Mit Aufträgen wie im April aus Indien für 22 Rafale M für den Flugzeugträgereinsatz (plus vier Doppelsitzer-Trainer) hat sich die Rafale Jahrzehnte nach dem Erstflug 1991 doch noch zu einem Exporterfolg für Dassault ent-wickelt. Auch in Frankreich ist der Mehrzweck-Kampfjet unverzichtbar, unter anderem als Trägerflugzeug für atomar bestückte Lenkwaffen. So verfügen die im Januar 1964 mit der Mirage IV aufgestellten Forces Aériennes Stratégiques (FAS) heute über zwei nukleare Einsatzstaffeln, die auf der Base Aérienne 113 in Saint-Dizier stationiert sind. Die Escadron de Chasse 1/4 "Gascogne" und die 2/4 "La Fayette" sind beide mit dem Doppelsitzer Rafale B ausgerüstet. Dazu kommen drei Tankerstaffeln auf der Base Aérienne 125 in Istres: Die Escadrons de Ravitaillement en Vol et de Transport Stratégique 1/31 "Bretagne" und 2/31 "Estérel", beide mit dem Airbus A330 MRTT Phénix, sowie die Escadron de Ravitaillement en Vol (ERV) 4/31 "Sologne", die die letzten drei verbliebenen KC-135RG Stratotanker betreibt. Sie wird jedoch im Juli 2025 aufgelöst. Neben den Rafale der Armée de l’Air et de l’Espace sind auch die Rafale M der französischen Marine für Nuklear- missionen verfügbar. Ab 1989 waren die Dassault Super Étendards mit der ASMP-Atomrakete bewaffnet worden. Ihre Aufgabe wurde ab 2009 von der Rafale M mit der verbesserten ASMP-A übernommen. Eine geheime Anzahl von Rafale-Piloten der Staffeln 11F, 12F und 17F ist qualifiziert, vom Flugzeugträger Charles de Gaulle oder von einem Landstützpunkt aus Atomschläge auszuführen. Der Träger bietet zusätzliche Flexibilität, kann er doch bis zu 1000 km am Tag zurücklegen (entsprechend einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 22,5 Knoten). Obwohl es nie offiziell bestätigt wurde, wird vermutet, dass die ASMP-A auch eingesetzt werden könnte, um eine feindliche Marine-Einsatzgruppe auf See anzugreifen.

Für Nukleareinsätze können die Rafale der Armée de l’Air große ASMP-A-Lenkwaffen tragen.
ASMP-A fliegt Mach 3
Die Rafale wurde von Anfang an auch für die nukleare Abschreckung konzipiert. Das Flugzeug verfügt über eine große Reichweite, hohe Nutzlast, modernste Selbstverteidigungs- und elektronische Kampfführungssysteme, ein sehr gutes Radar, Luft-Luft-Lenkwaffen mit großer Reichweite und die Fähigkeit für den automatischen Geländefolgeflug, um sich vor Boden-Luft-Raketen zu verstecken. Während die F-35 ihr Ziel überfliegen müsste, um eine Freifallbombe abzuwerfen – selbst für einen Tarnkappenjäger ein sehr gefährliches Unterfangen –, ist die Rafale dafür ausgelegt, eine nukleare Abstandsrakete vom Typ ASMP-A (Air-Sol Moyenne Portée-Amélioré, verbesserte Luft-Boden-Rakete mittlerer Reichweite) mit Staustrahlantrieb aus größerer Entfernung abzufeuern. Obwohl alle Daten geheim sind, geht man davon aus, dass die Maximalgeschwindigkeit der ASMP-A in großer Höhe Mach 3 und in niedriger Höhe Mach 2 übersteigt. In sehr großer Höhe soll die Reichweite mehr als 500 km betragen (in geringer Höhe die Hälfte). Im Jahr 2015 gab der damalige französische Präsident François Hollande bekannt, dass Frankreich über 54 ASMP-A-Lenkwaffen verfügt. Diese Zahl ist seitdem etwas geschrumpft, denn die FAS und die Rafale der Marine verbrauchen im Rahmen der sogenannten Tirs d’Entraînement des Forces einige Raketen für Testschüsse. Diese Übungen werden durchschnittlich alle zwei Jahre vor Biscarrosse über dem Atlantik abgehalten, um die gesamte Einsatzkette zu testen und sicherzustellen, dass alles "wie angekündigt" funktioniert, von der Übermittlung des Feuerbefehls bis hin zum Flugzeug und der Rakete selbst.

