren Block annehmen will. Sobald sich die Spritempfänger im Block befinden, schalten sie um auf die Tankerfrequenz. Das Heranfliegen an die Schläuche erfolgt ausschließlich nach Sicht.

Luftbetankung mit dem Airbus A400M der Luftwaffe.
Ralf Plechinger

So läuft ein Tankvorgang ab

Auf der "Tanker-Page" im Flight Management System (FMS) gibt der 29-jährige Copilot Sebastian ein, auf welcher Seite wie viel Sprit abgegeben werden soll. Dann werden die 24 Meter langen Schläuche auf beiden Seiten der Tragfläche ausgefahren. Weiße Markierungen an den Schläuchen zeigen, wie weit sie ausgerollt sind. Als erstes werden die Eurofighter mit den Callsigns "Pack 11" und "Pack 12" von Sebastian nach hinten zum Betanken geschickt. Das Schwierigste für die Jetpiloten ist das Andocken. Ein LED-Ampel-System zeigt ihnen, wie weit sie heranfliegen müssen. In der Nacht ist der Korb am Ende des Schlauches beleuchtet.

Insgesamt kann ein Jetpilot den Schlauch um sechs Meter nach vorne und hinten ziehen, beziehungsweise drücken. Wird es mehr, entkoppelt das System selbständig. Sobald eingeklinkt ist, fließt der Sprit automatisch und stoppt beim im FMS eingestellten Wert. Auf jeder Seite kann die A400M 1200 Kilogramm pro Minute abgeben. Der Eurofighter braucht beim Betanken etwas mehr Zeit, denn er kann maximal 400 Kilogramm pro Minute aufnehmen. Eine Dassault Rafale hingegen schafft das Maximum. Über die HDU im Heck kann die A400M sogar bis zu 1800 Kilogramm Kerosin in der Minute spenden. Viel Arbeit ist solch ein Tankvorgang für die Airbus-Piloten nicht, denn es läuft alles automatisch ab.

Luftbetankung mit dem Airbus A400M der Luftwaffe.
Ralf Plechinger

Eurofighter docken an

Das Betanken für jeden Jet, angemeldet sind jeweils zwei Tonnen Spritaufnahme, dauert im Schnitt fünf bis sieben Minuten. Dann lassen sich die Eurofighter zurückfallen, das System entkoppelt selbsttätig. Nach dem Betanken versammeln sich die Kampfjets noch einmal kurz auf der rechten Seite der A400M, bevor sie 1000 Fuß nach oben steigen, wo sie sich dann von der Tankerfrequenz abmelden. Das ist ein Standardverfahren. Die "fliegende Tankstelle" dreht anschließend weiter ihre Runden im Holding pattern.

Kurze Zeit später treffen mit Callsign "Shock 21" und "Shock 22" zwei weitere Eurofighter aus Nörvenich ein. Kurz vor dem Andocken schaltet Patrick auf manuell um. Der Autopilot hält so zwar weiterhin Höhe, Richtung und Geschwindigkeit bei, fliegt aber nicht mehr automatisch die Kurven in der Warteschleife. Patrick programmiert die gewünschte maximale Rollrate (Bank) für die Kurven und leitet diese durch Drehen an einem Drehrad ein. Um es den Jets, welche eingeklinkt hinter dem Tanker herfliegen, leichter zu machen, initiiert Patrick in den ersten Sekunden nur eine geringe Rollrate, bevor die maximale Gradzahl erreicht wird. Sebastian kündigt die Kurve bei den Jetpiloten rechtzeitig an und gibt das Kommando "Tanker turning now". Das Ausleiten der Kurve signalisiert er durch den Ruf "Tanker rolling out".

Da die Schläuche bei der A400M nach unten durchhängen, fliegen die Jets unterhalb der Wirbel des Tankers. Daher ist der Turboprop-Airbus bei den Jetpiloten besonders beliebt.

Luftbetankung mit dem Airbus A400M der Luftwaffe.
Ralf Plechinger

Tornado-Tankstelle

Um kurz nach 10 Uhr melden sich drei Tornados vom TaktLwG 51 "Immelmann" aus Jagel zur Betankung an. Im Gegensatz zu den Eurofightern haben sie Bedarf an jeweils vier Tonnen Sprit. "Monster 1" klinkt auf der linken Seite der A400M ein, "Panther 1" auf der rechten. Da die Tornados den Sprit schneller aufnehmen können, dauert das Betanken trotz der doppelten Menge nicht länger als bei den Eurofightern zuvor. Trotzdem ist höchste Konzentration gefragt. Einen Blick für die schönen ostfriesischen Inseln und Helgoland bei bestem Wetter hat in dieser Zeit keiner der Beteiligten. Betankungen werden generell nur bei Sichtflugbedingungen (VMC) durchgeführt. Sind diese nicht gegeben, kann nicht betankt werden.

Herausragend ist die A400M auch bei der Wahl der Höhe. Von nur 500 Fuß über Grund bis FL350 (35.000 Fuß, 10.668 Meter) ist eine Betankung möglich. Bis zu einer Außentemperatur von minus 50 Grad Celsius gilt das uneingeschränkt, danach muss eine Zeitvorgabe beachtet werden, wie lange die Schläuche ausgefahren sein dürfen. Im Gegensatz zu Tankern mit Jet-Triebwerken kann die A400M zudem auch bei sehr niedrigen Geschwindigkeiten von bis zu 180 Knoten Sprit abgeben. Das macht es möglich, auch Hubschrauber mit Treibstoff aus der Luft zu versorgen.

In Gegenden mit kaum vorhandener Infrastruktur kann die A400M bei der Luftwaffe seit 2021 auch als Tankstelle am Boden fungieren. Bei dieser als FARP (Forward Area Refueling Point) bezeichneten Fähigkeit werden am Tanker am Boden Schläuche montiert, mit denen sich dann Helikopter betanken lassen.

Luftbetankung mit dem Airbus A400M der Luftwaffe.
Christian Preinl

Nach der Mission ist vor der Mission

Doch zurück in die luftigen Höhen: Nachdem auch der dritte Tornado mit vier Tonnen Kerosin versorgt ist, verbleiben noch vier weitere Tonnen Kerosin, die die 54+45 an durstige Fighter weitergeben kann. Diese Information gibt Sebastian über "Tanker Control" an die in der Nähe fliegenden Jet weiter. Doch heute hat keiner mehr Bedarf. Das heißt, es wird Zeit für Patrick und Sebastian, den Papierkram zu vervollständigen und sich dann aus dem Holding pattern abzumelden.

Der Rückflug nach Wunstorf dauert nicht lange und so befindet sich die 54+45 nach etwas mehr als zwei Stunden Flugzeit wieder im Endanflug auf die Heimatbasis des LTG62. Kaum sind die Türen nach der Landung geöffnet, kommt schon die nächste Crew an Bord. Die Maschine muss außerplanmäßig dringend nach Madrid, Abflug bereits in einer Stunde.

Für Patrick und Sebastian ist heute aber Feierabend. Erst am nächsten Tag steht für sie der nächste Flug an.