Boeing E-3F AWACS: Frankreichs fliegende Wächter

Frühwarnflugzeug Boeing E-3F AWACS
Frankreichs fliegende Wächter auf Abruf

Veröffentlicht am 06.10.2024

Die Sentries der Armée de l'Air et de l'Espace haben seit ihrer Einführung im Jahr 1992 über 65 000 Flugstunden absolviert und waren in dieser Zeit an allen wichtigen Operationen der französischen Luftstreitkräfte beteiligt, wie der Anti-Piraten-Operation "Atlante" in Dschibuti, der Operation "Harmattan" in Libyen 2011, der Operation "Serval" in Mali 2013 und 2014 oder den Anti-Daesh-Einsätzen ("Chammal") im Irak und in Syrien (2015 und 2021).

Armée de l´Air et de l´Espace

NATO-Missionen

Seit 2014 beteiligt sich die E-3F auch an den Frühwarnmissionen der NATO über Osteuropa. Der Einmarsch der Russen in die Ukraine führte zu einem Anstieg der Zahl dieser Missionen. "Diese Einsätze werden im Rahmen der NATO-Struktur über Polen oder Rumänien geflogen. Wir führen sie jeden Monat durch, wobei die Häufigkeit unterschiedlich ist, je nach Bedarf der Allianz. Manchmal nutzen wir unsere Präsenz auch, um mit unseren NATO-Partnern in Rumänien COMAO (Combined Air Operations) zu trainieren, zum Beispiel mit den F-16", so Major Christopher, ein Experte für Überwachungssysteme und Missionsplaner der E-3F AWACS-Flugzeuge. Er ist derzeit Kommandeur des zweiten operativen Elements des 36. EDCA (Geschwader), der EDA 2/36 "Nivernais." Für die Flüge war, wie üblich, eine 19-köpfige Besatzung an Bord, bestehend aus einem Piloten, einem Copiloten, einem Flugingenieur, einem Navigator und einem Crew Chief sowie 14 Missions- und Systemoperatoren. Die Überwachungsmissionen dauerten zehn bis elf Stunden, wobei die E-3F 1,5 bis 2 Stunden lang von Avord zum Einsatzgebiet flogen, dann knapp sechs Stunden lang auf der Station blieben und anschließend in weiteren 1,5 bis 2 Stunden zur Heimatbasis zurückkehrten. Die Einsätze wurden also nahe an der maximalen Flugdauer geplant. Nur in zwei Fällen wurde die E-3F mit der Kennung 202 aufgetankt, um ihre maximale Flugdauer zu erhöhen. Am 16. März 2022 wurde eine C-135FR mit der Seriennummer 470 über Rumänien eingesetzt, während am 4. April 2022 ein Airbus A330-243 MRTT mit der Seriennummer 045 über Polen verwendet wurde.

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Olympia-Sicherung

Ein weiterer Einsatz in der letzten Zeit betraf die Olympischen Spiele in Paris. Sowohl bei der Eröffnungs- als auch bei der Abschlusszeremonie spielten die E-3F eine Schlüsselrolle bei der Überwachung des Luftraums über Frankreich. Sie stellten sicher, dass kein Flugzeug, kein Hubschrauber und keine Drohne in die Nähe von Paris fliegen konnten. Die Eröffnungszeremonie zum Beispiel führte zu einer fast sechsstündigen Sperrung des Luftraums über Zentralfrankreich. Vor, während und nach der Veranstaltung flog die ‚204/36-CD‘ im Westen von Paris und sorgte in einem neunstündigen Einsatz sowohl für die Flug- verkehrsüberwachung als auch für ein aktuelles Lagebild jener Piloten, die an der Luftkampfpatrouille über Paris und Umgebung beteiligt waren. Zuvor, als am 5. Juni in Colleville-sur-Mer in der Normandie die Feierlichkeiten zum 80. Jahrestag der Landung des D-Day ("Operation Overlord") stattfanden, wurden ähnliche Luftraumsperrungen und CAP-Einsätze mit Rafales durchgeführt, bei denen die E-3F Unterstützung leisteten.

Babak Taghvaee

Verlegung nach Katar und Luftunterstützung

Nach der Ermordung des politischen Führers der Hamas-Terrororganisation, Ismail Haniyyeh, durch den Mossad in Teheran am 31. Juli und der Möglichkeit von Vergeltungsmaßnahmen der iranischen Luft- und Raumfahrtkräfte, entsandte die Armée de l´Air et de l´Espace am 7. August eine ihrer E-3F (202/36-CB) zur Air Base AlUdeid in Katar. Das Flugzeug führte täglich Einsätze über Katar, Irak, Syrien und Jordanien durch und leistete Unterstützung für die drei Rafale C der Escadron de Chasse 1/7 "Provence"(Jagdstaffel 1/7, EC 1/7), die von Al-Dhafra aus Patrouillen über Jordanien, Irak und Syrien flogen. Zudem leisteten die Rafale auch Luftunterstützung für die Schiffe, die an der von der französischen Marine geleiteten Mission European Maritime Awareness in der Straße von Hormuz (EMASoH) beteiligt sind. Während der Einsätze, welche die E-3F zur Unterstützung von EMASoH durchführte, blieben die Flugzeuge im Luftraum von Katar oder den Vereinigten Arabischen Emiraten und vermieden Flüge über dem Persischen Golf und der Straße von Hormuz, da sie dort leicht von iranischen Boden-Luft-Raketensystemen hätten bedroht werden können, die sich in Asaluyeh, Bandar Abbas und auf verschiedenen Inseln befinden.