Atom-Übungseinsätze werden vorwiegend in der Nacht durchgeführt.
Viermal jährlich Atom-Übungseinsätze
Um die Glaubwürdigkeit der französischen nuklearen Abschreckungskräfte zu gewährleisten, finden viermal jährlich groß angelegte "Poker"-Übungen statt, bei denen ein Atomangriff mit großer Reichweite simuliert wird. Die Missionen werden in der Regel nachts durchgeführt (obwohl im März 2025 ein Poker-Manöver auch bei Tag stattfand) und erfolgen bei strenger Funkstille. Dabei kommen Navigationstechniken und -systeme zum Einsatz, die nicht auf GPS-Signalen basieren, die als unzuverlässig eingeschätzt werden. Die Flüge umfassen neben der Rafale und den Phénix-Tankern weitere Einsatzmittel wie Abfangjäger vom Typ Mirage 2000-5F zum Schutz der Bomber, Mirage 2000D mit Scalp-Marschflugkörpern zur Neutralisierung feindlicher Radar- und Flugabwehrsysteme, weitere Rafale sowie mindestens eine E-3F AWACS für die Führung. Andere Missionen werden manchmal gestartet, um Flagge zu zeigen, operative Fähigkeiten zu demonstrieren und unauffällig politische Botschaften zu senden. Dies war beispielsweise 2014, 2019 und erneut 2024 der Fall, als jeweils zwei Rafale auf der Insel La Réunion stationiert waren, einem französischen Überseegebiet im Indischen Ozean, 9000 km und elf Flug-stunden vom französischen Festland entfernt. Obwohl es nie offiziell bestätigt wurde, sollten die Langstreckenmissionen demonstrieren, dass ein potenziell feindliches Land im Nahen Osten leicht angegriffen werden könnte.

Die ASMP-A ermöglicht den Rafale Angriffe aus großer Distanz.
Luftüberlegenheitsmissionen
Ganz generell lässt sich sagen, dass ein Atomangriff in Zeiten von Spannungen, Krisen oder Krieg bedeuten würde, dass die Rafale es mit feindlichen Abfangjägern zu tun bekämen und gleichzeitig den Stellungen von Boden-Luft-Lenkwaffen ausweichen müssten. "Nur wenige wissen, dass ein Atomangriff in erster Linie ein Luft-Luft-Einsatz über große Entfernungen ist, bei dem wir schnelle Jets abwehren müssen, die uns abfangen wollen", erklärte ein Rafale-Pilot. Aus diesem Grund widmen die Besatzungen der Rafale der FAS einen Großteil ihrer Ausbildung der Luftüberlegenheitsmission. "Glücklicherweise ist die Rafale mit ihrem AESA-Radar, den Front Sector Optronics, der Spectra-Elektronik und ihren Meteor-Luft-Luft-Lenkwaffen mit Staustrahlantrieb für Luft-Luft-Einsätze bestens gerüstet. Ihre außergewöhnliche Radarreichweite gibt uns ausreichend Zeit, Ziele zu erkennen, zu klassifizieren und anzugreifen", so der Pilot. "Wir haben unsere Taktik angepasst, um die Möglichkeiten des AESA-Radars voll auszuschöpfen: Wir müssen uns unseren Gegnern nicht nähern und gehen weniger Risiken ein. Die AESA-Radarwellen reichen viel weiter als die des älteren Systems und werden von gegnerischen Radarwarnempfängern aus größerer Entfernung erkannt. Dies bietet eine abschreckende Wirkung."

Luftbetankung mit der A330 MRTT (Phénix) erhöht den Einsatzradius.
Ausbau der Nuklearstreitkräfte
Seit einigen Jahren spielen die Rafale-B-Doppelsitzer der beiden FAS-Staffeln eine aktivere Rolle bei der Luftverteidigung im Rahmen der defensiven Luftabwehr/Heimatverteidigung. Sie stellen zeitweise die QRA-Rotte (Quick Reaction Alert) und ergänzen so die schwindende Zahl der Mirage-2000-5F-Abfangjäger und tragen auch dazu bei, die anderen Rafale-Staffeln zu entlasten. Aufgrund zunehmender internationaler Spannungen hat Frankreich beschlossen, seine Nuklearstreitkräfte auszubauen. Am 18. März bestätigte Präsident Emmanuel Macron, dass auch die Base Aérienne 116 in Luxeuil – bis 2011 eine Mirage-2000N-Basis mit zwei FAS-Atomstaffeln – zwei nuklearfähige Rafale-Staffeln beherbergen wird. Sie wird als erster Stützpunkt mit der zukünftigen Standard-F5-Rafale-Variante ausgestattet werden. Diese neue Version gilt als Mid-Life-Update der Rafale und wird unter anderem das neue RBE2-XG-Radar (Extended Generation) mit Gallium-Arsenid-Radarmodulen erhalten. Dazu kommt eine völlig neue Atomrakete namens ASN4G (Air-Sol Nucléaire de 4ème Génération). Diese ist streng geheim, doch als sicher gilt, dass sie Hyperschallgeschwindigkeit erreichen wird. Sie soll zudem schwerer und größer als die aktuelle ASMP-A sein und so die Tragfähigkeit der Rafale voll ausnutzen. Laut der Rede von Präsident Macron soll die Indienststellung etwa 2035 erfolgen.

Die nukleare Abschreckung ist seit den sechziger Jahren ein Eckpfeiler der französischen Verteidigungspolitik.
300 Atomsprengköpfe
Frankreich verfügt heute angeblich über rund 300 Atomsprengköpfe – genug, um eine starke nukleare Abschreckungsmacht aufrechtzuerhalten, die von fast allen politischen Parteien als Kronjuwel des französischen Militärs angesehen wird. Die Zukunft ist langfristig gesichert. Kürzlich wurden zum Beispiel sowohl die ASMP-A- als auch die M51-Raketen auf den U-Booten modernisiert, um ihre Einsatzfähigkeit zu erhöhen und Obsoleszenzprobleme zu lösen. Neben der ASN4G wurde auch ein neues Programm für U-Boote mit ballistischen Nuklearraketen gestartet.