Drei Escardron und eine Unterstützungsgruppe

Eingesetzt werden die E-3F von der 36e Escadre de commandement et de conduite aéroportés in Avord. Diese besteht aus drei Escadrons und einer Unterstützungsgruppe:

• Escadron de détection aéroportée 1/36 "Berry"
• Escadron de détection aéroportée 2/36 "Nivernais"
• Escadron de préparation des missions et de simulation 10/36
• Groupe d‘entretien et de réparation des matériels spécialisés 15/36 (GERMAS)

"Einer der Gründe dafür, dass wir drei Eskadrillen für nur vier Flugzeuge haben, ist die große Anzahl unseres Personals. Jede Escadron hat zwischen 40 und 45 Personen", so Major Christopher. "Eine Eskadrille ist für die Ausbildung der Besatzung und dann für die operationellen Aktivitäten zuständig, eine zweite ist für die Standardisierung verantwortlich und die dritte Eskadrille schließlich stellt die technische Zusammenarbeit mit der DGA (Generaldirektion für Rüstung) sicher. Da die Missionssysteme dieses Flugzeugs ständig weiterentwickelt werden, sind sie mit der Durchführung der Tests beauftragt."

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Modern und leistungsfähig

Die vier französischen E-3F wurden für 1,3 Milliarden Dollar (1,17 Mrd. Euro) gekauft, wobei Gegengeschäfte in Höhe von 130 Prozent des Kaufpreises vereinbart wurden. Ähnlich wie die E-3D Sentry AEW1 der Royal Air Force sind sie mit modernen CFM56-2A-Triebwerken ausgestattet. Überhaupt sind die französischen E-3F nach eigener Einschätzung heute die modernsten und leistungsfähigsten Exemplare der Sentry im Vergleich zu denen, die derzeit von der NATO (18) sowie den Luftstreitkräften Großbritanniens (5), Chiles (2, ex-Royal Air Force), Saudi-Arabiens (5) und den USA (32) eingesetzt werden. Um den Anforderungen der Armee de l´Air et de l´Espace gerecht zu werden, sind sie nämlich mit mehreren französischen Missionssystemen ausgestattet, darunter dem Datenlink Link16. Sie verfügen über von Thales hergestellte Missionscomputer und Anzeigesysteme sowie viele andere in Frankreich gefertigte Komponenten. Zusätzlich zu ihrem APY-2-Radar sind die französischen E-3F zum Beispiel mit ESM-Systemen (Electronic Support Measures) ausgestattet, die über vier Radarantennen und Sensoren verfügen, die unter der Nase, am Leitwerk sowie an der Steuer- und Backbordseite des Flugzeugs angebracht sind. Diese ESM-Systeme wurden 1997 zu einem Gesamtpreis von 85 Millionen Dollar angeschafft (einschließlich Ersatzteilen, Installation und Schulung der Techniker).

Babak Taghvaee

GlobalEye bevorzugt

Ähnlich wie ihre amerikanischen Pendants sind die APY-2-Radare der französischen E-3F allerdings nicht in der Lage, langsam und niedrig fliegende Ziele in der Größe von Marschflugkörpern und Drohnen aufzuspüren, sodass sie als luftgestütztes Frühwarnsystem in Zukunft nicht mehr ausreichen. Aus diesem Grund hat das französische Verteidigungsministerium bereits ein Programm zur Ersatzbeschaffung gestartet. Dabei wurde 2023 die Boeing E-7A Wedgetail untersucht, die von der NATO als Ersatz für ihre E-3A ausgewählt wurde. Im Januar 2024 wurden die Pläne zur Beschaffung der E-7A allerdings zugunsten einer europäischen Option fallen gelassen. Diese Entscheidung wurde aufgrund der Politik der französischen Regierung getroffen, die darauf abzielt, den Verteidigungshaushalt der europäischen NATO-Mitglieder möglichst zur Beschaffung von in Europa hergestelltem Gerät zu verwenden. Es geht dabei um das schwedische AEW&C-Flugzeug Saab GlobalEye, das auf dem Geschäftsreisejet Global Express 6000 von Bombardier basiert. Die Schlüsselkomponente der GlobalEye ist ihr über dem Rumpf montiertes, aktiv elektronisch abgetastetes Radar, das Luftziele über eine Entfernung von mehr als 550 km erkennen und verfolgen kann (Look-up-Modus), was etwas weniger ist als beim Radar der E-7A (600 km).